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Sommer der gnadenlosen Abschiebungen

PRO ASYL fordert sofortigen Abschiebestopp für Geduldete! Innenminister müssen handeln und nicht nur von einer Bleiberechtsregelung reden

Bundesinnenminister Schäuble hat sich am Wochenende in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung für eine Bleiberechtsregelung ausgesprochen. Nach Meldungen der Bildzeitung vom 25. Juli 2006 spricht sich Schäuble auch für eine Lockerung von Arbeitsverboten aus. Während von Minister Schäuble und anderen Innenministern, so zum Beispiel dem Hessischen Innenminister Bouffier, positive Signale für ein Bleiberecht gesendet werden, starten die Ausländerbehörden den gnadenlosen Sommer der Abschiebungen.

Seit Ende der Fußball-WM stellt PRO ASYL eine immer brutalere Abschiebepraxis fest. Jungen Menschen droht die Abschiebung, sobald sie die Volljährigkeit erreicht haben und sie deswegen kein Recht mehr haben, bei ihren Eltern zu bleiben. Ausländerbehörden scheuen sich nicht, diese Jugendlichen von ihren Familien wegzureißen und in Länder abzuschieben, die ihnen praktisch fremd sind. Selbst in Kriegs- und Krisenregionen wird immer bedenkenloser abgeschoben. Schwer kranke Menschen werden in ärztlicher Begleitung abtransportiert, ärztliche Atteste und Gutachten zu psychischen Erkrankungen herabgespielt. Unter den Betroffenen breitet sich ein Klima der Angst aus. Viele von ihnen hoffen auf die für Herbst angekündigte Bleiberechtsregelung.

PRO ASYL fordert die Innenminister auf, die Abschiebungswelle zu stoppen. Notwendig ist ein sofortiger Abschiebestopp. “Es kann nicht sein, dass heute diejenigen abgeschoben werden, bei denen morgen entschieden wird, dass sie bleiben dürfen”, sagte Günter Burkhardt.

PRO ASYL erwartet harschen Widerstand gegen eine großzügige Bleiberechtsregelung aus der Ministerialbürokratie. Im krassen Gegensatz zu den öffentlichen Äußerungen stehen die Vorschläge, die die Beamten des Bundesinnenministeriums erarbeiteten und die am Montag im Evaluierungsbericht zum Zuwanderungsgesetz veröffentlicht wurden. Darin werden neue Vorschläge für eine weitere Verschärfung des Zuwanderungsrechts gemacht.

PRO ASYL und Interkultureller Rat haben den Evaluierungsbericht aus dem BMI zu Beginn der Woche als “Katalog der asyl- und migrationspolitischen Grausamkeiten” bezeichnet. Auch EKD, Bischofskonferenz, amnesty international und Wohlfahrtsverbände haben bereits kritisch Stellung genommen. Noch am Samstag, den 22. Juli 2006 hatte Minister Schäuble formuliert: “Im Grunde möchte ich das ganze Thema möglichst aus dem politischen Streit heraushalten.” PRO ASYL fordert den Bundesinnenminister auf, sich endlich im eigenen Haus durchzusetzen und zu veranlassen, dass der Evaluierungsbericht, in dem Vorschläge für eine Bleiberechtsregelung und die Beendigung der Kettenduldungen fehlen, zurückgezogen wird.

Einige Beispiele der letzten Wochen

Familie R.

Die 5-köpfige Familie R., Angehörige der Minderheit der Bosniaken aus dem Kosovo, floh im Juni 1999 vor dem Bürgerkrieg im Kosovo nach Deutschland. Sie erhielten Duldungen, die immer wieder verlängert werden. Auf Grund traumatisierender Kriegserlebnisse leiden die Kinder und Frau R. an Angstattacken, Depressionen, Alpträumen und sind in kinder-/ jugendpsychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung. Trotz der angespannten Situation und des ungesicherten Aufenthalts hat die Familie die deutsche Sprache gelernt, die Kinder gehen zur Schule, der Vater hat so lange gearbeitet bis ihm die Arbeitserlaubnis entzogen wurde. Dennoch bemüht er sich weiter um Arbeit - leider scheitert er immer wieder an bürokratischen Hürden. Trotz aller Integrationsleistungen der Familie: Am 18. Juli 2006 wird die Familie morgens um 3 Uhr zur Abschiebung abgeholt. In letzter Minute wird die Abschiebung durch Intervention des Anwalts verhindert.

David M.

David M. kam im Jahr 2002 als 14-jähriger unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Armenien nach Deutschland. Er hatte im Alter von drei Jahren seine Eltern verloren. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, das Gericht entschied jedoch, dass David nicht abgeschoben werden darf, da bis zum 18. Lebensjahr die angemessene Aufnahme und Betreuung gewährleistet sein muss.

David hat sich in Deutschland sehr schnell integriert. Er hat einen Hauptschulabschluss gemacht und begann eine Ausbildung als Zimmerer, die er jedoch wegen fehlender Arbeitserlaubnis abbrechen musste. Nun ist David 18 Jahre alt geworden und ihm droht die Abschiebung.

Familie D.

Den Kindern der kurdischen Familie D., die seit 10 Jahren in Deutschland lebt, wurde die Abschiebung in die Türkei angedroht. Die Familie war im Jahr 1996 aus der Türkei geflohen. Sie waren Opfer von Repressalien und schwer wiegender Übergriffe geworden. Die Eltern leiden beide an schweren psychischen Erkrankungen. Bei dem Vater liegt Reiseunfähigkeit vor. Die Ausländerbehörde hat nun den beiden Kindern (19 und 21 Jahre alt) die Abschiebung angedroht.

Familie Akbulut

Die kurdische Familie Akbulut war 1998 vor politischer Verfolgung aus der Türkei geflohen. Vater, Mutter und Sohn leben nun seit etwa 8 Jahren in Deutschland.

Der 20-jährige Serif lebt seit seinem 12. Lebensjahr in Deutschland und muss sich, seit er 15 ist, um sämtliche Belange der Familie kümmern - er hat das nahezu Unmögliche geschafft: Trotz aller widrigen Bedingungen hat er sich integriert, spricht perfekt die deutsche Sprache, hat einen guten Schulabschluss und ist bei den lokalen Fußballvereinen als Spieler begehrt.

Nur eins hat er nicht geschafft: den Unterhalt für sich und seine arbeitsunfähigen Eltern mit einer Arbeit zu bestreiten. Denn trotz mehrerer Arbeitsangebote wurde ihm von der zuständigen Arbeitsagentur nicht einmal ein 2-Stunden-Job erlaubt. Am 06. Juli wurde Serif in Abschiebungshaft genommen und soll nach Istanbul abgeschoben werden.

Quelle: PRO ASYL   Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - Presseerklärung vom 26.07.2006.

Veröffentlicht am

10. August 2006

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