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Martin Luther King: Vor 40 Jahren ermordet, heute Vorbild für Gewaltfreiheit

Von Michael Schmid (Erstveröffentlichung in: Zivilcourage. Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK, Nr. 2 - Mai 2008)

 

Vor 40 Jahren, am 4. April 1968, ist Martin Luther King ermordet worden. Damit wurde jäh eine Ära beendet, die Mitte der 1950er Jahre im Süden der USA begonnen hatte. Damals wurde der schwarze Pfarrer zum Wortführer und Symbol einer Bürgerrechtsbewegung, die mit Mitteln des gewaltfreien Widerstands gegen die Rassentrennung kämpfte.

King hatte 1954 seine erste Pfarrstelle in Montgomery angetreten. Auch in der Hauptstadt Alabamas war damals Rassentrennung in öffentlichen Einrichtungen eine allseits akzeptierte Tatsache. Ob in Bussen, Schulen, Universitäten, Bibliotheken, Kinos, Restaurants, Bars, Museen - überall waren Weiße und Schwarze ganz legal voneinander getrennt.

Am 1. Dezember 1955 hatte sich Rosa Parks geweigert, ihren Sitzplatz im Bus für einen Weißen zu räumen. Sie wurde verhaftet und am 5. Dezember vor Gericht gestellt. Schwarze Bürgerinnen und Bürger der Stadt riefen zu einem Busboykott in Montgomery für diesen Tag auf.

Gleich zu Beginn wurde ein Bürgerausschuss zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Rassen ins Leben gerufen, der den jungen Martin Luther King zu seinem Vorsitzenden wählte. Von nun an gab er Ton und Tempo der Bewegung an. Dabei wurde er persönlich auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Denn innerhalb weniger Monate war er vom unbekannten Pfarrer zum anerkannten Führer der schwarzen Bürgerrechtsbewegung aufgestiegen, angefeindet, verleumdet, terrorisiert, mit Morddrohungen überzogen. Doch sein gewaltfreier Einsatz setzte die Rassisten ins Unrecht und gab schwarzen Menschen eine neue, bis dahin nicht gekannte Identität.

Bewähren musste sich auch seine gewaltfreie Methode, die er bei Gandhi studiert hatte und nun in der Praxis umsetzte und weiterentwickelte. Den Geist für sein gewaltfreies Handeln empfing der schwarze Pfarrer dabei aus dem Evangelium.

Der Boykott der Busse in Montgomery dauerte 381 lange Tage. Er wurde erst beendet, als das Oberste Bundesgericht die Rassentrennung in Bussen für verfassungswidrig erklärte.

Mit dem Busboykott in Montgomery war die Bürgerrechtsbewegung geboren. King und seine Mitstreiter gründeten die SCLC (Southern Christian Leadership Conference), der in dieser neuen Bewegung eine Führungsrolle zukam. Der erfolgreiche Busboykott löste eine Art Kettenreaktion ähnlicher Aktionen aus. Mit vielfältigen Mitteln des gewaltlosen Widerstands wurde landesweit auf das Unrecht der Rassentrennung aufmerksam gemacht - Märsche, Boykotts, Go-Ins.

Der "Marsch auf Washington" im Hochsommer des Jahres 1963 war ein Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung. Am 22. August 1963 haben rund 250.000 Menschen neun Stunden lang den verschiedenen Reden gelauscht. Und als Martin Luther King seine berühmt gewordene Rede "I have a dream" gehalten hatte, in welcher er seine Vision einer Gesellschaft ohne Rassenschranken ausbreitete, war die Begeisterung kaum mehr zu halten. Es war Entschlossenheit zu spüren und die Hoffnung, in einem Amerika mit einem Präsidenten John F. Kennedy etwas verändern zu können. 1964 wurde Martin Luther King als jüngster Friedensnobelpreisträger ausgezeichnet.

Scharfer Kritiker des Vietnamkriegs

Im März 1965 hatten die USA mit der Bombardierung Nordvietnams offen in den Vietnamkrieg interveniert. Am 8. März 1965 landeten die ersten regulären US-Kampftruppen im Land. Präsident Lyndon B. Johnson wollte unbedingt verhindern, dass "Vietnam den gleichen Weg nimmt wie China". Im Frühjahr 1966 hatten die US-Streitkräfte damit begonnen, mit einem Flächenbombardement systematisch die alte bäuerliche Dorfstruktur in Südvietnam zu zerstören. Es "regnete" Napalm vom Himmel, das hilflose Bauern umbrachte und ebenso Kinder und Jugendliche. Über 1,3 Millionen Menschen wurden getötet und unzählige verstümmelt.

Die Proteste gegen den Vietnamkrieg wurden nun immer heftiger. Auch Kings kritische Äußerungen zum Vietnamkrieg reichen bis in das Jahr 1965 zurück. Doch zunächst nahm er an öffentlichen Aktionen der amerikanischen Friedensbewegung nicht teil. Offensichtlich wollte er vermeiden, dass sich die Zahl der politischen Gegner der Bürgerrechtsbewegung vergrößerte. Freunde redeten ihm zu, Schwarze aus der Außenpolitik der USA heraus zu lassen. Doch der barbarische Krieg ließ King keine Ruhe mehr, so dass er im Frühjahr 1967 die Bürgerrechtsbewegung und die Friedensbewegung nicht mehr als zwei getrennte Anliegen ansehen wollte. Daraufhin nahmen die Spendeneingänge in die Kassen von Kings Organisation SCLC drastisch ab. In den Medien wurde ihm Vaterlandsverrat vorgeworfen. Viele alten Weggefährten verließen ihn, einer nach dem anderen, weiße Liberale, Kirchenleute, sogar Freunde aus den Reihen der "Christlichen Führungskonferenz". Doch King ging seinen Weg konsequent weiter. "Gewaltfreiheit zu lehren, wäre doch schizophren für mich, wenn ich gleichzeitig den Gewaltverbrechen zustimmen wollte, die Abertausende von Menschen, Erwachsene und Kinder, verstümmelt. Ich halte es noch immer mit dem Prinzip: Du sollst nicht töten."

Am 4. April 1967, also auf den Tag genau ein Jahr vor seiner Ermordung, hielt King vor einer dicht gedrängten Menge in der New Yorker Riverside Church eine erste öffentliche Rede gegen den Vietnamkrieg. In seinem glühenden Plädoyer gegen den Krieg sagte er unter anderem: "Es kann eine Zeit kommen, in der Schweigen Verrat bedeutet. Diese Zeit ist für uns mit der Vietnamfrage gekommen. Immer wieder werden wir mit der grausamen Ironie konfrontiert, Schwarze und Weiße beobachten zu müssen, wie sie gemeinsam töten und sterben für eine Nation, die es nicht fertig gebracht hat, sie in den gleichen Schulen nebeneinander sitzen zu lassen. Wir sehen, wie sie miteinander in brutaler Solidarität die Hütten eines armen Dorfes niederbrennen, aber es ist uns klar, dass sie niemals im gleichen Häuserblock in Detroit wohnen würden. Angesichts solch grausamer Ausnutzung der Armen konnte ich nicht schweigen … Und ich wusste, dass ich niemals wieder meine Stimme gegen Gewalttaten der Unterdrückten in den schwarzen Ghettos erheben könnte, bevor ich nicht eindeutig den größten Gewaltausüber in der heutigen Welt angeredet habe, und das ist meine eigene Regierung …"

Nachdem King seine taktisch bedingte Zurückhaltung abgelegt hatte, war er nun zum schärfsten Kritiker der Vietnampolitik seines Landes geworden. Gleichzeitig wurde er, der zu dieser Zeit längst eine moralische Autorität ersten Ranges in den USA war, zur zentralen Symbolfigur einer starken Koalition der anwachsenden Friedens- und der Bürgerrechtsbewegungen, die als Basis für eine "neue Politik" fungieren sollte.

King rief zur Kriegsdienstverweigerung und zum zivilen Ungehorsam gegen Bundesgesetze auf. Er thematisierte fortan ständig den Zusammenhang von Rassismus, Armut und Krieg. Seine Erfahrungen fasste er folgendermaßen zusammen: "Jahrelang war ich mit der Idee zugange, die bestehenden gesellschaftlichen Institutionen zu reformieren, ein bisschen Änderung hier, eine kleine Veränderung da. Jetzt sehe ich das radikal anders. Heute bin ich mir im Klaren, dass wir einen Umbau der gesamten Gesellschaft brauchen, eine Revolution unserer Zielvorstellungen."

In den Machtzentren Amerikas rief Kings Engagement große Sorgen hervor. Als er seine Antikriegskampagne startete, stellte er eine Bedrohung für die wirtschaftlichen Kräfte in Amerika dar. Die durch den Vietnamkrieg reichlich fließenden Gewinne drohten zu versiegen, sollte das amerikanische Volk ein Ende des Krieges verlangen und dieser beendet werden. King hatte nun also nicht nur die Feindseligkeiten der Rassisten auf sich gezogen. Sein unerschrockenes Engagement gegen den Vietnamkrieg machte den einst als "Apostel der Gewaltfreiheit" hofierten Friedensnobelpreisträger in seinen letzten Lebensjahren auch bei den politisch Mächtigen zur "unerwünschten Person". Als er dann noch Kampagnen gegen die Armut startete, war das Maß vieler Interessengruppen vollends überschritten.

Obwohl sich King über Washingtons Reaktion klar war, verstärkte er also seinen Widerstand gegen den Krieg. Und er fügte dem noch seine Pläne für massiven zivilen Ungehorsam im Rahmen der "Kampagne der Armen" hinzu. Seine Strategie war, im Frühjahr 1968 die Hauptstadt der Nation so lange stillzulegen, bis die Regierung einverstanden sein würde, die Armut in den USA abzuschaffen.

Am Abend des 4. April 1968 wurde Martin Luther King auf dem Balkon seines Zimmers im "Lorraine"-Motel in Memphis/Tennessee durch einen gezielten Kopfschuss ermordet. Um die Täterschaft ist seither ein Streit entbrannt. Ein Geschworenengericht stellte im Jahr 1999 fest, dass Martin Luther King einem Mordkomplott zum Opfer fiel, bei dem die amerikanische Regierung, das Militär, sowie FBI und CIA die Strippen zogen.

King heute?

Gibt es etwas, was Martin Luther King für uns heute 40 Jahre nach seiner Ermordung noch interessant machen könnte? Ja, indem wir King würdigen, ohne die große Herausforderung zu verharmlosen, die sein Leben darstellt.

Von King gäbe es angesichts von Gewalt in vielen zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Bereichen, mörderischer Kriege, drohender atomarer Massenvernichtung, weltweit bestehender und innergesellschaftlich wachsender Armut viel zu lernen.

Von fortwährender Dauer ist die Erkenntnis über den Zusammenhang von Zweck und Mittel, den King so beschrieb: "Wir werden niemals Frieden in der Welt haben, bevor die Menschen überall anerkennen, dass … man gute Zwecke nicht durch böse Mittel erreichen (kann), weil die Mittel den Samen und der Zweck den Baum darstellen." Frieden lässt sich nicht durch kriegerische Mittel erreichen.

Mit seiner Gewaltfreiheit ging es King darum, sich sehr aktiv gegen Unrecht zu wehren. Aber dieser Widerstand sollte ohne Gewalt sein. Deshalb wurden "mit aggressiver Gewaltfreiheit" (King) vielfältige Aktionen durchgeführt.

Es geht heute mindestens so sehr wie zu seiner Zeit um eine progressive Veränderung der wirtschaftlichen Machtstrukturen. "Wahres Mitgefühl bedeutet mehr, als einem Bettler eine Münze zuwerfen. Es bedeutet, jene Form, die Bettler erzeugt, muss umstrukturiert werden", sagte King. "Eine echte Revolution der Werte wird den schreienden Gegensatz von Armut und Reichtum sehr bald mit großer Unruhe betrachten. Sie wird nach Übersee blicken und mit gerechter Empörung darauf hinweisen, dass einzelne Kapitalisten des Westens riesige Geldbeträge in Asien, Afrika und Lateinamerika investieren, nur um zu verdienen und ohne Interesse an sozialen Fortschritten in jenen Ländern".

Von King lernen heißt, selber Verantwortung zu übernehmen. Würde er heute noch leben, würde er uns dazu drängen, aufzustehen und unsere Stimmen zu erheben, uns zu organisieren gegen Unrecht, Krieg und Armut. Wir können ihn zu einem ermutigenden Vorbild nehmen, wie sich durch schöpferische Unangepasstheit und Zivilcourage etwas verändern lässt in unserer heutigen Zeit. Selber aktiv zu sein ist sicherlich die beste Art, die Sache jenes Mannes weiterzuführen, der vor 40 Jahren ermordet wurde.

 

Michael Schmid, Mitglied der DFG-VK seit 1978, ist Initiator und Geschäftsführer des Vereins "Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V."

Veröffentlicht am

01. Mai 2008

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