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Menschenrechtsverbrechen in Gaza

Von Jimmy Carter, 09.05.2008 - DAILY NEWS EGYPT / ZNet

Die Welt wird Zeuge eines schrecklichen Menschenrechtsverbrechens in Gaza. 1,5 Millionen Menschen sind eingesperrt. Sie haben so gut wie keinen Zugang zur äußeren Welt - weder über das Meer, noch über den Luft- und Landweg. Eine ganze Bevölkerung wird brutal bestraft.

Nachdem die politischen Kandidaten der Hamas bei den PA-Parlamentswahlen 2006 die Mehrheit der Sitze errungen hatten, eskalierte Israel - mit Rückendeckung der USA - die krasse Misshandlung der Palästinenser in Gaza dramatisch. Sämtliche internationalen Beobachter hatten die Wahl einstimmig als fair und ehrlich eingestuft.

Israel und die USA weigerten sich, das Recht der Palästinenser anzuerkennen, eine Einheitsregierung aus Hamas und Fatah zu bilden. Nach internen Auseinandersetzungen kontrolliert mittlerweile die Hamas allein Gaza. 41 der 43 siegreichen Hamas-Kandidaten, die in der Westbank lebten, sitzen mittlerweile in israelischer Haft - sowie 10 weitere, die eine Position in der kurzlebigen Koalitionskabinett beansprucht hatten.

Unabhängig davon, welche Haltung man zu dem Parteienkampf zwischen Fatah und Hamas im besetzten Palästina einnimmt, wir dürfen nicht vergessen, dass Wirtschaftssanktionen und Restriktionen bei der Lieferung von Wasser, Nahrung, Elektrizität und Treibstoff eine extreme Härte für die unschuldigen Menschen in Gaza darstellen. Eine Million von ihnen sind Flüchtlinge.

Immer wieder schlagen israelische Bomben und Raketen auf dem abgekapselten Gebiet ein und fordern viele Opfer - unter Militanten wie unter unschuldigen Frauen und Kindern. Letzte Woche wurde eine Mutter mit ihren vier kleinen Kindern getötet - ein Vorfall, über den ausführlich berichtet wurde. Schon davor illustrierte ein Report der führenden israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem dieses Muster: zwischen dem 27. Februar und dem 3. März wurden 106 Palästinenser getötet. 54 dieser Toten waren Zivilisten, die nicht an den Kämpfen beteiligt waren, 25 waren unter 18 Jahre alt.

Auf meiner kürzlichen Reise durch den Nahen Osten versuchte ich mir ein besseres Bild über die Krise zu machen. Mein erster Besuch galt Sderot, einer Gemeinde von 20.000 Menschen in Südisrael, in die immer wieder primitive Raketen aus dem nahen Gaza einschlagen. Ich verurteilte diese Angriffe als abscheulich und als Akte des Terrors, denn die meisten der insgesamt 13 Opfer in den vergangenen 7 Jahren waren keine Kombatanten.

Danach traf ich mich mit Führern der Hamas - mit einer Delegation aus Gaza und mit Topoffiziellen in Damaskus/Syrien. Ich wiederholte ihnen gegenüber meine Verurteilung und drängte sie, einen einseitigen Waffenstillstand zu erklären oder mit Israel ein wechselseitiges Abkommen auszuhandeln, mit dem alle militärischen Aktionen in und um Gaza über eine längere Zeit beendet werden könnten.

Sie antworteten, eine solche Handlungsweise (der Hamas) sei in der Vergangenheit nicht auf Widerhall gestoßen. Sie erinnerten mich daran, dass die Hamas in der Vergangenheit auf einen Waffenstillstand in ganz Palästina bestanden hatte - Gaza und Westbank - aber Israel habe dies abgelehnt. Danach habe Hamas öffentlich den Vorschlag eines wechselseitigen Waffenstillstands nur begrenzt auf Gaza unterbreitet. Die Israelis hätten sich die Sache überlegt und abgelehnt. Auf beiden Seiten gibt es leidenschaftliche Argumente, wer die Schuld trage, dass im Heiligen Land so wenig Frieden herrscht. Israel besetzte und kolonialisierte die palästinensische Westbank. Das Gebiet der Westbank entspricht 28,5% der Größe der Nation Israel (wie von der internationalen Gemeinschaft anerkannt). Einige religiöse israelische Gruppen beanspruchen ein Recht auf das Land zu beiden Seiten des Jordan, wieder andere behaupten, die 205 (israelischen) Siedlungen, in denen 500.000 Menschen leben, seien notwendig für die “Sicherheit”.

Alle arabischen Nationen haben sich auf eine vollständige Anerkennung Israels geeinigt, sollte Israel die Schlüsselresolutionen der UNO erfüllen. Die Hamas ist bereit, jede verhandelte Friedensregelung zwischen der PA unter Präsident Mahmoud Abbas und dem israelischen Premierminister Ehud Olmert zu akzeptieren, vorausgesetzt das palästinensische Volk wird dieses Abkommen in einem Referendum anerkennen.

Das lässt auf Fortschritte hoffen. Bei der Friedenskonferenz von Annapolis/Maryland im November letzten Jahres kam es zu einer kurzen Fanfare und einigen positiven Statements. Doch der Prozess hat inzwischen wieder einen Rückschritt erlitten. 9.000 neue israelische Wohneinheiten in Palästina wurden angekündigt, die Zahl der Straßenblockaden in der Westbank hat zugenommen, und die Strangulierung Gazas wurde noch enger.

Es ist eine Sache, wenn Führer (anderer Länder) sich auf die USA verlassen, um die notwendigen Friedensverhandlungen zu führen. Aber die Welt darf nicht tatenlos zusehen, wie unschuldige Menschen grausam misshandelt werden. Es ist Zeit, dass starke Stimmen - in Europa, den USA, Israel und andernorts - sich erheben und die Menschenrechtstragödie, die sich im palästinensischen Volk ereignet, verurteilen.

Der amerikanische Ex-Präsident Jimmy Carter ist Gründer des Carter Center zur Förderung des Friedens, der Gesundheit und der Menschenrechte weltweit. Dieser Kommentar wurde von DAILY NEWS EGYPT (in Kollaboration mit Projekt Syndicate (www.project-syndicate.org) veröffentlicht.

Quelle: ZNet Deutschland   vom 09.05.2008. Orginalartikel: A Human Rights Crime in Gaza .
Übersetzt von: Andrea Noll.

Veröffentlicht am

10. Mai 2008

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