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Obama nicht zu stoppen

von Barbara Ehrenreich, 16.02.2008 - Huffingtonpost.com / ZNet

Wann haben Sie angefangen, zu glauben, dass Obama nicht zu stoppen ist? Vielleicht, als ihre erwachsene, feministische Tochter untröstlich über dessen Niederlage in New Hampshire weinte? Oder nach seinem Triumph in Virginia - einem Staat, der noch heute zugemüllt ist mit Denkmälern und Erinnerungsstätten der Konföderierten? Bei mir fiel der Groschen am Supertuesday-Abend, als auf C-SPAN-Radio hintereinander zwei Republikaner aus Virginia anriefen und sagten, sie hätten für Ron Paul gestimmt, aber in den Präsidentschaftswahlen würden sie … für Obama stimmen.

Die vorherrschende Sicht auf den Verlauf des Wahlkampfes ist mysteriös und irrational. Obama sei “ein Rockstar” - mehr Schein als Sein. Es gäbe da eine gefährliche Tendenz - so Paul Krugman in der New York Times - zum “Personenkult”. Bestenfalls wird in Obama ein reaganesker Avatar gesehen, der erhebende Gefühle, wie Optimismus und Hoffnung, hervorruft. Hillary Clinton, die ihrem Abschied entgegengeht, bemüht sich um Ego und Superego, während es Obama, vermutlich, um Identität geht. Ebenso könnte Clinton vor einer Meute manischer Beatles-Fans Choräle anstimmen.

Ihre Höflinge ringen die Hände. Sollte sie sich vielleicht in eine Wirtschaftspopulistin verwandeln, wie das Paul Begala am Supertuesday-Abend dringlich vorgeschlagen hat? Das wäre eine Überdehnung - angesichts ihres technokratischen und elitären Ansatzes bei der Gesundheitsreform 1993 und ihres enttäuschenden Votums 2001 für ein Schuldengesetz, das von Kreditkartenunternehmen unterstützt wurde. Sie hat zahlreiche Fehler dieser Art begangen. Hinzu kommt, dass Obama ihr am Mittwoch mit einem sehr populistischen Wirtschaftsprogramm zuvorkam.

Sollte sich Clinton neu erfinden? Sollte sie ihre Starrheit abwerfen und zutiefst menschlich an das amerikanische Volk appellieren - mit der ein oder anderen Träne im Auge? Auch das dürfte ihr schwer fallen. Jemand sollte ihr sagen, dass es bessere Methoden gibt, überzeugend rüberzukommen, als mit ihrer erhobenen Stimme oder den sehr betonten Vokalen in “I KNOW” und “I BELIEVE”. Auch das gefrorene Lächeln muss weg, und das monoton-metronomische Nicken. Manchmal treibt sie es so weit, dass man sie für irgendwie autistisch halten könnte.

Ich glaube nicht, dass einige Korrekturen an der Kandidatin und ihrer Botschaft genügen werden. Das funktioniert nicht. Es gibt keine Obama-Manie, keine Massenhysterie, keine irgendwie geartete okkulte Kraft. Nehmen wir seine Forderung ernst. Sie lautet: “Wandel”. Das Versprechen eines “Wandels” treibt seine Anhänger an. “Wandel” - “change” - bedeutet “raus wollen”, egal, wo wir uns derzeit befinden. Manche wollen diesen Wandel so dringlich, dass sie sich um das exakte Wie keine großen Gedanken machen (wie die beiden oben zitierten Ron-Paul-Wähler). In Wirklichkeit ist es kein Geheimnis, in welche Richtung Obama uns führen will: Er hat eine atemberaubend ehrliche Autobiografie verfasst. Obama ist seit langem in der parlamentarischen Arbeit tätig, und gerade hat er ein herzhaftes Wirtschaftsprogramm vorgelegt. Keiner würde nach dem Wetter sehen, bevor er aus einem brennenden Haus springt, oder?

Sehen wir uns unsere Situation an. Dank Irak, Abu Ghraib, der “Überstellung” von Terrorverdächtigen und dank ‘Waterboarding’ sind wir auf dem moralischen Stand einer Parianation. Die Meeresspiegel steigen, der Dollar sinkt. Immer weniger Amerikaner haben Zugang zu einer Krankenversorgung. Jährlich sterben, laut Schätzungen, 18.000 Personen, weil sie nicht krankenversichert sind. Unsere Wirtschaft stolpert in die Rezession. Die einzige Frage, die sich Finanzanalysten noch stellen, ist, ob der Rest der Welt sich ausreichend von der US-Wirtschaft “abgekoppelt” hat, um den amerikanischen Niedergang zu überleben.

Clinton kann politisch vorschlagen, was sie will - und viele ihrer Vorschläge sind bewundernswert -, aber alle sehen, dass sie aus jener Generation - ja selbst aus jenen Sippschaften - stammt, die wesentlich dazu beigetragen haben, uns in die Klemme zu bringen. Einige Leute mögen Bill vermissen (wenngleich die Bill-Nostalgie durch seine Anti-Obama-Rhetorik in South Carolina sehr gelitten hat). Vielleicht vermissen sie auch nur das Internet-Geplapper, das er zufällig dominierte. Die Zahl der Amerikaner, die dynastische Präsidentschaftsnachfolger schrecklich finden, überwiegt - vor allem, wenn diese Dynasten so wenig zur konkreten Verbesserung unserer Lebenssituation beitragen. Was immer Hillary Clinton macht, die Rhetorik ihrer Kampagne lässt sich auf zwei Wörter reduzieren: “same old”.

Obama ist anders, tatsächlich anders. Schon das steht für “Wandel”. Obama hat einen kenianischen Vater und eine Mutter aus Kansas. Seine Wurzeln liegen in Indonesien und im multiethnischen Hawaii. Obama ist die perfekte Antwort auf den Stoßstangen-Sticker: ‘Ich liebe dich, Amerika - aber wird es nicht langsam Zeit, andere Menschen zu treffen?’ Der konservative Kommentator Andrew Sullivan schreibt, die Wahl Obamas verleihe Amerika ein neues Brandzeichen: ein schwarzer Präsident mit einem arabisch klingenden Namen, der gegen Krieg ist. Welt, betrachte uns, wir sind gar nicht so mies!

Stimmt, es gibt eine starke emotionale Komponente bei der Obama-Manie - nicht nur, weil Obama als Redner um vieles inspirierender ist als seine Konkurrentin. Vielleicht erhoffen wir uns von ihm auch Erlösung und Vergebung - vor allem wir Weißen. Aber egal, welcher Ethnie wir angehören, wir alle hoffen auf einen Neustart. Das ist die aktuelle Bedeutung von ‘Change’: ‘Holt uns hier raus!’

Quelle: ZNet Deutschland   vom 16.02.2008. Orginalartikel: Unstoppable Obama . Übersetzt von: Andrea Noll.

Veröffentlicht am

18. Februar 2008

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