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15 Irrtümer über die Atomenergie - Teil 6: Atomkraft: Milliardengrab für Steuergelder

Keine weiteren Subventionen für die Atomindustrie!

Von Silva Herrmann - >> Download als PDF-Datei

Es ist einer der großen Atom-Irrtümer zu glauben, dass Atomstrom billig ist - so wie es die Atomlobby immer wieder darstellen möchte. Vielmehr ist Atomkraft eine der teuersten Möglichkeiten, Energie zu erzeugen. Sie scheint nur billig zu sein, weil viele enstehende Kosten nicht in die betriebswirtschaftliche Kalkulation der AKW-Betreiber eingehen.

Staatliche Subventionen sowie EU-Förderungen fließen direkt durch Zahlungen in die Nukleartechnologie und senken so “künstlich” den Preis von Atomstrom. Zusätzlich werden die Kosten für die Atommüll-Lagerung den SteuerzahlerInnen aufgebürdet und nicht in den Strompreis eingerechnet. Die SteuerzahlerInnen werden auch zu Kasse gebeten, wenn es darum geht, die Folgen eines möglichen Unfalls zu tragen. Leider ist es schwierig, exakt nachzuvollziehen, welche Summen bereits in die Atomindustrie geflossen sind und immer noch fließen. Doch dass es eine enorme Summe ist, zeigen die folgenden Kapitel.

Ohne staatliche Gelder keine rentable Atomkraft

Die Höhe der Anschubfinanzierung in den Anfängen der Atomindustrie ist schwer nachvollziehbar, da die zivile Nutzung aus Projekten zur Entwicklung von Atomwaffen hervorgegangen ist. Daher unterliegen diese Daten bis heute häufig militärischer Geheimhaltung.

Für die EU spielt der Atomfördervertrag EURATOM eine wichtige Rolle: Der EURATOM-Vertrag begründete 1957 die Europäische Atomgemeinschaft, die die Entwicklung der Atomenergie fördern sollte. Zu dieser Zeit begann die kommerzielle Nutzung und Kernenergie wurde als “unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft” bezeichnet. EURATOM finanzierte die Erforschung der Atomenergie und gewährte Milliarden von Euro als Kredite für die Errichtung oder Modernisierung von Atomkraftwerken. Als Resultat ist die EU heute der weltweit führende Erzeuger von Atomenergie. Die erweiterte EU-25 hat 148 Reaktoren in Betrieb und erzeugt damit 32 Prozent ihres Strombedarfs, mehr als Nordamerika, Japan oder Russland.

EURATOM-Gelder sind Steuergelder. Die europäischen SteuerzahlerInnen haben in der Vergangenheit die Atomforschung massiv unterstützt: Zwischen 1994 und 2006 waren dies 3,7 Milliarden Euro. Derzeit wird über eine Fortführung der EU-Atomforschung diskutiert, und der Vorschlag beläuft sich auf 3,1 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre (2007-2011).

Die einzelnen EU-Staaten haben zusätzlich nationale Atomforschungsmittel ausgeschüttet: Im Zeitraum von 1974-1998 zusammen 55 Milliarden US-Dollar, das sind durchschnittlich 2,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Abschätzungen belegen, dass alle OECD-Staaten zusammengenommen bis 1992 bereits 318 Milliarden US-Dollar in die Forschung und Entwicklung der Atomkraft investiert haben.

Aber auch direkt für den Bau von Atomkraftwerken wurden europäische Steuergelder durch den EURATOM-Vertrag eingesetzt: Auf Drängen der pro-nuklearen Regierungen und der Industrie der EU führte der Europäische Rat 1977 die gesonderte Kreditvergabe für die Entwicklung der Nukleartechnologie ein. Unternehmen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien und anderen EU-Ländern nutzten diese Kredite mit günstigen Zinssätzen. Insgesamt wurden EURATOM-Kredite in der Gesamthöhe von 3,2 Milliarden Euro vergeben.

Rückbau von Atomkraftwerken

Die Energieindustrie hat sich die Nutzung der Atomkraft durch eine Reihe von Fördermaßnahmen versüßen lassen, die nicht in den herkömmlichen Statistiken und nationalen Budgets auftauchen. Der Rückbau von Atomkraftwerken nach dem Ende der Betriebszeit ist ein langwieriger und teurer Prozess. Nach Schätzungen belaufen sich die Kosten für den Rückbau der derzeit in Europa laufenden Reaktoren auf 500 Milliarden Euro. Bisher wurden relativ wenige Reaktoren stillgelegt. In den nächsten Jahren aber werden viele Reaktoren das Ende ihrer Betriebszeit erreichen. Die hohen Kosten, die dann anfallen werden, wälzen Atomkraftwerksbetreiber auf vielfältige Weise auf die Stromkunden ab. Zwar werden in vielen Ländern die Betreiber verpflichtet, Gelder in einen so genannten “Decommissioning Fund” zu zahlen. Doch sind die angesammelten Summen in nicht wenigen Fonds viel zu gering. In der Slowakei beispielsweise, die jetzt für die Stilllegung von Bohunice V1 beträchtliche Zahlungen (bis zu 400 Millionen Euro) von Seiten der Europäischen Union erhalten wird. Denn erst 1994 begann die Atomindustrie der Slowakei in den Fonds einzuzahlen. Die fehlenden Mittel sollen nun durch eine Gebühr auf den Stromverbrauch aufgebracht werden. Die Stromkundinnen müssen zahlen. Ähnlich ist die Situation in den USA, dort können die eingehobenen Mittel voraussichtlich nur die Hälfte der Kosten decken.

Die deutschen Atomkraftwerksbetreiber können Geld-Reserven für die Stilllegung von AKWs anlegen, für die sie keine Steuern zu bezahlen brauchen. In der Vergangenheit nutzten die Unternehmen dieses Geld (derzeit etwa 40 Milliarden Euro) z. B. für den Aufkauf anderer Unternehmen. Nicht nur, dass sie sich auf diesem Wege einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Unternehmen verschafften, die keine Atomkraftwerke betreiben: Es ist auch unklar, ob die eingesetzten Gelder im Bedarfsfall tatsächlich zur Verfügung stehen, da sie nicht auf wertsicheren Konten angelegt wurden. Darüber hinaus existiert eine Steuerbefreiung für atomare Brennstoffe.

Kosten für Atommüll-Lagerung

Ein einfaches Gedankenexperiment: Eine Faustregel besagt, dass man radioaktive Materialien für die zehnfache Länge ihrer Halbwertszeit von der Umwelt isolieren muss, bis sie unschädlich sind. Für ein Endlager für abgebrannte Brennelemente wäre dies - gerechnet nach der Halbwertszeit von Plutonium - ein Zeitraum von ca. 250.000 Jahren. Um in dieser Zeit dieses Lager von permanent zwei Beschäftigen über- und bewachen zu lassen, sind rund 4,4 Milliarden Arbeitsstunden notwendig. Bei Lohnkosten von 20 € pro Stunde und Beschäftigten, entstehen Personalkosten von insgesamt rund 100 Milliarden Euro.

Auch die Transporte des Atommülls zu den Lagerstätten belasten die Taschen der SteuerzahlerInnen: Die Kosten für den Polizeischutz von Castor-Transporten in Deutschland betrugen im März 2001 28,5 Millionen Euro und für den Transport im November 2001 31 Millionen Euro. Die immensen Kosten und Probleme für die Lagerung von Atommüll werden heutigen und kommenden Generationen von Steuerzahlern aufgebürdet.

Kosten für potentielle Unfälle

Nuklearunfälle gelten als nicht versicherbar. Denn der Schaden kann ins Unermessliche gehen. Keine Versicherung wäre in der Lage, die tatsächlichen Kosten abzudecken, ohne Konkurs anmelden zu müssen. In der EU beträgt die Haftungsgrenze für Atomkraftwerksbetreiber daher seit 2004 700 Millionen Euro, in den USA 9,1 Milliarden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kosten der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl von Seiten der IAEA- und WHO-ExpertInnen auf “Hunderte Milliarden Dollar” beziffert werden, wird deutlich, dass diese Versicherungssummen nicht ausreichend sind. Das heißt, Atomkraftwerke sind dramatisch unterversichert.

Spezialfall: Alte AKWs “dumpen” Strompreise

Was noch hinzukommt, ist der Spezialfall “alter AKWs”. Im Gegensatz zu konventionellen kalorischen Kraftwerken, wo der Bau relativ billig und der Brennstoff relativ teuer ist, sieht die Kostenstruktur bei Atomkraftwerken genau umgekehrt aus. Immensen Baukosten steht ein relativ billiger Betrieb gegenüber, während der Abriss danach wieder sehr teuer ist. Ursprünglich wurden die derzeit am Netz hängenden AKWs für eine Betriebszeit von 25 bis 35 Jahre konzipiert. Sie darüber hinaus laufen zu lassen, hat finanziell große Vorteile: Die Baukosten der alten AKWs sind längst abgeschrieben, wodurch ein altes AKW sehr billig Strom produzieren kann. Die alten AKWs verdrängen umweltfreundliche und nachhaltige Energieerzeugungsformen durch Dumping-Preise.

Dem stehen zunehmende Sicherheitsprobleme gegenüber: Mit jedem Jahr entfernt sich ein altes AKW vom derzeitigen “Stand der Technik”. Weiters kommt es zu materialbedingten Alterungserscheinungen wie z.B. Versprödung.

Quelle: GLOBAL 2000 vom 07.03.2006

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Veröffentlicht am

17. März 2006

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