Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Kommandant Strahlende Sonne

Birma/Myanmar: Seit 1962 gilt Militärmacht als Staatstugend


Von Rainer Werning

Ungewohnte Bilder aus dem ansonsten eher introvertierten Birma - Tausende buddhistischer Mönche zogen während der vergangenen Woche protestierend durch Rangun und das geistliche Zentrum Mandalay. Als sich ihnen die Bevölkerung anzuschließen begann, ließ die regierende Junta keinen Zweifel, dass sie auch künftig das Land in Schach halten will.

“Seid freundlich zu Tieren, indem ihr sie nicht esst” - zierte als Inschrift jahrelang ein nach jedem Monsun bleicher werdendes Schild am Bahnhofsgebäude von Mandalay, der zweitgrößten Stadt Birmas und prunkvollen Residenz der Könige des Landes. Dass der Buddhismus das Töten von Kreaturen aus dem Tierreich untersagt, ist den Birmanen, die mehrheitlich buddhistisch sind, seit jeher bekannt. Nun müssen die über 50 Millionen Einwohner des Landes erneut feststellen, dass die seit 45 Jahren herrschenden Militärs nicht im Geringsten geneigt sind, es auch mit dem Schutz des Menschen ernstzunehmen.

Knapp 20 Jahre nach der ersten machtvollen Bewegung für Freiheit und Demokratie in dem einst wirtschaftlich florierenden Land deutet vieles darauf hin, dass die Junta unter General Than Shwe (74) wiederum unerbittlich niederhält, was ihre Despotie in Frage stellt. Sie kann sich das leisten, ist sie doch international vorzüglich vernetzt und regiert ein geostrategisch viel zu wichtiges Land, als dass ihr missliebige Widersacher ernsthaft Paroli bieten könnten.

Putsch der 30 Kameraden

Eine erstarkende Kommunistische Partei (CPB) und Aufstände ethnischer Minoritäten wie der Shan, Kachin, Mon und Karen hatten im März 1962 zum “Putsch der 30 Kameraden” geführt. Generalleutnant Shu Maung - er nannte sich nach seinem nom de guerre Bo Ne Win (Kommandant Strahlende Sonne) - etablierte ein eisern herrschendes Regime, dem er bis zum Sommer 1988 als Vorsitzender des Revolutionsrates, Premierminister und später als Präsident der Sozialistischen Republik der Union von Burma vorstand. Gleichzeitig gründete er die Sozialistische Programmpartei (BSPP), die er ebenfalls 26 Jahre lang führte.

Unmittelbar nach dem Putsch von 1962 hatte Ne Win mit der Streitschrift The Burmese Way to Socialism - einem Konglomerat aus Buddhismus, Marxismus, Xenophobie und Autarkielust - dem Land einen Weg in eine absonderliche Selbstisolation gewiesen. Als Axiom galt dabei, nur was unmittelbar Militär und Staatserhalt dient, ist akzeptiert.

Erste Opfer dieses drakonischen Gebots waren Studenten. In Rangun ließen Gefolgsleute des neuen Machthabers im Sommer 1962 sogar das Gebäude der historischen Rangoon University Student Union (RUSU) sprengen. Landesweit blieben Hochschulen geschlossen, so dass sich Tausende im Hinterland Guerillaeinheiten anschlossen oder im Ausland, vorzugsweise in Thailand, Asyl suchten. Gegen den Widerstand aus dem Dschungel ging das Militär mit äußerster Brutalität vor - ganze Dörfer wurden zwangsweise in die Kriegführung eingebunden. Es entstand ein allgegenwärtiges, höchst effizientes Blockwartsystem, in das selbst buddhistische Bonzen eingemeindet waren. Seine Informanten hätschelte das System ebenso wie bereitwillige Investoren, wenn diese sich nur verpflichteten, Mitglieder der Junta ausreichend zu schmieren. Während diese ihr savoir vivre pflegten, sich in Singapur medizinischen Checks unterzogen und ihrer Klientel lukrative Geschäfte zuschanzten, lebte das Gros der Birmanen zusehends am Rande des Existenzminimums.

1988 schien sich das Blatt zu wenden, als schon einmal Proteste gegen das Regime die Metropole Rangun erschütterten. Zwar waren daraufhin die Tage Ne Wins gezählt, nicht aber die seiner Paladine. “Um die Auflösung der Union zu verhindern”, so der neue starke Mann, General Saw Maung, werde ein Staatsrat zur Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung (SLORC) die Geschicke des Landes lenken, das seit 1989 Myanmar heißt. Aus kosmetischen Gründen wurde der SLORC Ende 1997 in Staatsrat für Frieden und Entwicklung (SPDC) umbenannt und vom ehemaligen Postbediensteten Than Shwe als Regierungschef übernommen.

Heimstatt der Könige

Dieser Than Shwe geriet nachweislich als Experte für psychologische Kriegführung und Aufstandsbekämpfung an die Spitze der Militärhierarchie. Auf ihn ging später die Anregung zurück, die Hauptstadt von Rangun (heute Yangon) am 26. März 2006 (dem Tag der Streitkräfte) offiziell in das 400 Kilometer weiter nördlich gelegene Naypyidaw zu verlegen. Naypyidaw heißt “Heimstatt der Könige” und symbolisiert die Tradition birmanischer Herrscher, ihre Residenzen bisweilen zu wechseln. Der Grund für die hastig vollzogene Übersiedlung der Obristen in die mit Golfplätzen gut ausgestattete Retortenstadt war freilich weniger der Überlieferung geschuldet als vielmehr Misstrauen gegenüber dem Moloch Rangun mit seinen überbordenden sozialen Konflikten. Auch sprach die territoriale Nähe zum politischen Verbündeten und potenten Wirtschaftspartner China (Großabnehmer von Gas und Öl aus Birma) für Naypyidaw.

Ohnehin steht längst außer Frage, dass sich Birmas Norden als ökonomische Sonderzone für chinesisches Kapital empfiehlt, das mit diesem Standort und der Hafenstadt Rangun als Zugabe eine Drehscheibe für den Handel mit Südasien wie den Mittleren Osten akquirieren könnte. Von daher, aber auch aus anderen Gründen ist jede Erwartung, die Dominanz des Militärs in Birma ließe sich kurzfristig eindämmen, vollkommen illusorisch.

Birma rangiert heute - mit 490.000 Mann unter Waffen - im globalen Ranking nationaler Militärpotenziale auf Platz zehn, ist seit zehn Jahren in der Vereinigung Südostasiatischer Nationen (ASEAN) wenn nicht übermäßig geschätzt, so doch verankert und gilt als verlässlichster antiamerikanischer Alliierter Chinas. Die Junta kann und wird auch weiter alles unternehmen, um das Land dem Big Business zu öffnen und sich damit eine Überlebensgarantie zu verschaffen. Während der Unruhen in Rangun und Mandalay hat sie schließlich alles getan, um den reibungslosen Transfer von Öl und Gas in Chinas Südprovinz Yunnan zu garantieren. Es ist ihr ohne Abstriche gelungen.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   40 vom 05.10.2007. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

05. Oktober 2007

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von