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Götter und Götzen

Klimakonferenz: Bali - die historische Fußnote der Klimapolitik


Von Udo E. Simonis

Die Frage, warum Gesellschaften dumme Dinge tun, beantwortet Jared Diamond in seinem Buch Kollaps mit einer Stufentheorie: (1) Es kann sein, dass eine Gesellschaft ein Problem nicht voraussieht; (2) sie mag ein Problem nicht wahrnehmen, selbst wenn es bereits eingetreten ist; (3) sie mag ein Problem zwar erkennen, aber keine Anstrengungen unternehmen, es auch zu lösen; (4) die Eliten der Gesellschaft schotten sich von den Folgen ihrer eigenen Handlungen ab, was den Kollaps beschleunigt.

Es mag gewagt erscheinen, diese Erkenntnis auf den jüngsten Klima-Gipfel zu übertragen - doch sie liegt verdammt nahe. Mehrere, wenn nicht alle von Diamonds Bedingungen lassen sich auf den “Aktionsplan von Bali” beziehen. Die Weltgesellschaft hat mit dem Klimawandel ein gravierendes Problem, dessen Ursachen sie nicht wahrhaben will und dessen Folgen sie nicht voraussieht; sie unternimmt keine hinreichenden Anstrengungen, das Problem zu lösen und Teile der politischen Eliten schotten sich vom eindeutigen Urteil der Wissenschaft ab.

Bali wurde seiner wichtigsten Aufgabe nicht gerecht - ein klar bestimmtes Ziel für den Klimaschutz wurde in eine Fußnote verbannt: Mit dem Hinweis auf den Report des UN-Klimarates, AG III, S. 39, 90 und 776 - die historische Fußnote der Klimapolitik! Da klingt alles diplomatische Beiwerk verdächtig, wenn es heißt, ein umfassender Prozess solle gestartet werden, um die nachhaltige Umsetzung der Klimarahmenkonvention bis 2012 und danach auf den Weg zu bringen.

In fast allen Kommentaren war zu lesen, mehr sei eben nicht drin gewesen. Natürlich war mehr drin. Schon im Begrifflichen fangen die Ungereimtheiten an: Wer von Roadmap redet, aber das Ziel nicht kennt, verfährt sich. Wer von den großen Entwicklungsländern Entgegenkommen fordert, aber nicht vermitteln kann, dass sie schon jetzt vom Kyoto-Prozess profitieren, hat die diplomatischen Karten nicht ausgereizt. Und was nützt es, wenn die EU-Gesandten sich über die Bremser in den USA beklagen, denen aber nicht mit einer Klage gegen ihr massiv klimaschädigendes Verhalten drohen?

Das Wichtigste ist, es soll einen Folgevertrag geben. Mit einer multilateralen Klimapolitik wäre es definitiv vorbei gewesen, hätten die USA da nicht eingelenkt. Das Zweitwichtigste ist, dass für diesen Vertrag ein doppelter Ansatz gilt - man will Kyoto sowohl verbessern als auch ergänzen. Verbessern, indem es in den Industriestaaten zu nachweisbar weniger Emissionen kommen muss, aber auch die Entwicklungsländer ihren messbaren Beitrag leisten. Dies freilich nicht ohne technische und operative Hilfen. Verbesserung auch, indem die Waldoption im Klimaschutz geltend gemacht wird. Auf Rodungen und ein kurzsichtiges Forstmanagement geht fast ein Fünftel der globalen CO2-Emissionen zurück. Man wusste das zwar schon früher, erklärt es jetzt aber erstmals zur Priorität - freilich ohne Verweis darauf, dass wir letztlich ein globales Waldprotokoll brauchen.

Während das Kyoto-Protokoll von 1997 noch davon ausging, der Klimawandel könne vermieden werden, wird der Folgevertrag von 2009 zum Ausdruck bringen - er kann nicht mehr verhindert werden. Anpassung ist das Gebot der Stunde, wozu der Bali-Aktionsplan auf viele Optionen verweist, als sei der Vertrag schon formuliert. Dann aber kommt die Arroganz der Mächtigen zum Vorschein: Sie wollen die Technologien entwickeln, und die Entwicklungsländer haben als designierte Anwender dankbar zu sein.

So geraten nach wie vor elementare Interessengegensätze beim Klimaschutz aus dem Blick, wenn man vergisst, dass die USA wie keine andere Nation am Öltropf hängen, dass Russland und Saudi-Arabien Gas und Öl verkaufen wollen - so lange es geht. Technologieentwicklung hätte also mit Erneuerbare Energien buchstabiert werden müssen - doch der Begriff taucht im ganzen Dokument nicht auf. Wo waren Sie da, Herr Minister Gabriel?

Zu einem weiteren Element des Aktionsplans, dem Finanzmechanismus, gibt es schöne Worte, aber keine Festlegung - weder auf eine globale CO2-Steuer, noch auf Sonderabgaben beim Luft- und Seeverkehr oder auf Erträge aus dem Handel mit Emissionszertifikaten. Und dann die letzte Frage einer jeden Politik: Wer soll es wuppen? Der UN-Generalsekretär sagte am vorletzten Tag der Konferenz, er sei enttäuscht. Warum hat er da nicht einen Joker ausgespielt und angekündigt, das UN-Umweltprogramm aufzuwerten. Stattdessen wurde eine Ad hoc-Gruppe eingerichtet, die 2008 viermal tagen wird und 2009 ihr Ergebnis vorlegen soll - das “Kopenhagen-Protokoll”. Zumindest kein schlechter Name, bedenkt man, wie ungenügend die Japaner Kyoto verteidigt haben.

Quelle: Freitag   - Die Ost-West-Wochenzeitung 51/52 vom 21.12.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

21. Dezember 2007

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