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Heute Despot, morgen Staatsmann

Millionen glauben, dass Bashar al-Assad hinter einem Mordkomplott steckte. Frankreich ehrt ihn


Von Robert Fisk, 21.06.2008 - Independent.co.uk

Wie kommt es, dass Mächtige stürzen? Oder drehen wir die Frage um, wie kommt es, dass manche Gestürzten erneut mächtig werden? Denken wir an einen gewissen Moammar Ghaddafi (Ghazzafi)Robert Fisk schreibt hier, es existierten 17 Schreibweisen (unter Zugrundelegung unseres Alphabets) für den Namen des libyschen Staatschefs. - den “tollwütigen Hund des Mittleren Ostens”, wie Ronald Reagans dumpfes Klischee lautete. Ghaddafi sei ein “Sponsor von Terroristen”, hieß es einst, er schrecke nicht einmal vor Schiffslieferungen mit Waffen an die IRA zurück. Ghaddafi - der etwas seltsame Führer Libyens - verfasste ein ebenso verwirrendes wie langweiliges, pseudophilosophisches Werk: ‘The Green Book’. Er verhöhnte das Weiße Haus, indem er seinen eigenen Palast ‘Grünes Haus’ nannte - also Treibhaus. Nachdem man ihn darauf aufmerksam machte, dass ihn das noch mehr zu einem Kohlkopf machte, ließ er es wieder.

Plötzlich kam Ghaddafi auf die Idee, auf einige seiner - eingebildeten - Massenvernichtungswaffen zu verzichten. Anthony Blair (derzeit Geschäftsführer in Sachen Weltreligion) reiste nach Tripoli, um ihn zu umschmeicheln. Der peinliche Jack Straw nannte Ghaddafi “staatsmännisch”, und der noch peinlichere Sarkozy lud ihn nach Paris ein. Wie es seine royale Art war, ließ Ghaddafi den französischen Präsidenten wie einen Trottel aussehen, indem er sich äußerst unstaatsmännisch benahm.

Bingo - Sarkozy hat es erneut getan. Diesmal hat er Bashar al-Assad nach Frankreich eingeladen. Auch Assad ist ein “Sponsor des Weltterrors”. Diese Aussage stammt natürlich aus Washington. Falls Assad der Einladung Folge leisten sollte, wird er am Jahrestag der Erstürmung der Bastille in Frankreich sein und den Feierlichkeiten beiwohnen - am unteren Ende der Champs Elysées stehend.

Dem Mann, den Millionen Libanesen verdächtigen, den Mord an dem ehemaligen libanesischen Premierminister Rafiq Hariri am 14. Februar 2005 geplant zu haben, soll eine der höchsten französischen Ehrungen zuteil werden: Er soll neben dem französischen Präsidenten stehen, während dieser die Militärparade abnimmt.

Le Canard Enchainé, meine liebste französische Zeitung, druckte diese Woche einen herrlichen Cartoon zu diesem Thema: Eine Figur, die aussieht wie Assad, fragt Sarkozy und seine tolle Carla: “Um was geht es am 14. Juli eigentlich genau?” Carla: “Um das Ende eines Tyrannen”. Eine Figur, die wie Sarkozy aussieht, ringt um Worte und ergänzt verlegen: “… äh, es war ein König”. Ja nun. Im Grunde ist Bashar sowohl Tyrann als auch König. Er ist der Nachfolger seines im Jahre 2000 verstorbenen Vaters. Das macht ihn zu einem Thronfolger und Syrien zu einer Art Kalifat. (Ähnlich wird es in Äypten laufen: Wenn Onkel Hosni Mubarak stirbt, wird dessen Sohn Gamal neuer Regierungschef). Ernsthaft: Wie konnte Bashar al-Assad - eine Hassfigur der USA und Teil der verrückten Bush’schen ‘Achse des Bösen’ - auf die französische Gästeliste geraten? Frankreich will, dass Syrien der Gründung der tollen, neuen “Union der Mittelmeerstaaten” beiwohnt (zusammen mit Leuten wie Ehud Olmert). Aber es geht um mehr.

Ein Grund ist, dass Sarkozy und Assad das Gefühl verbindet, die Amerikaner befänden sich auf der Verliererstraße - siehe das amerikanische Desaster im Irak und in Afghanistan (über das es demnächst einen Kinofilm gibt), das totale Scheitern der USA bei der Vermittlung eines Friedens zwischen Israel und den Palästinensern und das Entgleiten des US-Schützlings Libanon (wenn das neue libanesische Kabinett steht, wird die pro-syrische Hisbollah - mittels ihrer Mehrheit im Parlament - die Amerika-Loyalen per Veto blockieren können). Das alles bedeutet für Frankreich, es kann die verheerende Lage zu einem zweiten Anlauf für ein ‘französisches Mandat’ nutzen.

Ein Tribunal gegen die Mörder Hariris ist immer noch nicht in Sicht. Walid Dschumblatt, mein Lieblingsnihilist unter den Drusen, weilt derzeit in Saudi-Arabien, um den König zu bitten, weiter auf ein solches Tribunal zu drängen. Zuvor war Dschumblatt in Washington, um in gleicher Weise auf Bush, Gates und Konsorten einzuwirken. Doch die USA sind im Mittleren Osten gescheitert.

Bashar al-Assad ist wieder willkommen in der zivilisierten westlichen Welt. Einst hatte ihn Jaques Chirac eingeladen. Das war, bevor er sich durch Assad betrogen fühlte: Syrien sei offensichtlich in das Attentat auf Hariri verwickelt. Ich persönlich vermute, dass Teile des Sicherheitsapparates der (syrischen) Bath-Partei in das Massenattentat involviert waren - nicht Bashar selbst. Wie auch immer. Erst 17 Monate ist es her, seit der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy in Beirut an der Beerdigung des jungen Pierre Gemayel teilnahm. Gemayel war Opfer eines Attentats. Die gleichen Finger wie stets deuteten auf Syrien. Damals erklärte Douste-Blazy, (der damalige Präsident) Chirac sei “der beste Verteidiger der libanesischen Souveränität, den es auf Erden gibt”. Heute scheint Sarkozy der beste Verteidiger der syrischen Souveränität - und Bashars - zu sein, den es auf Erden gibt”.

Das alles geschieht natürlich hinter vorgehaltener Hand. Ich spreche hier von Kerzenschein-Politik. Eventuell werde sich Ehud Olmert mit Bashar al-Assad treffen, teilen uns die Franzosen mit. Das hieße, die indirekten Friedensverhandlungen würden weitergehen. Es sei an der Zeit, Syrien aus der Kälte zu holen, sagen die Franzosen. Zwei der höchsten Delegierten Sarkozys sind nach Damaskus gereist, um dem syrischen Präsidenten um den Bart zu gehen - in der Hoffnung, er werde die Einladung nach Frankreich nicht ausschlagen. Schließlich könne Frankreich Syrien dazu aufrufen, sich bezüglich Libanon besser aufzuführen, eine Botschaft in Beirut zu eröffnen und den Verlauf der libanesisch-syrischen Grenze zu begradigen, bla-bla-bla. Zudem soll Bashar für seine Unterstützung der Konferenz von Doha belohnt werden. Bei diesem Treffen wurden die jüngsten kranken, sektiererischen Streitigkeiten im Libanon bis zu einem gewissen Grade beigelegt - wenn auch zugunsten Syriens selbst.

Die Mehrheit des libanesischen Parlaments murrt über Assads geplante Frankreichreise. Auch die größte jüdische Organisation in Frankreich murrt - allerdings mit wenig Erfolg. Beim letzten Besuch des syrischen Präsidenten Assad in Paris beschuldigte sie ihn symbolisch, am Holocaust der Nazis an den europäischen Juden schuld zu sein. Damals war Bashar al-Assad noch nicht einmal geboren.

Selbst der elegante bunte alte Vogel Libyens, Moammar Ghaddafi, ist gegen eine “Mittelmeer-Union”. Der “staatsmännische” Großschwätzer Ghaddafi wies das ganze Theater mit den unsterblichen Worten “wir sind keine Hunde, denen man irgendwelche Knochen hinwirft”, vom Tisch. Sarkozy hätte es eigentlich wissen müssen. Ein Freund von mir - ein ehemaliger serbischer Diplomat - erzählte, wie Ghaddafi einst zu einem Gipfel der Unabhängigen Staaten in Jugoslawien ein Kamel und ein weißes Pferd mitbrachte. Das Kamel sollte ihm Milch liefern, das Pferd sollte ihn durch die Straßen Belgrads tragen - bis zur Konferenzhalle. Das Kamel wurde ihm genehmigt, das Pferd nicht.

Das kann vorkommen, wenn man sich selbst als “Führer” (guide) sieht - so wie Ghaddafi. Übrigens hat sich auch Hitler einst ‘Führer’ genannt. Man kann nie wissen, was aus Verrückten wird, die unsere Leiter des Erfolgs emporsteigen. Wir haben Kurt Waldheim zum Ehrenritter geschlagen. Aber wir nahmen ihm die Ehrung wieder weg, als wir von seiner schmutzigen Rolle im Zweiten Weltkrieg erfuhren. Auch Nicolai Ceausescu wurde in England zum Ritter geschlagen. Wir zogen die Ehrung zurück, als er exekutiert wurde - an Weihnachten. Wir liebten Saddam Hussein, als er all die Kommunisten foltern und hinrichten ließ. Der damalige Oberbürgermeister von Paris, Jaques Chirac schwärmte von Saddam, als er in den Iran einmarschierte. Wir hassten Saddam, als er in Kuwait einmarschierte und freuten uns, als er 17 Jahre später aufgehängt wurde.

Keine Bange, Bashar al-Assad wird nicht aufgehängt werden. Er wird nach Frankreich reisen und den Sturz des französischen Königs mitfeiern. Zweifellos wird er mit ökonomischen Hilfszusagen heimkehren, und sein Volk wird keinen “Kuchen essen” müssen.

Quelle: ZNet Deutschland   vom 22.06.2008. Originalartikel: Today’s despot is tomorrow’s statesman . Übersetzt von: Andrea Noll.

Fußnoten

Veröffentlicht am

23. Juni 2008

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