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Terrorismus: Krieg ist nicht die Lösung

Von Howard Zinn - ZNet Kommentar 07.09.2006

Aus den jüngsten Erfahrungen Amerikas und Israels im Nahen und Mittleren Osten sollte man eine wichtige Lektion lernen: Militärische Großangriffe - die zwangsläufig keine Unterschiede machen -, sind nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch nutzlos im Sinne der von den Akteuren postulierten Ziele.

Seit drei Jahren führen die USA Krieg im Irak. Mit Terrorbombardements fing es an und ging über in alltägliche Gewalt und Chaos. Im Hinblick auf die angegebenen Ziele, nämlich dem Irak Demokratie und Stabilität zu bringen, ist dieser Krieg als glatter Fehlschlag zu werten. Und auch das israelische Bombardement bzw. die israelische Invasion im Libanon haben Israel nicht mehr Sicherheit gebracht. In Wirklichkeit hat Israel mittlerweile noch mehr Feinde - nicht nur bei Hisbollah und Hamas, sondern auch in den Reihen jener Araber, die mit beiden Gruppen nichts zu schaffen haben.

Ich muss an John Herseys Novelle ‘The War Lover’ denken. Es geht darin um einen amerikanischen Macho-Piloten, der es liebt, Bomben auf Menschen abzuwerfen und mit seinen sexuellen Eroberungen zu protzen. Wie es sich herausstellt, ist er impotent. Präsident Bush in seiner Bomberjacke, der auf einem Flugzeugträger landete, um den Iraksieg zu verkünden, hört sich inzwischen an wie jener Charakter aus Herseys Buch. Während er große Töne spuckt, erweist sich seine Militärmaschinerie als impotent.

Bei Betrachtung der Geschichte der Kriege seit 1945 zeigt sich, dass Gewalt in großem Stil etwas Sinnloses ist. Sowohl die USA als auch die UdSSR haben es trotz enormer Feuerpower nicht geschafft, die Widerstandsbewegungen kleiner, schwacher Nationen zu besiegen. Im Falle der USA in Vietnam, im Falle der Sowjetunion in Afghanistan. Die USA und die UdSSR wurden zum Rückzug gezwungen.

Aber selbst die “Siege” der Großmächte erwiesen sich als flüchtig. Nach dem Angriff auf Afghanistan und der Invasion konnte Präsident Bush verkünden, die Taliban sind besiegt. Vier Jahre später strotzt das Land vor Gewalt, und die Taliban sind in weiten Teilen wieder aktiv.

Die beiden mächtigsten Nachkriegs-Nationen - USA und Sowjetunion - erwiesen sich trotz ihrer militärischen Stärke als unfähig, die Ereignisse in den von ihnen beanspruchten Einflusssphären zu kontrollieren. Im Falle der Sowjetunion in Osteuropa, im Falle der USA in Lateinamerika.

Aber um was es geht, ist nicht nur der mangelnde Nutzen von Waffengewalt, viel entscheidender ist letztendlich die Tatsache, dass heutige Kriege praktisch unweigerlich zum unterschiedslosen massenhaften Töten führen. Um es klipp und klar zu sagen: Krieg ist Terrorismus, der “Krieg gegen den Terror” daher ein Widerspruch in sich. Kriegsführende Nationen - ob nun Israel oder USA - haben sich als um das Hundertfache tödlicher für unschuldige Menschen erwiesen als die Terroristen mit ihren Angriffen (wie übel diese auch sein mögen).

Immer wieder hört man von Pentagon-Sprechern oder israelischen Offiziellen die Entschuldigung, man habe die Quartiere unschuldiger Menschen bombardiert, weil sich die Terroristen zwischen Zivilisten versteckten. Das Töten Unschuldiger (im Irak oder Libanon) wird als Versehen bezeichnet, bei den Opfern der Terroristen (gestorben am 11. Sept. oder durch die Raketen der Hisbollah-Raketen) hingegen soll es sich um bewusst herbeigeführte Opfer handeln.

Diese Unterscheidung ist falsch und mit ein wenig Nachdenken leicht widerlegbar. Eine Bombe wird gezielt auf das Haus oder das Fahrzeug eines “Terrorverdächtiger” abgeworfen (man beachte in diesem Zusammenhang die Häufigkeit der Verwendung des Begriffs “Verdächtiger”, die belegt, wie unsicher man sich bei der Auswahl der Ziele ist), dabei sterben Frauen und Kinder. Letzteres ist nicht unbedingt gewollt, aber auch nicht bloßer Zufall. Der zutreffende Begriff lautet “unweigerlich”.

Wenn zu erwarten ist, dass meine Handlungsweise unweigerlich Unschuldige tötet, so ist sie nicht minder unmoralisch als ein bewusster Angriff auf Zivilisten. Hält man sich dann noch vor Augen, dass bei Aktionen dieser Art weit mehr Unschuldige getötet wurden - unweigerlich und “versehentlich” - als durch alle bewusst herbeigeführten Terroranschläge zusammen, so ist Krieg als Lösung des Terrorproblems etwas Abzulehnendes.

Durch die Bomben der Amerikaner starben in Vietnam mehr als eine Million vietnamesische Zivilisten - “zufällig” vermutlich. Selbst alle Terroranschläge des 20. Jahrhunderts an allen Orten dieser Welt zusammen ergeben keine so grausige Zahl.

Wenn aber Krieg als Antwort auf Terroranschläge unweigerlich zur Unmoral führt, müssen andere Wege gefunden werden, um den Terrorismus zu beenden - auch den Kriegsterrorismus. Militärische Vergeltung gegen Terror ist nicht nur unmoralisch, sondern auch sinnlos. Politische Führer mögen noch so gefühllos kalkulieren, angesichts dieser Tatsache werden sie wohl umdenken müssen, was ihre Politik angeht.

Howard Zinn ist emeritierter Professor der Universität von Boston. Sein neues Buch soll im Winter erscheinen und heißt: ‘A Power Governments Cannot Suppress’, Lights Books www.citylights.com .

Quelle: ZNet Deutschland   vom 09.09.2006. Übersetzt von: Andrea Noll. Originalartikel: War Is Not A Solution For Terrorism .

Veröffentlicht am

18. September 2006

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