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Andreas Buro: Friedenspolitik statt Krieg in Afghanistan!

Von Andreas Buro - Redebeitrag bei der Abschlusskundgebung der Demonstration "Frieden für Afghanistan - keine Verlängerung der Bundeswehreinsätze" in Berlin 15.9.2007


Liebe Demonstrantinnen und Demonstranten aus fast allen Teilen Deutschlands,

Ihr seid die Repräsentanten der Mehrheit der Bevölkerung. 2/3 der Deutschen lehnen eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan ab.

Wir protestieren heute nicht nur gegen eine Verlängerung des deutschen Militäreinsatzes in Afghanistan. Wir fordern eine gezielte nicht-militärische Friedenspolitik für Afghanistan und seine von ausländischen Interventionen und Bürgerkrieg schwer verletzte Bevölkerung.

Der brutale Interventionskrieg dort, der zynischer Weise Operation Enduring Freedom genannt wird, versinkt im Schlamm der Irakisierung und der Korruption, angeheizt durch die mörderischen "Kollateralschäden" der US- und NATO-Kriegsführung.

Nun sagt man uns, Deutschlands Sicherheit würde am Hindukusch verteidigt. Nein, sie wird dort riskiert! Jung und Struck sind keine Sicherheitspolitiker. Sie sind Unsicherheitspolitiker!

Der finanzielle Aufwand für den Wiederaufbau und die Entwicklung in Afghanistan war bisher lächerlich gering. Seit 2002 wurden insgesamt etwa 85 Mrd. $ für militärische Zwecke, für Entwicklung aber nur 7,5 Mrd. $ aufgewendet. Von ihnen ist der größte Teil nicht bei der Bevölkerung angekommen. Viele halten sich nur durch Opiumanbau über Wasser. Nun will die Bundesregierung 25 Millionen pro Jahr mehr einsetzen. Das ist lächerlich wenig. Daraus kann niemals eine neue Friedenspolitik erwachsen!

Die westliche Intervention steht vor einem doppelten Dilemma. Sie ist weder in der Lage, militärisch eine stabile und sichere Ordnung zu bewirken, noch kann sie dies allein durch den Abzug ihrer Truppen erreichen.

Wir sagen, erst wenn die afghanische Bevölkerung eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse erkennen kann, wird sie sich auch für Frieden engagieren. Wir fordern deshalb eine Umkehr und eine zivile Friedenspolitk für Afghanistan und seine Menschen, die ihren Namen verdient.

Das ist nicht mit mehr Soldaten, sondern nur mit mehr friedenspolitischem Verstand zu erreichen. Deutschland könnte hierbei eine wichtige Rolle spielen.

Stellt Euch vor:

  • Deutschland verlängert nicht das Mandat für ISAF, Tornado und Enduring Freedom und gibt damit ein deutliches Signal der Neuorientierung. Dabei nennt Berlin ein festes Datum, bis zu dem die deutschen Truppen aus Afghanistan abgezogen sein werden.
  • Stellt Euch vor, Berlin gibt gleichzeitig bekannt, es würde seine finanzielle Hilfe um den Betrag aufstocken, der durch den Abzug der Truppen frei würde. Das sind 500 bis 600 Millionen. Diese Mittel stünden für Entwicklungsprojekte in Afghanistan zur Verfügung, die von Orten und Regionen gemeinschaftlich für wichtig und nützlich gehalten werden. Dabei ginge es also auch um die örtliche oder regionale Zustimmung derjenigen Kräfte, die sich den Taliban zuordnen. Auf diese Weise könnte Dialog und Zusammenarbeit der verschiedenen Kräfte vor Ort, sowie Vertrauen untereinander gefördert werden.
  • Das Argument, zivile Hilfe und Entwicklung bedürfe des militärischen Schutzes greift nicht. Erstens ist das ISAF-Militär überhaupt nicht in der Lage, die zivilen Helfer zu schützen. Zweitens halten die Afghanen Helfer unter militärischem Schutz nicht für neutral, sondern für einen Teil der militärischen Intervention. Dies um so mehr, wenn ISAF zur kämpfenden NATO-Truppe wird. Entwicklungshelfer sehen sich deshalb eher durch Militär gefährdet als gefördert. Wir weisen den Mythos zurück, nur Militär könnte einen Friedensprozess gewährleisten.
  • Stellt Euch weiter vor, die Bundesregierung würde an die noch weiter Kriegführenden appellieren, solche gemeinsam beschlossenen Projekte nicht in die Kriegführung einzubeziehen. Sie würde gleichzeitig andere Staaten dafür gewinnen, sich diesem Projekt anzuschließen.

Mit einer derartigen Politik könnte Deutschland eine Wende vom Krieg zur zivilen Konfliktbearbeitung, von der Konfrontation zum Dialog einleiten. Das wäre ein Signal, das weit über Afghanistan hinaus in vielen islamischen Ländern gehört werden würde. Für eine solche Politik treten wir ein.

Mit einer solchen Friedenspolitik, die gleichzeitig eine Exitstrategie aus dem afghanischen Sumpf wäre, würde Deutschland sicherlich unter starken Druck aus den USA geraten. Doch hat die Bundesrepublik nicht die Verweigerung einer direkten Beteiligung am Irak-Krieg gut ertragen können?

Unsere Regierung spricht immer von ihren friedlichen Absichten. Dann muss sie sich aber auch von der US-Kriegspolitik verabschieden. Deutschland muss eine eigenständige Friedenspolitik einleiten, nicht zuletzt auch deshalb, um selbst nicht immer tiefer in diesen barbarischen Krieg hineingezogen zu werden. Dafür gibt es eine 2/3 Mehrheit der Deutschen. Sie haben anscheinend aus der Vergangenheit mehr gelernt als manche Politiker.

Diese versuchen nun die Öffentlichkeit zu täuschen und schlagen eine Reduzierung der deutschen Truppen unter der Operation Enduring Freedom vor. Das ist ein Bauernopfer nach dem Motto: "Wasch mich, aber mach mich nicht nass! Solche Truppen sind seit zwei Jahren, wie man hört, in Afghanistan gar nicht mehr im Einsatz. Für wie dumm halten die eigentlich die deutsche Bevölkerung?!

Wir rufen Bevölkerung und die Basis der Parteien auf, lasst Euch nicht täuschen! Verbreitet überall die Forderung an Bundestag und Bundesregierung: "Beendet Eure Kriegspolitik im Schlepptau der USA! Treibt endlich eigenständige zivile Friedenspolitik!

Andreas Buro war Mitbegründer der deutschen Ostermarschbewegung/Kampagne für Demokratie und Abrüstung, heute ist er friedenspolitischer Sprecher des Komitee für Grundrechte und Demokratie, Koordinator des Dialog-Kreises "Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden" und Koordinator des "Monitoring-Projekts: Zivile Konfliktbearbeitung, Gewalt- und Kriegsprävention".

Veröffentlicht am

22. September 2007

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