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Von meinem Haus aus sah ich, was “Krieg gegen Terror” bedeutet

Von Robert Fisk, The Independent, 14.07.2006

Die ganze Nacht über hörte ich die Jets, die hoch über dem Mittelmeer wisperten. Sie waren wie die kleinen Glühwürmchen, die Beirut beobachteten, vielleicht auf die Morgendämmerung wartend, denn dann fielen sie auf die Stadt nieder.

Zuerst kamen sie über das kleine Dorf Dweir nahe von Nabatiya im südlichen Libanon, wo ein israelisches Flugzeug eine Bombe auf das Haus eines schiitischen Muslim-Priesters warf. Er wurde getötet. Und auch seine Frau. Und acht seiner Kinder. Eines wurde enthauptet. Alles, was sie von dem Baby fanden, waren sein Kopf und sein Torso, die von einem wütenden jungen Dorfbewohner vor die Kameras gehalten wurden. Dann wandten sich die Flugzeuge an ein anderes Haus in Dweir und rotteten eine Familie von sieben Personen aus. Es war ein munterer Anfang für den Tag Zwei von Israels jüngstem "Krieg gegen den Terror", einem Konflikt, der die gleiche Sprache - und einige derselben Lügen - benutzt wie George Bush in seinem größeren "Krieg gegen den Terror". Denn ebenso wie wir den Irak "degradierten" - 1991 wie auch 2003 - so war gestern der Libanon dran, "degradiert" zu werden.

Das ist nicht nur physischer Tod, sondern auch wirtschaftlicher Tod, und dieser erreichte den neu glänzenden 300 Millionen teuren internationalen Flughafen gerade bevor sich um 6 Uhr früh Menschen bereitmachten, um als Passagiere nach London oder Paris an Bord zu gehen.

Von meinem Haus aus hörte ich die F-16, die plötzlich über der neuesten Rollbahn auftauchte und Raketen darüber hin abfeuerte, welche 20 Meter Rollbahn aufbrachen. Kein Flug nach London, kein Flug nach Kairo, kein Flug nach Dubai, Bagdad - vom Kessel ins Feuer, falls jemand das gewollt hätte - kein Flug. Irgendjemand spielte "Weine nicht um mich, Argentinien" über das öffentliche Ankündigungssystem. Dann flogen die Israelis die Hisbollah-Fernsehstation Al-Manar an, kappten ihre Antenne mit einer Rakete; jedoch gelang es ihnen nicht, die Station in die Luft zu sprengen. Das wäre ein verständlicheres Ziel gewesen - "Manar" strahlt immerhin die Propaganda der Hisbollah aus. Aber, war dies wirklich darauf gezielt, die beiden am Mittwoch gefangen genommenen israelischen Soldaten zu finden oder wieder zu entdecken? Oder sich für die neun Israelis zu rächen, die bei der gleichen Aktion getötet wurden - einem der schwärzesten Tage in der jüngeren Geschichte der israelischen Armee - auch wenn dieser nicht so schwarz war als für die 36 libanesischen Zivilisten, die in den vorhergehenden 24 Stunden getötet wurden.

Eine israelische Frau wurde auch getötet durch eine Rakete der Hisbollah, die nach Israel abgefeuert wurde. So entspricht, im harten Schlagabtausch dieser verfluchten Konflikte, ein israelischer Toter drei libanesischen Toten und etwas darüber. Leicht kann gewettet werden, dass der Schlagabtausch noch mörderischer wird.

Und gegen den Nachmittag zu wurden die Bedrohungen schlimmer. Israel würde nicht "müßig herumsitzen". Es ordnete an, dass die Bevölkerung der südlichen Vorstädte - wo die Hisbollah ihr Hauptquartier hat - bis 3 Uhr nachmittags ihre Häuser verlassen müsse.

Außer einigen hundert Familien weigerten sie sich hartnäckig wegzugehen. Jedermann im Libanon könnte jetzt ein Ziel sein, verkündeten die Israelis. Wenn Israel die Vorstädte bombardierte, donnerte die Hisbollah, würden sie ihre weitreichenden Katjuscha-Raketen auf die israelische Stadt Haifa abfeuern. Eine davon hatte offenbar bereits einen israelischen Flughafen in Miron beschädigt, eine Tatsache, die zurzeit von der israelischen Zensur verschwiegen wird.

Ganz sicher erschreckte dieses die Golftouristen im Libanon, die mit ihren ("Four times four") Touristenwagen Stau auf den Straßen von Bhandoum erzeugten, indem sie in das sichere Syrien flohen, um von Damaskus aus heimzufliegen. Wieder ein kleiner wirtschaftlicher Tod für den Libanon.

Aber, was sollte all das bedeuten, dieses Phrasendreschen und Drohen? Ich saß zuhause am frühen Nachmittag und ging meine gesammelten israelischen Stellungnahmen durch. Es stellte sich heraus, dass Israel wenigstens bei sechs Anlässen in den vergangenen 26 Jahren gedroht hatte, im Libanon nicht "müßig herumzusitzen" (gelegentlich auch "müßig herumzustehen"), am bekanntesten, als der ehemalige israelische Premierminister Menachem Begin versprach, dass er "nicht müßig herumstehen" würde, während Christen hier 1980 bedroht wären - jedoch drei Jahre später wurden seine Soldaten zurückgezogen und die Christen ihrem blutigen Schicksal überlassen.

Die Libanesen werden immer ihrem Schicksal überlassen. Israels Premierminister Ehud Olmert sagt, er macht die libanesische Regierung verantwortlich für die Grenzgeplänkel, die die internationale Grenze am Mittwoch durchbrachen.

Aber Mr. Olmert und jeder andere weiß, dass die schwache und brüchige Regierung des libanesischen Premierministers Fouad Siniora nicht in der Lage ist, auch nur einen einzigen Milizionär zu kontrollieren, und schon gar nicht die Hisbollah.

War das aber nicht die gleiche Gruppe libanesischer politischer Führer, die die Vereinigten Staaten vergangenes Jahr zu ihren demokratischen Wahlen und ihrer Freiheit von Syrien beglückwünschten? In der Tat, ein Mann der Bush als einen Freund sieht - "sah" ist vielleicht der bessere Ausdruck - ist Saad Hariri, der Sohn des libanesischen Ex-Premierministers Rafik Hariri, der viel von der Infrastruktur aufgebaut hat, die Israel jetzt zerstört, und dessen Mord im letzten Jahr - durch syrische Agenten? - Mr. Bush vermutlich gröblich beleidigte. Gestern früh flog Saad Hariri, der Sohn, gerade nach Beirut, als die Israelis, Amerikas Verbündete, ankamen, um den Flughafen zu bombardieren. Er musste wenden, weil sein Flugzeug sich flüchtend nach Zypern davon machte.

Gestern aber war das unterschwellige Terror-Gequatsche besonders erschreckend. Libanon war "die Achse des Terrors", Israel bekämpfte den "Terror an allen Fronten". Während des Morgens musste ich ein Interview mit einer australischen Radiostation mitschneiden, bei dem ein israelischer Reporter behauptete - total nicht wahrheitsgemäß -, dass iranische Revolutions-Garden im Libanon wären und dass nicht alle syrischen Truppen abgezogen worden sind.

Und der Grund, warum die Israelis den unendlich sicheren und sorgfältig überwachten Flughafen von Beirut angegriffen haben, der von Diplomaten und europäischen Politikers benutzt wird als Standort, sicher wie irgendwo in Europa? "Weil", sagen die Israelis, "dieser Flughafen ein Zentrum für den Transfer von Waffen und Ausrüstung für die Terrororganisation Hisbollah ist". Wenn die Israelis wirklich wissen wollen, wo dieses Transfer-Zentrum ist, sollten sie zum Flughafen von Damaskus schauen. Aber das wissen sie ja, oder nicht? Und es ist Terror, Terror, und wieder Terror, und der Libanon wird wieder herausgeholt als das mythische Terrorzentrum des Mittleren Ostens, zusammen mit, glaube ich, Gaza, und der Westbank, und Syrien, und natürlich Irak, und Iran, und Afghanistan …

Und wer weiß, wer als nächster dran ist….

Übersetzung: Gerhilde Merz

Veröffentlicht am

18. Juli 2006

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