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Schlachtfeld Libanon: Nicht ein banaler Nebensatz

Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier leisten einen weiteren Beitrag zur Verluderung der internationalen Beziehungen

Von Lutz Herden

Wenn der deutsche Außenminister nach seinen Gesprächen in Kairo und Jerusalem zu Wochenbeginn richtig zitiert worden ist, dann hat er vor einer vorzeitigen Feuerpause im Libanon gewarnt. Hält man sich vor Augen, was seit dem 12. Juli in diesem Land geschieht, dann hat Steinmeier quasi auch davor gewarnt, dass die Waffen schweigen könnten, bevor die Zahl der auf allen Seiten getöteten Zivilisten weiter gestiegen ist, der Strom der Flüchtlinge auf möglicherweise über eine Million anschwillt, der Libanon nicht einmal mehr ein Schatten seiner selbst ist.

Derzeit sind im Südlibanon ganze Gemeinden eingeschlossen und nicht mehr fähig, Schwerstverletzte zu versorgen. Welche der großen Hilfsorganisationen man auch zitiert, alle sprechen von einer humanitären Katastrophe sondergleichen. Wie kann in einer solchen Lage ein Staat, der sich für berufen hält, einen Ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu beanspruchen, nicht über soviel humanitäre Gesittung verfügen, darauf mit einem Aufschrei des Gewissens zu reagieren und eine sofortige Feuerpause ohne Vorbedingungen zu fordern? Das Mindeste, wenn schon der Mut und das Rechtsbewusstsein fehlen, die drakonische Abstrafung eines ganzen Landes zurückzuweisen oder - wie es geboten wäre - als exzessiven militärischen Gewaltakt zu verurteilen (wozu man als UN-Mitglied verpflichtet wäre). Ist es vermessen, von einem weiteren Beitrag der deutschen Außenpolitik zur grassierenden Verluderung der internationalen Beziehungen zu reden? Der UN-Generalsekretär, nimmt man seine jüngsten Erklärungen, ist sich für einen klaren Appell an Israel nicht zu schade, der Papst auch nicht. Die französische Regierung interveniert und nimmt die archaische Selbstermächtigung Olmerts und seiner Generäle nicht hin. Die deutsche Regierung aber hält sich mit peinlich substanzlosen Erklärungen über Wasser, die auf eine Rechtfertigung des israelischen Vorgehens und einer Aufgabe des Libanon hinauslaufen.

Dies ist um so unerträglicher, als man sich noch gut der Jubelchöre erinnert, mit denen vor einem Jahr der Abzug der letzten syrischen Soldaten aus eben diesem Staat orchestriert wurde. Vom Ende der Fremdbestimmung war die Rede, von einem Sieg für die libanesische Nation, der man sich solidarisch verbunden fühle. Aber Syrien, der "Schurkenstaat", dessen Golan-Höhen seit fast vier Jahrzehnten von Israel widerrechtlich okkupiert sind, hat in den 23 Jahren seiner Präsenz diesem Land nicht ansatzweise soviel Leid und Schaden zugefügt wie Israel jetzt in zwei Wochen. Im Gegenteil, jeder seriöse Analyst wird konzedieren müssen, dass es Zeiten gab, in denen Syrien den Libanon stabilisierte und die Bäume der Hisbollah nicht in den Himmel wachsen ließ. Abgesehen davon, dass die Hisbollah eine Kreatur der Libanon-Politik Israels in den achtziger Jahren ist - zu heutiger Stärke fand sie erst nach dem syrischen Abzug.

Wenn sich Merkel und Steinmeier auf die Solidarität mit Israel berufen, kann das doch im Moment nur heißen, Israel vor sich selbst zu warnen und zu schützen. Wie viel Hass lädt dieser Staat auf sich - in den von seinen Raketen heimgesuchten Orten menschlichen Lebens, in den Millionen Ausgebombten und Flüchtenden, die alles verlieren. In der arabischen Welt überhaupt. Das wird für Generationen nicht zu verwinden sein. Wirklich erstaunlich, dass die Bundesregierung außerstande ist, wenigstens das klar zu artikulieren, wenn schon die humanitären Reflexe versagen, auf die ansonsten Verlass ist, wenn es um China, Russland oder andere Staaten geht, an denen man sich gern reibt, um die eigene zivilisatorische Glasur auf Hochglanz zu bringen.

Im Gaza-Streifen zerschlägt die israelische Armee die palästinensische Demokratie. Und was sagt die "große Freundin von Freiheit und Demokratie" dazu, wie George Bush seine Gastgeberin in Trinwillershagen gerade hofiert hat? Was sagt Angela Merkel dazu, die im Schatten der Mauer darunter gelitten haben soll, ihren Freiheitsdurst nicht stillen zu können? Leidet sie jetzt nicht? Wenn Olmerts Armee den Gaza-Streifen zusammenschießt? Wenn er die Infrastruktur einer erbärmlich dahin siechenden Region ebenso pulverisieren lässt, wie er den Bewohnern die Versorgung mit Wasser und Strom kappt. Ihnen Lebensmittel und Medikamente verweigert. 1,3 Millionen Menschen kurzerhand das Existenzrecht abspricht. Muss das die Freiheitsliebe Merkels nicht zum Bersten bringen? Noch dazu, wenn die Israelis die Hälfte der demokratisch legimitierten Hamas-Regierung verhaften und deportieren. Hat die Kanzlerin seit der Wahl von Hamas im Januar öffentlich auch nur einen banalen Nebensatz riskiert, um Israel wenigstens zu bitten, die ökonomische Blockade des Gazastreifens endlich aufzuheben? Die Grenzen für palästinensische Arbeiter wieder zu öffnen. Hunderte von minderjährigen palästinensischen Gefangenen zu entlassen. Die blockierten Gelder der Palästinenser freizugeben. Hätte eine Bitte um das Naheliegende schon das Existenzrecht Israels in Frage gestellt oder nicht eher gestärkt?

Quelle: Freitag - Die Ost-West-Wochenzeitung 30 vom 28.07.2006. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Lutz Herden und des Verlags.

Veröffentlicht am

28. Juli 2006

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