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Israel: Zeit für Tauben

Israel verhandelt an drei Fronten


Von Sabine Kebir

Die Welt staunt: Israels Premier lässt mit Syrien und dem Libanon verhandeln, er billigt sogar eine dank ägyptischer Hilfe ausgehandelte Waffenruhe mit der Hamas. Jeder Außenstehende, der noch vor 14 Tagen Derartiges gefordert hätte, wäre der Unterstützung des Terrorismus oder schlimmstenfalls des Antisemitismus bezichtigt worden.

Israelische Führer können offenbar nur als unnachgiebige Falken an die Macht kommen, wollen aber als Tauben abtreten. So war es schon bei den im Sechs-Tage-Krieg von 1967 reüssierenden Supermilitärs Moshe Dayan und Yitzhak Rabin. Als sie in die Politik gingen, behandelten sie Gaza-Streifen und Westbank nicht als dauerhafte Eroberung, sondern als Tauschgut für einen dauerhaften Frieden mit den Muslimen. Wer Mitte der neunziger Jahre die Region bereiste, konnte sehen, dass die unter Rabin ausgehandelten Osloer Verträge - ungeachtet ihrer Mängel - eine für beide Seiten hoffnungsvolle Zeit der Koexistenz eingeleitet hatten. Nie vergesse ich den ärmlichen, aber von großer Zuversicht erfüllten Club in Ramallah, in dem aus westlichen Ländern heimgekehrte palästinensische Intellektuelle verkehrten, die mit UN-Geldern Projekte der Kultur, Archäologie und Wassererschließung aufbauen wollten. Ob solche Leute noch einmal bereit sind, zurück zu kommen?

Rabin bezahlte seinen Kurs 1995 mit dem Leben, sein Tod offenbarte die tiefe Spaltung der israelischen Gesellschaft, seither wurden die Friedenskräfte zusehends schwächer. Benjamin Netanjahu und Ariel Sharon schickten immer mehr Siedler in die Westbank und ersetzten palästinensische Arbeitskräfte in Israel durch Einwanderer aus dem ehemaligen Ostblock - die Utopie einer wirtschaftlichen Verflechtung rückte in weite Ferne. Durch systematische Provokation der Regierung Arafat und die Errichtung einer Mauer verschrieb sich Sharon einem Diktatfrieden, der Israel die Filetstücke im Westjordanland inklusive der Wasserressourcen sichern sollte. Doch erwies sich auch dieser Politiker als wandlungsfähig: Er räumte den Südlibanon und beorderte Siedler und Armee aus dem Gaza-Streifen zurück. Ein Schritt, der sich bald als diabolisches Manöver entpuppte, um den israelische Staat aus der Verantwortung für die Menschen in einem lange besetzten Gebiet zu lösen, zu der er völkerrechtlich verpflichtet war. Ehe die Palästinenser in Gaza bescheidene Früchte ihrer Souveränität - etwa die internationale Anerkennung freier Wahlen - ernten konnten, wurde Sharon durch Krankheit an weiterem Regieren gehindert. Offenkundig ermuntert durch die USA setzte Nachfolger Olmert wieder auf totale Konfrontation. Mit und ohne Anlass bombardierte er den Gaza-Streifen, brach mit seinen Panzern dort ein und ließ “Extremisten” gezielt töten, darunter den im Rollstuhl lebenden religiösen Führer Scheich Yasin. Olmerts erneuter Einmarsch im Libanon, der Israels Sicherheitsinteressen diametral entgegenstand, markierte im Sommer 2006 den Tiefpunkt einer wie auch immer verstandenen nationalen Politik. Der wahnwitzige Feldzug war nur zu verstehen, sah man die Operation als Ausdruck einer Strategie der USA, denen es darum ging, Syrien und Iran zu treffen.

Die jetzige vorsichtige Wendung darf sich nicht zuletzt Condoleezza Rice zugute halten, die bemüht ist, ihrem Präsidenten ganz zum Schluss ein paar Taubenfedern wachsen zu lassen. Zweifel an Olmerts plötzlichem Verhandlungsdrang sind angebracht - mit Diplomatie lässt sich auch das Terrain bereiten, um einen blitzschnellen Schlag gegen den Iran vorzubereiten.

Überdies liegt der Verdacht nahe, dass Israels Premier nur deshalb zur Taube wird, weil Korruptionsvorwürfe einen baldigen Rücktritt nahe legen, so dass es sich anbietet, kurz vor dem Abgang dem Friedensbedürfnis vieler Israelis entgegen zu kommen. Das löst in Jerusalem das alte Spiel aus: Minister Ramon nennt die faktische Anerkennung der Hamas als Verhandlungspartner einen “Sieg für den radikalen Islam”. Zugleich spielt die friedensfeindliche Front den Korruptionsverdacht gegen Olmert hoch, um ihn möglichst schnell gegen einen Falken austauschen zu können.

In Gaza und den palästinensischen Flüchtlingscamps ist eine neue Generation herangewachsen, deren Erfahrungen und Zukunftsaussichten düsterer sind als alles, was frühere Generationen nach der Vertreibung von 1948 erlebt haben. Unter der Besatzung haben sich die Palästinenser von einer der gebildetsten Nationen der arabischen Welt zu einer Gemeinschaft entwickelt, in der Fatalismus und Obskurantismus eine gefährliche Mischung eingehen und der Ruf nach dem Märtyrer nicht verstummt. Hochtechnisierte Gewalt kann dem nichts anhaben, im Gegenteil. Frieden erhält nur durch Frieden eine Chance, durch ein geduldiges Friedensangebot, bei dem Rückschläge nicht entmutigen.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   26 vom 27.06.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

26. Juni 2008

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