Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS



Suche in www.lebenshaus-alb.de
 

Notfalls erzwingen

Initiativgruppen aus mehr als zehn deutschen Städten kündigen der Berliner Bahn AG die kompromisslose Durchsetzung des Gedenkens an elftausend deportierte Kinder an. “Der Bahnvorstand ist zu einem verabredeten Treffen im Verkehrsministerium erneut nicht erschienen - zum zweiten Mal. Den fortgesetzten Boykott einer öffentlichen Ausstellung über die jüdischen Deportierten wird Herr Dr. Mehdorn nicht lange aufrecht erhalten können”, heißt es auf Anfrage der Redaktion von german-foreign-policy.com bei der bundesweiten Initiative “Elftausend Kinder”. “Dafür werden wir mit unseren Aktivitäten auf den deutschen Bahnhöfen sorgen”. Vertreter der Initiative und der Pariser Organisation “Fils et Filles des Déportés Juifs de France” (FFDJF) waren am Dienstag dieser Woche nach Berlin gereist, um im Verkehrsministerium Gespräche über die Präsentation von Bildern der Deportierten auf mehreren deutschen Bahnhöfen zu führen - vergeblich. Die Bahn AG blieb dem Treffen fern. Noch vor Bekanntwerden des erneuten Boykotts forderten sämtliche Fraktionen des Leipziger Stadtrats die Öffnung des dortigen Hauptbahnhofs für das Gedenken an die deportierten Kinder. Unter ihnen befanden sich mehrere hundert Kinder deutscher und österreichischer Emigranten. Aktionsgruppen an der früheren Deportationsstrecke in Sachsen-Anhalt und Sachsen teilen mit, dass sie das öffentliche Gedenken auf den Bahnhöfen notfalls erzwingen werden. german-foreign-policy.com veröffentlicht den Wortlaut der Leipziger Abstimmungsinitiative und ein Interview mit Dr. Georg Girardet, Leipziger Bürgermeister und Beigeordneter für Kultur.

Die in Berlin gescheiterten Gespräche waren auf Einladung des Verkehrsministeriums angesetzt worden und sollten die Bahn AG bewegen, das öffentliche Gedenken an die deportierten Kinder, aber auch an alle anderen Opfer der Reichsbahn-Verbrechen, auf den deutschen Reisebahnhöfen zu ermöglichen.Lesen Sie dazu das EXTRA-Dossier Elftausend Kinder . Obwohl eine entsprechende Ausstellung mit Fotos und Dokumenten der Deportierten auf über 18 Bahnhöfen der französischen Staatsbahn SNCF gezeigt werden konnte, weigert sich der deutsche Bahnvorstand seit zwei Jahren, diese Exponate dem Reisepublikum in der Bundesrepublik zugänglich zu machen. Angeblich fehlen dem milliardenschweren Unternehmen die notwendigen finanziellen Mittel, um die Ausstellung auszurichten und gegen Übergriffe zu sichern.Siehe dazu Elftausend Kinder .

Druck

Gegen das Gedenkverbot hatten in der Vergangenheit immer wieder Bürgerinitiativen protestiert und auf zahlreichen deutschen Bahnhöfen nichtgenehmigte Versammlungen abgehalten. Zu den Demonstrationen waren auch französische Opfer der deutschen Massendeportationen angereistNäheres über die Veranstaltungen finden Sie hier ., darunter Serge Klarsfeld, Präsident der FFDJF, und Beate Klarsfeld, Kuratorin der Ausstellung über die elftausend Kinder. Über 400 Persönlichkeiten und Organisationen verlangen in einem Offenen Brief die Freigabe der Bahnhöfe.Lesen Sie dazu den Offenen Brief . Nachdem die Proteste zu in- und ausländischen Pressenachfragen führten, schaltete sich das Berliner Verkehrsministerium unter Minister Wolfgang Tiefensee ein. In einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen forderte Tiefensee (SPD) von Bahnchef Mehdorn im Frühjahr, den Boykott der Ausstellungsinitiative aufzugeben.Interview mit Wolfgang Tiefensee: Die Bahn sollte ihre Bedenken zurückstellen; Jüdische Allgemeine 30.03.2006 Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland schloss sich an. Schließlich verlangten Bundestagsabgeordnete von SPD, Die Linke.PDS sowie CDU ein Ende des Gedenkverbots. Die Bundesregierung erklärte, sie begrüße das Gedenken. Anfang Juli schien es, als ob Mehdorn dem Druck nachgeben müsste - im Verkehrsministerium wurde zu mehrseitigen Gesprächen geladen.

Leer

Doch die Bahn AG erschien nicht und lehnte Kontakte mit den Opferorganisationen weiter ab. Wie das Verkehrsministerium damals mitteilte, hätte eine plötzliche Terminabsage des Zentralrats der Juden die Verschiebung des Treffens erfordert. Beate Klarsfeld (FFDJF/Paris) und die Vertreter der deutschen Initiative mussten unverrichteter Dinge abreisen.Siehe dazu das Interview mit Prof. Dr. Gudrun Hentges . Seitdem unterbreiteten die Initiatoren dem Ministerium insgesamt sechs neue Terminangebote, darunter das Angebot, am vergangenen Dienstag in Berlin mit den übrigen Beteiligten zusammenzutreffen. Das Ministerium bestätigte diesen Termin und lud für 15.00 Uhr zu den immer wieder verschobenen Gesprächen ein - erneut blieb die Bahn AG dem Treffen fern. Der Platz des vom Bahnvorstand beauftragten Bevollmächtigten (Herrmann Graf von der Schulenberg) blieb leer. Eine zeitnahe Realisierung der Ausstellung, die inzwischen von Stadtverwaltungen und öffentlichen Einrichtungen in mindestens sechs deutschen Städten angefordert wird, wird unmöglich gemacht.

Angemessen

In einer Pressemitteilung protestieren die deutschen Initiativen gegen die seit zwei Jahren fortdauernde Verschleppung des öffentlichen Gedenkens. “Der Boykott einer einfachen Fotoausstellung, die nichts mehr will, als auf den Bahnhöfen der letzten Reise dieser Kinder an ihr Schicksal zu erinnern, wirft ein Schlaglicht auf den politischen Zustand der Bundesrepublik” Pressemitteilung vom 27.09.2006, heißt es in einer Stellungnahme von Frau Prof. Dr. Gudrun Hentges. Die erneute Weigerung der Bahn AG stelle eine Eskalation dar, auf die man angemessen antworten werde - “überall dort, wo die Deportierten ihre letzte Reise antreten mussten”, ergänzt der Pressesprecher der Initiativen. “Der Boykott der Bahn AG wird uns nicht davon abhalten, das Gedenken gegen alle Widerstände durchsetzen - auf den Bahnhöfen und entlang der Todesstrecken.”

Ohne Gegenstimmen

Die Aktivitäten der überparteilichen deutschen Initiativen und der Pariser Organisation FFDJF finden u.a. im Rat der Stadt Leipzig Unterstützung. Dort erinnerte Dr. Volker Külow (Die Linke.PDS) jetzt an das Schicksal mehrerer Leipziger Kinder, die den Todestransporten angehörten und ihren letzten Weg über die Leipziger Gleise der Deutschen Reichsbahn nahmen - nach Auschwitz. Der heutige Bahnvorstand habe “über viele Jahre” versucht, “die Erinnerung an die Deportationen mit billigen Ausflüchten zu verhindern”Rede von Dr. Volker Külow im Rat der Stadt Leipzig, 20.09.2006; den vollständigen Wortlaut finden Sie hier ., sagte Külow im Stadtrat. “Die Ausstellung wäre (…) ein deutliches Zeichen im weiteren Kampf gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.” Külows Forderung, die vom Bahnvorstand boykottierten Exponate in den Leipziger Hauptbahnhof zu holen, schlossen sich sämtliche Fraktionen an - ohne Gegenstimmen.

Stark

In einem Interview mit der Redaktion von german-foreign-policy.com macht sich Dr. Georg Girardet (FDP), Leipziger Bürgermeister und Kulturbeauftragter der Stadt, für eine Verbreitung der Ausstellung in Sachsen und Sachsen-Anhalt stark. “Sollte unsere Initiative hier in Leipzig positiv ausgehen, was ich sehr hoffe, dann fände ich es richtig, wenn auch in den Nachbarstädten Ähnliches auf den Weg gebracht würde.”

Bitte lesen Sie das vollständige Interview mit Dr. Georg Girardet .

Den Wortlaut der Rede von Dr. Volker Külow finden Sie hier .

Das EXTRA-Dossier Elftausend Kinder   informiert ausführlich über das geforderte Gedenken.

Quelle: www.german-foreign-policy.com/de vom 28.09.2006

Fußnoten

Veröffentlicht am

03. Oktober 2006

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von