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Bringt Doha zum Scheitern, rettet das Klima

Von Walden Bello, 30.07.2008 - Foreign Policy in Focus

Den akutellen WTO-Gesprächen in Genf haftet etwas Surreales an. Ziel ist ein neues Abkommen gegen Zölle, um den Welthandel voranzubringen und das globale Wachstum wieder anzukurbeln. Angesichts des Gespensts des drohenden Klimawandels wirken die Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO), als würde man die Stühle auf dem Oberdeck der sinkenden Titanic zurechtrücken.

Ein Scheitern der so genannten "Doha-Runde" wäre ein sehr wichtiger Schritt im Kampf für eine lebensfähige Strategie gegen den Klimawandel.

Der globale Handel ist abhängig von einem Transportwesen, das in erster Linie von fossilen Treibstoffen abhängt. Laut Schätzungen hängen rund 60% des Ölverbrauchs mit dem Transport zusammen. Das Transportwesen ist zu 95% von fossilen Kraftstoffen abhängig. In einer OECD-Studie heißt es, der Sektor des ‘globalen Transportwesens’ sei für 20% bis 25% der Kohlendioxidemissionen verantwortlich. 66% der Emissionen (in Zahlen) bezögen sich auf die industrialisierten Staaten.

Der globale Handel ist extrem dysfunktional

Aus dem Blickwinkel einer nachhaltigen Entwicklung entwickelt sich der globale Handel extrem dysfunktional. Nehmen wir zum Beispiel den Agrarhandel. Das International Forum on Globalization weist darauf hin: Die durchschnittlichen Mahlzeiten, die auf den Tellern der westlichen industriellen Lebensmittel-Importnationen landen, haben um die 1500 Meilen hinter sich. Die langen Transportwege führen zu der absurden Situation, dass "drei Mal mehr Nahrung genutzt wird - um gemäß dem agro-industriellen Modell Lebensmittel zu produzieren -, als diese zu verzehren".

Wenn es um steigende Kohlendioxidemissionen durch den Transport geht, spielt die WTO eine zentrale Rolle. In einer Studie der OECD, Mitte der 90er Jahre, wurde davon ausgegangen, dass bis 2004 die Freihandels-Abkommen - im Sinne der WTO- ‘Uruguay-Runde’ - voll umgesetzt sein würden: Die Zahl international gehandelter und transportierter Güter sollte bis 2004 gegenüber 1992 um 70% gestiegen sein. Diese Zahl, so schrieb die New Economics Foundation würde das Kyoto-Protokoll und die darin festgelegten, verpflichtenden Ziele zur Emissionsreduzierung in den Industrienationen "zu einer Lachnummer" machen.

Transport: Mehr fossile Treibstoffe denn je

Fast 80% des globalen Handelsgüterverkehrs ist Schifffahrt. Der Treibstoff dieser Schiffe besteht normalerweise aus Diesel und einer Mischung aus Öl niedrigster Qualität ("Bunker C"). Dieses schlechte Öl hat einen hohen Kohlenstoff- und Sulfur-Anteil. Jerry Mander und Simon Retallack schreiben: "Wenn es (Bunker C) nicht von den Schiffen verbraucht würde, sähe man es als Abfall an".

Die Luftfahrt ist im Transportwesen die größte Wachstumsbranche. Es ist auch die Branche, die die Treibhausgasemissionen am schnellsten anwachsen lässt. Eine Studie, aus der die New Economics Foundation zitiert, geht von einer Steigerung des Treibstoffverbrauchs im Flugwesen um 65% aus - zwischen 1990 und 2010.

Andere Einschätzungen sind pessimistischer. So geht das IPCC davon aus, dass allein der Treibstoffverbrauch der zivilen Luftfahrt pro Jahr um 3% steigt. Von 1992 bis 2050 könnte dieser Verbrauch insgesamt um fast 350% steigen. Mander und Rallack: "Jede Tonne Fracht, die per Flugzeug transportiert wird, verbraucht vierzig Mal mehr Energie pro Kilometer als eine Fracht, die per Schiff bewegt wird". Der Start eines 747-Flugzeuges, der zwei Minuten dauert, entspricht 2,4 Millionen Rasenmähern, die 20 Minuten lang laufen. Die Behörden lassen Flugbenzin und billiges Schiffsöl meist unbesteuert - um das globale Wirtschaftswachstum und die Ausweitung des Handels voranzutreiben. Flugbenzin und billiges Schiffsöl sind heute für 20% aller Emissionen des Transportwesens verantwortlich.

Neben dem Lufttransport, der hohe Mengen an fossilen Kraftstoffen verbraucht, herrscht auch beim Transport auf der Straße ein Intensivverbrauch an fossilen Kraftstoffen. Auch diese Transportart war äußerst gefragt, als der Welthandel expandierte - und nicht Transportarten, die weniger emissionsintensiv waren, wie etwa Schiene und Schiffe. So setzte zum Beispiel die Europäische Union ihren Schwerpunkt auf die Schaffung eines Wegenetzes für den Transport. In einer OECD-Studie wird dies folgendermaßen kommentiert: "Die Art, wie die EU ihre Liberalisierungspolitik umsetzt, bevorzugt weniger umweltfreundliche Wege und beschleunigt den Niedergang der Schiene und der inländischen Wasserwege".

Wachstum und Energie entkoppeln ist kein Allheilmittel

Immer wieder ist davon die Rede, Handel und Wachstum von der Energie zu entkoppeln oder von fossilen Brennstoffen auf Energiequellen umzusteigen, die weniger Kohlenstoff intensiv sind. In Wirklichkeit handelt es sich bei den in Betracht gezogenen anderen Energiequellen um gefährliche Quellen, wie etwa die Kernkraft oder um Energieressourcen mit verheerenden Nebenwirkungen, wie die Biotreibstoffe (mit negativen Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion) oder um Zukunftsmusik - Technologien zur Lagerung und Einschließung von Kohlendioxid. Kurzfristig werden der zunehmende Handel und das globale Wachstum also weiterhin Hand in Hand gehen mit mehr Emissionsgasen. Diese Korrelation war/ist die historische Stoßrichtung.

Aber ein extremes Umdenken bei Konsum und Wachstum in der westlichen Welt und ein signifikanter Rückgang beim globalen Handel sind unvermeidlich, um zu einer lebensfähigen Strategie gegen den Klimawandel zu kommen. In diesem Rahmen ließen sich Treibhausgasemissionen reduzieren - auch im energieintensiven Transportwesen. Der Ausgang der Verhandlungen in Doha wird darüber entscheiden, ob der Freihandel sich intensivieren wird oder ob er seine Dynamik verliert. Ein erfolgreiches Ergebnis in Doha würde uns einem unkontrollierbaren Klimawandel näher bringen. Die New Economics Foundation beschreibt es so: "Der Freihandel reist auf Kosten des globalen Klimas".

Ein Scheitern in Doha wäre noch keine ausreichende Voraussetzung für eine Strategie zur Beherrschung des Klimawandels. Doch angesichts der wahrscheinlichen negativen ökologischen Folgen eines erfolgreichen Abkommens, wäre ein Scheitern in Doha eine notwendige Voraussetzung.

Original erschienen in Foreign Policy In Focus (FPIF) - ein Projekt des Institute for Policy Studies

Quelle: ZNet Deutschland   vom 30.07.2008. Originalartikel: Derail Doha, Save the Climate . Übersetzt von: Andrea Noll.

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Veröffentlicht am

31. Juli 2008

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