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Interview zum iranischen Atomprogramm

Mit Otfried Nassauer

Iranischer Rundfunk: Herr Nassauer, die fünf Veto-Mächte und Deutschland haben kurz vor Weihnachten Sanktionen gegen Iran beschlossen, um Teheran wie es heißt zur Aufgabe seiner Atomaktivitäten zu bewegen. Meine zweiteilige Frage: Wird die Sechser-Gruppe dadurch ihr Ziel erreichen? Und zweitens lässt sich diese Entscheidung rechtlich auch begründen?

Nassauer: Ich beginne mit der Antwort auf die zweite Frage. Die rechtliche Basis ist mittlerweile aus Sicht der sechs Nationen stärker, als sie es bei der ersten Resolution war. Weil die erste Resolution ja eine Suspendierung der iranischen Nuklearforschungs- und -entwicklungsarbeiten forderte, diese Suspendierung nicht erfolgt ist und nunmehr gesagt wird: “Weil sie nicht erfolgt ist, werden Sanktionen verhängt.” Damit hat man sich eine eigenständige rechtliche Basis für das Vorgehen gegen den Iran erarbeitet, die unabhängig ist von den rechtlichen Grundlagen, die dieses Vorgehen vorher hatte, als man sich lediglich auf den Nichtverbreiterungsvertrag und auf die Safeguards-Abkommen des Irans mit der IAEO berufen konnte. Mittlerweile gibt es so zu sagen eine eigenständige Rechtsgeschichte des Vorgehens gegen den Iran innerhalb des Sicherheitsrates und auf die werden die sechs Nationen in Zukunft auch weiter aufbauen. Ob damit, und jetzt komme ich zu Ihrer ersten Frage, diese sechs Nationen ihr Ziel gegenüber dem Iran erreichen werden, das ist eine ganz große Frage. Weil: Die hängt natürlich im Wesentlichen davon ab, ob der Iran nun bereit ist, seine Tätigkeiten einzustellen, die er in diesem Bereich praktiziert. Und wie Sie besser als ich wissen, gibt es im Moment keine Anzeichen dafür, dass der Iran an dieser Stelle bereit wäre, seine Forschungsarbeiten, die er ja als rein zivil betrachtet, auch wirklich einzustellen.

Iranischer Rundfunk: Herr Nassauer, der nächste Schritt wäre es, Sanktionen, Wirtschaftssanktionen gegen Iran zu verhängen. Bringt das dem Westen etwas?

Nassauer: Wir wissen nicht wie der nächste Schritt aussehen würde. Ich glaube, der hängt auch ein Stückchen von der iranischen Reaktion ab. Wenn der Iran seine Zusammenarbeit mit der IAEO weiter einschränkt, wird die Reaktion schärfer ausfallen, als wenn er seine Zusammenarbeit mit der IAEO weiterführt. Das ist ja noch eine Sache, die der Iran intern zu entscheiden hat. Danach ist dann die Frage: Was ist der nächste Schritt? Sind es Wirtschaftssanktionen? Sind es Technologieimportsanktionen etc.? Auch da wird sich dann zeigen, ob die Sechser-Gruppe in der gleichen Weise einheitlich agiert, wie sie es jetzt getan hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie es tun wird, wächst.

Iranischer Rundfunk: Herr Nassauer, ob die rechtliche Grundlage, die immerhin der NPT- Vertrag ist, hat Iran gegen diesen Vertrag verstoßen?

Nassauer: Der Iran hat in der Vergangenheit gegen den Nichtverbreitungsvertrag und seine Berichterstattungspflichten in Einzelfällen im Kontext des NPT und der IAEO-Safeguards verstoßen. Das hat auch die iranische Seite zugegeben und hat gesagt, das ist aus Unwissenheit erfolgt. Allerdings muss man sich fragen, ob diese Verstöße gegen diese beiden Verträge eine so scharfe Reaktion des Westens rechtfertigen. Und ich glaube, so argumentiert der Westen ja inzwischen auch gar nicht mehr und auch die Sechser-Gruppe nicht. Die argumentieren ja inzwischen entlang einer ganz anderen Linie. Sie sagen: Da, wo der Iran nicht mit der internationalen Gemeinschaft zusammengearbeitet hat, ist bei dem Versuch, das Vertrauen in den Iran wieder herzustellen, dass er sich vollständig und auch in Zukunft voll umfassend an die Vereinbarungen innerhalb der IAEO hält. Und diese zweite Linie der Argumentation, das sagte ich schon auch in meiner Antwort auf die erste Frage, ist inzwischen zu der gewichtigeren geworden.

Iranischer Rundfunk: Herr Nassauer, es gibt wie Iran auch immer wieder betont, keine Beschränkung für Inspektionen an den iranischen Atomanlagen, insofern besteht aus iranischer Sicht gar kein Anlass, Maßnahmen gegen Iran zu ergreifen.

Nassauer: Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage, und zwar weil die Frage ja die ist, wie sieht es der Westen? Und wie sieht es der Iran? Der Iran sagt: “Wir halten uns an alle die Verpflichtungen, die wir haben, einschließlich der Verpflichtungen aus den Safeguards-Abkommen mit der IAEO”. Und sagt: “Wir halten uns auch schon seit einigen Jahren daran.” Der Westen sagt: “Das ist richtig, ihr haltet euch vielleicht möglicherweise jetzt dran, aber in der Vergangenheit sind noch Fragen offen. Und um das Vertauen in die Vertragstreue des Irans wieder herzustellen, sollte der Iran vorläufig seine Tätigkeiten komplett einstellen, und wenn das dann alles geregelt ist, wenn diese Fragen alle geklärt sind und sich zeigt, dass der Iran tatsächlich nicht nur seit einigen Jahren, sondern auch aktuell, komplett in Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in NPT und der IAEO arbeitet, dann sind wir auch bereit, die zivile Nutzung der Atomenergie in Iran wieder ein Stückchen weiter zu erlauben, als wir es im Moment wären.” Diese Logik, mit der der Westen jetzt argumentiert, ist nicht mehr eine Logik, die ausschließlich auf den vertraglichen Verpflichtungen des Irans gegenüber der IAEO und dem NPT beruht, sondern einen Schritt weiter geht. Und ein Schritt, den der Iran unternommen hat, um hier die Skepsis im Westen zu erhöhen, war die Tatsache, dass der Iran die für ihn rechtlich noch nicht verpflichtenden Regelungen aus den Zusatzabkommen zum Safeguards-Abkommen, das der Iran unterzeichnet aber nicht ratifiziert hat, dass er diese teilweise, und auch die Inspektionsrechte, die damit verbunden sind, teilweise wieder außer Kraft gesetzt hat.

Iranischer Rundfunk: Herr Nassauer, eine Frage die Viele hier beschäftigt ist, dass der Westen hier zweierlei Maßstäbe ansetzt.

Nassauer: Diese Kritik aus iranischer Sicht ist meiner Einschätzung nach berechtigt. Diese Kritik resultiert aber auf der anderen Seite auch ein Stück weit daher, dass der Iran, da muss ich auch der westlichen Kritik zustimmen am Iran, nicht alles getan hat, was er hätte tun können, um diese offenen Fragen, hinsichtlich der Zulässigkeit des iranischen Atomprogramms in der Vergangenheit, auch wirklich sauber zu lösen. Da hätte der Iran meiner Einschätzung nach durchaus das eine oder andere mehr tun können und mit Herrn Al-Baradei ist ja ein IAEO- Generalsekretär da, der hier an dieser Stelle die iranische Position durchaus zu würdigen weiß und auch immer wieder gesagt hat, der Iran ist zumindest zu großen Teilen zur Zusammenarbeit bereit, es gibt aber Bereiche, in denen die Zusammenarbeit nicht stark genug ist.

Das Interview führte Seyed Hedayatollah Shahrokny für Iranischer Rundfunk (deutsches Programm), 02.01.2007.

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS

  BITS   vom 16.01.2007. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer.

Veröffentlicht am

21. Januar 2007

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