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Zyklon Nargis: Wieder trifft es die Ärmsten der Armen

Der Zyklon Nargis hat an Burmas Küste schlimmste Verwüstungen hinterlassen. Zehntausende Menschen sind tot oder werden vermisst. Rund eine Million Menschen sind obdachlos geworden. Wirbelstürme von zerstörerischer Wucht nehmen zu. Ist Nargis ein neuer Beweis für den Klimawandel? Die Online-Redaktion von Greenpeace fragte ihren Klimaexperten Karsten Smid.

Online-Redaktion: Karsten, die Nachrichten aus Burma sind schockierend, die Opferzahlen steigen immer weiter. War Burma auf einen Sturm dieser Stärke gänzlich unvorbereitet?

Karsten Smid: Die Wucht des Sturmes war so vernichtend - auf solche Naturkatastrophen kann man sich nur sehr sehr schwer vorbereiten.

Burma hat aber auch die Warnung der indischen Meteorologen nicht ernstgenommen. Zwei Tage vorher war klar, dass dieser Zyklon direkt auf Burma zusteuerte. Man hätte die Bevölkerung warnen können und müssen. Eine Flucht ins Hinterland hätte sehr viele Opfer vermieden. Wirbelsturmwarnungen, so wie wir sie aus den USA kennen, gibt es aber im asiatischen Raum nicht. Dadurch schnellen die Opferzahlen drastisch in die Höhe. Die Militärjunta in Burma hat dies offensichtlich in Kauf genommen.

Online-Redaktion: Schwerere, immer häufigere Stürme werden oft als eine Folge des Klimawandels genannt. Ist Nargis dafür ein Beweis?

Karsten Smid: Ein einzelner Zyklon kann niemals als Beweis für die Erderwärmung herangezogen werden. Generell ist es schwierig, Trendaussagen zu machen. Die Datenlage ist noch nicht ausreichend. Es gibt allerdings eine wissenschaftliche Untersuchung amerikanischer Experten, die 4800 Wirbelstürme untersucht haben. Die kommen zu dem klaren Ergebnis, dass die Intensität der Stürme innerhalb der letzten 30 Jahre deutlich zugenommen hat.

Auch von der Physik her ist das klar. Die Stürme bilden sich erst ab 26 Grad Wasseroberflächentemperatur. Die Oberflächentemperatur der Meere nimmt zu. Das heißt, die Entstehungsbedingungen für die Wirbelstürme sind besser als früher. Für Nargis waren sie optimal. Deshalb konnte er sich zu solch einem starken, zerstörerischen Zyklon herausbilden. Das Ganze hat zweifelsohne etwas mit dem Klimawandel zu tun. Die Erwärmung der Meere ist unmittelbare Folge der Klimaerwärmung.

Online-Redaktion: Wie könnte ein Land wie Burma sich schützen?

Karsten Smid: Nötig wären Anpassungsmaßnahmen. Zum Beispiel sehr starke Gebäude auf Stelzen, die als Zufluchtsburgen dienen können. Das gibt es in Bangladesh teilweise schon. Solche Hochwasserschutzbauten - auch Shelter genannt- retten Menschenleben. Das können diese Staaten von sich aus aber überhaupt nicht leisten. Da brauchen sie die internationale Staatengemeinschaft als Unterstützer. Diese Dinge müssen mittelfristig in Angriff genommen werden - neben den Akuthilfen wie Lebensmitteln und technischer Infrastruktur.

Die Akuthilfe wird uns noch monatelang beschäftigen. Nach den Überflutungen wird es noch Tausende von Wassertümpeln geben, durch die sich die Malariamücke ausbreiten kann. Das ist für die Menschen vor Ort natürlich ein enormes Risiko. Auch die hygienischen Umstände, sauberes Wasser… Jetzt geht es erstmal darum, den Menschen vor Ort zu helfen und alles zu tun, damit deren Leid gelindert wird.

Online-Redaktion: Wieder hat es die Ärmsten der Armen getroffen …

Karsten Smid: Ja, es zeigt sich, dass die Klimakatastrophe in erster Linie eine soziale Katastrophe ist. Burma wurde um Jahrzehnte in seiner Entwicklung zurückgeworfen. Die Industrienationen als Hauptverursacher des Klimawandels müssen jetzt massiv und kontinuierlich Aufbauhilfe leisten.

Dies wird nicht der letzte Zyklon sein. Die Küsten von Indien, Bangladesh, Burma, Thailand bis nach Vietnam sind durch Zyklone und Taifune gefährdet. Von Natur aus. Aber diese Zyklone und Taifune nehmen infolge der Klimaerwärmung an Intensität zu. Deshalb muss die internationale Staatengemeinschaft hier Hilfe leisten - mit finanziellen Mitteln und mit technischem Know-how.

Online-Redaktion: Was bedeutet langfristige Hilfe?

Karsten Smid: Keine Frage, wir müssen Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern vorantreiben. Wir müssen aber zeitgleich auch die Treibhausgase in den Industrieländern senken, um die Ursache an der Wurzel zu bekämpfen. Wir müssen spätestens bis zum Jahr 2015 eine Trendumkehr beim globalen CO2-Ausstoß geschafft haben und in den Folgejahren den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch senken.

Ganz konkret heißt das, in den Industriestaaten zum Beispiel keine neuen Kohlekraftwerke zu bauen, denn die sind mit die Auslöser dieser Katastrophe. Es zeigt sich auch, dass die Weltgemeinschaft zu langsam reagiert. Obwohl wir die Auswirkungen längst kennen, haben wir es in den letzten zehn Jahren versäumt, bei uns in den Industriestaaten die Trendumkehr zu schaffen.

Letztendlich ist das Zögern in den Verhandlungen auch auf Bali, das Blockieren von weiteren Reduktionsraten ein Affront gegenüber all den Leidtragenden in Burma, die jetzt Opfer geworden sind.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Karsten.

Quelle: Greenpeace , 07.05.2008.

Zum Thema in www.greenpeace.de

Veröffentlicht am

09. Mai 2008

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