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Palästina: Blut liegt in der Luft

Von Ran HaCohen, Antiwar, 26.06.2007

Fünf Jahre nachdem seine Hohheit G.W. Bush - Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Zar von Afghanistan, Kaiser vom Irak, Demokratieverbreiter des Nahen Ostens, etc. etc. - seine “Road Map für den Nahen Osten” herausgebracht und für 2005 einen palästinensischen Staat angekündigt hat, hat die israelische Öffentlichkeit einen neuen Zeitvertreib. Die öffentliche Diskussion in Israel dreht sich jetzt um “Drei Staaten für zwei Völker?”, d.h. sollte der jüdische Staat den Coup der Hamas in Gaza dazu nutzen, um den Gazastreifen von der Westbank zu trennen und sich mit zwei palästinensischen Staaten beschäftigen oder sollte Israel versuchen, die beiden Distrikte zusammen zu halten. Allgemein gesagt, der rechte Flügel unterstützt die erstere Form, die sich auf die Argumente wie “Teile und herrsche!” gründet, “Zwei Staaten sind leichter zu manipulieren als einer”, etc. - die Linke dagegen tendiert zur letzteren Option. Sie erinnert sich an die Verpflichtungen Israels in den Oslo-Abkommen, die die beiden Distrikte als eine politische Einheit betrachten und Argumente verbreiten, dass “ein Feind besser sei als zwei”, “Zwei Staaten würden mit einander in Wettstreit treten, wer mehr hasst”, etc.

Eine erstaunliche Diskussion, in der Tat. Man denkt dabei nicht daran, dass der Streifen und die Westbank tatsächlich schon seit Jahren durch Israel getrennt worden waren, und dass sogar das palästinensische Parlament als einzige Möglichkeit “zusammenzukommen”, zu Videokonferenzen gezwungen war. Was an dieser Diskussion so erschreckend ist: während die Palästinenser so weit weg von einem unabhängigen Staat sind wie eh und je, geben sich die Israelis ihrer Phantasie hin, als würde dieser Staat schon existieren, vielleicht sogar schon zwei. Wenn die Götter ein Volk zerstören wollen, dann machen sie es zunächst blind.

Zurück zur Wirklichkeit

Offensichtlich gibt es keinen palästinensischen Staat und es mag niemals einen (oder gar zwei) geben. Der Gazastreifen ist ein “unabhängiger Staat” genau wie irgendeine Gefängniszelle: ein hermetisch abgeriegelter Käfig, übervölkert mit 1,3 Millionen Menschen; kein Seehafen, kein Flughafen, keine Kontrolle über seine eigenen Grenzen, über die Küste, oder den Luftraum; auch nicht über das Einwohnermeldeamt, geschweige denn über Wasser, Lebensmittel, Strom, Benzin und die medizinische Versorgung - alles wird streng von Israel kontrolliert.

Und was die Westbank betrifft so genügt es, auf die letzte von der UN bearbeiteten Karte zu schauen, um zu verstehen, warum da kein palästinensischer Staat entstehen kann: man sehe sich das kleine Gebiet an, wie es in viele winzige Käfige für Menschen zerkleinert wurde, durch jüdische Siedlungen, Zäune, Straßensperren und Kontrollpunkte getrennt. Käfige nur für nicht-jüdische Menschen, wohlgemerkt! Juden bewegen sich frei in ihrem (in wessen?) Land.

Wie sich die Dinge ändern

Was führt Israel - immer von den USA unterstützt - im Schilde? Die Medien feiern schon wieder Frieden. Olmert ist äußerst ernst, sagen israelische Analysten. Einige nehmen an, dass er jetzt stark genug sei, um Frieden zu machen, andere behaupten, er sei jetzt so schwach, dass Frieden jetzt seine einzige Überlebensstrategie sei. Na und? So lange er als Mann des Friedens dargestellt wird.

Innerhalb weniger Tage wurde aus dem palästinensischen Mahmoud Abbas, einem unzuverlässigen Feind, ein wertvoller Freund. Plötzlich wird der Boykott gegen die Palästinenser aufgehoben, Israel gibt die Steuergelder frei und Abu Mazen wurde ein großzügiges Paket israelischer guter Gesten versprochen, und er wurde zu einem Gipfeltreffen eingeladen.

Warum hat Abbas das plötzlich alles verdient? Als Belohnung für seinen eindruckvollsten Erfolg: nämlich den Verlust Gazas an die Hamas. Fatahs Niederlage in Gaza war angeblich völlig unerwartet; Israel und die USA wollten Abu Mazen helfen, aber ihre Hilfe war zu klein oder kam etwas zu spät, und Israel wurde schließlich klar, dass es an der Zeit war, die palästinensische nicht islamistische Nationalbewegung zu retten, indem man mit ihrem moderaten Führer Frieden macht. Und von uns erwartet man, all dies zu glauben.

Beute riechen

Ich möchte eine andere Option vorschlagen. Fatahs Niederlage im Gazastreifen war voraussehbar; man frage nur irgendeinen Analytiker oder man schaue sich die Resultate der Wahl des letzten Jahres an. Israel/USA taten nichts, um Abbas beim Überleben zu helfen - weil es ihnen einfach völlig gleichgültig war. Ein von der Hamas kontrollierter Gazastreifen ist viel leichter als Terrornest darzustellen und befreit Israel von jeder Verpflichtung gegenüber seiner Kolonie. Man kann es verderben lassen, wie der israelische faschistische Minister Avigdor Lieberman und einige amerikanischen Stimmen jetzt offen vorschlagen.

Anscheinend ist allein die Fatah selbst von Fatahs Niederlage geschockt. Nachdem sie zunächst die letzten Wahlen verloren hat und nun mit Gewalt von der Hamas aus dem Gazastreifen vertrieben wurde, ist die kleine Fatahelite mit dem Hass konfrontiert, den sie in anderthalb Jahrzehnten durch ihre korrupte Herrschaft verdient hat. Vierzehn Jahre, in denen die Palästinenser immer mehr eingesperrt und durch Mauern und Kontrollpunkte, Arbeitslosigkeit und Armut stranguliert wurden, während eine kleine Gruppe PLO-Beamter sich frei in luxuriösen Wagen und ihren von Israel ausgegebenen VIP-Karten bewegen konnten.

Mit dieser allgemeinen Verbitterung konfrontiert ist Abu Mazen und seine Elite nun zu Tode verwundet. Sie ahmten die Brutalitäten der Hamas in Gaza nach, falls sie nicht selbst schon Erfahrungen mit so etwas hatten. Sie wissen, dass ihre Popularität in der Westbank nicht viel höher ist. Die Fatah kämpft buchstäblich um ihr Leben.

Es ist Zeit, Freunde zu machen

Wir haben diese Situation schon einmal gehabt, in den frühen 90ern. Der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin schüttelte Yassir Arafat die Hände - genau in dem Augenblick, als dieser dabei war, seine Karriere als irrelevanter alter Führer zu beenden und er ein angenehmes Leben im tunesischen Exil hätte führen können. Arafat kämpfte für sein Überleben und Israel wusste dies sehr wohl. Führer, die fast vergessen sind oder - wie in Abbas Fall - im Begriff sind, aus dem Fenster der 15. Etage hinaus geworfen zu werden, sind ausgezeichnete Partner für koloniale Regime. Man höre aufmerksam zu, was Zakaria Zbeidi, der Fatah-Militärchef in Jenin Zwi Yehezkeli auf Israels TV-Kanal 10. Juni 24 sagte: “Wir werden jetzt eure Südlibanesische Armee sein, helft uns!” Die SLA war eine libanesische Miliz, die von Israel finanziert, ausgerüstet und trainiert worden war und die der israelischen Besatzung half, bis sich Israel im Jahr 2000 aus dem Libanon zurück gezogen hatte und ihre Offiziere Zuflucht in Israel gesucht hatten, weil sie sonst wegen Hochverrates vor Gericht gestellt worden wären oder Schlimmeres geschehen wäre. Genau nach so etwas sucht Israel jetzt in der Westbank. Einen skrupellosen, schwachen und gehassten Partner, der gegen sein eigenes Volk kämpft, um selbst zu überleben und sich auf Israel zu stützen, statt ihm zu trotzen.

Was bietet Israel an?

Schauen wir uns die Liste seiner “wohlgemeinten Gesten” an, die Abu Mazen angeboten wurden: zunächst das Entfernen von Straßensperren. Dies ist dafür gedacht, um Abu Mazen zu stützen, indem man dem verzweifelten palästinensischen Volk etwas Erleichterung und Hoffnung gibt und ihm etwas von Israels friedevollen Absichten zeigt. Nur wenige Tage danach änderte Israel seine Einstellung: keine Entfernung von Straßensperren (“Die Armee ist dagegen”, natürlich! Haaretz, 25. Juni). Was bietet Israel an? Hier ist die Liste:

  • “Herausgabe der PA-Gelder, die Israel eingesammelt hat”, damit Fatah Waffen kaufen und seine Unterstützer bezahlen kann.
  • “Fortsetzung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen”, bezahlt von der internationalen Gemeinschaft, natürlich nicht vom Besatzer, um verwirrende Bilder von Hungernden zu verhindern.
  • Wiederausgabe von VIP-Karten an Palästinenser und Verlängerung der Passierscheine für palästinensische Geschäftsleute, die nach Israel wollen”, - d.h. mehr Bonusse für die Elite.
  • Die Erlaubnis des Transfers für gepanzerte Fahrzeuge für die Fatahkräfte in der Westbank - Erklärung erübrigt sich.
  • “Erneuerte Sicherheitszusammenarbeit in der Westbank” zwischen Israel und der palästinensischen Miliz, die ihm gegenüber loyal ist.
  • Wiederaufnahme der Arbeit des kombinierten Sicherheitskomitees - Israel, Ägypten, PA, USA - besonders bei den Bemühungen, den Waffenschmuggel in den Gazastreifen vom Sinai aus zu verhindern, um sicher zu gehen, dass nur die richtigen palästinensischen Milizen Waffen erhalten.

Keine einzige Maßnahme, um das alltägliche Leben von Millionen verarmter Palästinenser zu verbessern, die von Mauern, Straßensperren abgewürgt werden, dem Terror der israelischen Armee und der Siedler ausgesetzt sind. All diese Maßnahmen haben nur ein Ziel: die Fatah-Miliz zu stärken und jede Opposition zu vernichten. Fatahs Hysterie sollte sie in einen israelischen Vertreter machen, abhängig von Israel, um zu überleben, Israels Interessen dienend und noch mehr Gewalt gegen die palästinensische Opposition gebrauchen, die zufällig die demokratischen Wahlen gewonnen haben. Vergessen wir den Abbau von Straßensperren, geschweige denn den von Außenposten und Siedlungen; vergessen wir Arbeitserlaubnisse in Israel; vergessen wir Freiheit der Bewegung und andere; vergessen wir einen palästinensischen Staat. Die Besatzung ist hier, um zu bleiben.

Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs. Originalartikel: Palestine: Blood Is in the Air .

Veröffentlicht am

04. Juli 2007

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