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So mächtig wie der König von England

Von Amira Hass, Haaretz, 18.07.2007

Ende der Woche werden 256 Familien die Entlassung ihrer Lieben aus dem Gefängnis feiern und die Mütter sind schon erleichtert, dass die Menschenjagd auf ihre “gesuchten” Söhne nun ein Ende hat. In den Städten, in denen die gesuchten Männer leben, gibt es auch ein Gefühl der Erleichterung: die bewaffneten Männer - besonders jene von Fatah - waren im Kontext der internen Machtkämpfe stolz auf ihre Waffen. Sie brachten eher ihre eigene Umgebung in Gefahr als die israelische Besatzung. Wir können das Ausmaß abschätzen, in wie weit die “wohlwollenden Gesten” den palästinensischen Behördenchef Mahmoud Abbas stärken werden - nicht so sehr am Lob, das Ministerpräsident Olmert von Seiten des US-Präsident Bush erhalten wird, sondern wie diese Gesten von der palästinensischen Gesellschaft aufgenommen werden.

Die intensive PR-Kampagne hinsichtlich der “Gesten” verstärkt das palästinensische Verständnis, dass Israel seine Fähigkeit, mit der Besatzungspolitik fortzufahren zu einem Sonderpreis verkauft. Es ist nicht geplant, das von jedem Palästinenser geraubte Land zurück zu geben. Das Netzwerk von Straßensperren und Apartheidstraßen, die das Gefüge der palästinensischen Gesellschaft zerstört, wird nicht abgebaut und der verärgerte Soldat an der Straßensperre wird nicht aufhören, jede einfache Fahrt zur Tortur werden zu lassen.

Die Palästinenser haben genügend Erfahrung darin, zu wissen, dass alles freundlich ausgetauschte Lächeln zwischen Abbas und Olmert die Bulldozer nicht stoppen wird, die sie weiter in Enklaven zwischen den wachsenden Siedlungsblöcken einsperren werden. Die von Saeb geäußerten Erklärungen über das Festhalten an “einem Staat innerhalb der 1967-Grenzen” überzeugt die Öffentlichkeit nicht. Eine von der PLO und Fatah geführten Regierung soll das fertig bringen, was ihr seit 1994 nicht gelungen ist: gegen das israelische Projekt der Besatzung und Kolonisierung zu kämpfen.

Das Konzept der “Amnestie”, das verwendet wird, um das Abkommen zu beschreiben - mit der Jagd auf gesuchte Männer aufzuhören - demonstriert in welchem Ausmaß Israel in seiner Position der Vorherrschaft etabliert ist. Nach dem Gesetz ist es dem Präsident erlaubt, “Kriminelle” zu begnadigen. Nach dem Gesetz ist ein “Krimineller” jemand, der vor Gericht stand und verurteilt wurde. Der frühere Präsident Chaim Herzog begnadigte führende Mitglieder des Shin Beth-Sicherheitsdienstes, bevor sie wegen Mord an den Entführern des Bus Nr.300 verurteilt wurden, nachdem die Mehrheitsmeinung des Obersten Gerichtshofes entschied, dass der Präsident von Israel dieselbe Macht habe wie er König von England und der Präsident der USA.

Aber hier ist es eine Begnadigung des Shin Beth und der Armee vor Ort. Die Unbefangenheit, mit der das Konzept “Begnadigung” in den Medien angenommen wurde, ist ein zusätzlicher Beweis für den überragenden Beifall, den Israelis den IDF und ihren Soldaten gewähren, wenn sie als Ankläger, Richter und Vollstrecker agieren. Ist es dann ein Wunder, wenn man ihnen die Macht eines Königs von England gibt, dass sie noch vor einer Gerichtsverhandlung begnadigen?

Selbst das Schicksal der Gefangenen, die auf Grund der Gesten entlassen werden sollen, ist noch bevor sie vor der großen Show des “Israelischen Militärgerichtshofes” standen, besiegelt worden. Es ist eine Show, weil dasselbe militärische Establishment, das besetzt, zerstört und die zivile Bevölkerung unterdrückt, die Körperschaft ist, die entscheidet, dass Widerstand gegen die Besatzung - selbst durch populäre Demonstrationen mit Steine werfen - ein Verbrechen ist. Seine Richter vertreten das Interesse der Besatzer und der Siedler. Die Geste der Gefangenenentlassung ist deshalb eine sehr kleine Reparatur eines substantiellen Rechtsfehlers.

Die Palästinenser können nicht vergessen, dass tausende israelischer Befehlshaber und Soldaten, die Frauen und Kinder töteten, Hände und Füße brachen und den Landraub mit ihren Waffen verteidigen, frei herum laufen. Hat Olmert ernsthaft gewünscht Abbas zu stärken, dann hätte er zum Mindesten der Forderung zugestimmt, die Fatahvertreter seit Jahren machen: Zeigt einen gewissen Grad an Gleichheit: entlasst all jene, die wegen Aktivitäten gegen die Besatzung auf Lebenszeit schon vor dem Oslo-Abkommen im Gefängnis sitzen. Entlasst jene, die seit 20 oder 30 Jahren im Gefängnis sitzen und jene die sie damals beauftragt haben, sind heute unter den ranghohen Unterhändlern. Das Versäumnis, sie nach 1994 nicht zu entlassen, war einer der wichtigsten Faktoren, die den Status der PA und der Fatah schwächten.

Doch die “Gesten” werden mit der Vorstellung israelischer Vormachtstellung gemacht: man wirft Abbas ein par Brosamen zu als Gegenleistung für seinen Gehorsam und für “gutes Benehmen”, wie es sich für einen loyalen Untertan gebührt. Wenn dies der Plan ist, dann ist es auch ein bombensicheres Rezept, um Abbas zu schwächen.

Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs

Veröffentlicht am

24. Juli 2007

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