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Europa will mit dem “großen Hund” mithalten

Von Bruce Gagnon

In einem vom “Wall Street Journal” Anfang 2005 öffentlich gemachten geheimen Bericht des Pentagons wurde eine militärische Schlüsselstrategie der USA aufgedeckt, die den Entwicklungsprozess fortgeschrittener Waffentechnologie “so teuer” machen würde, dass keine andere Nation in der Lage wäre, ohne Beeinträchtigung ihrer zivilen Ökonomie mit dem “großen Hund” (den USA) wettzueifern oder ihn herauszufordern.

Der kanadische Politanalytiker Michael Chossudovsky behauptet, die Europäische Union sei entschlossen, “eine massive Umleitung staatlicher Finanzmittel in Militärausgaben” zu starten. Seine Voraussage: “Unter der europäischen Verfassung wird es eine Position zur Außenpolitik des vereinten Europas geben, die eine gemeinsame Verteidigungskomponente umfassen wird. Obwohl es niemals ernsthaft öffentlich debattiert wird, gilt das Verständnis, dass die vorgeschlagene europäische Verteidigungsarmee Amerikas Vorherrschaft in Militärangelegenheiten infragestellen soll.”

Chossudovsky weiter: “Ironischerweise ist dieses europäische Militärprojekt, das ein nicht erklärtes Wettrüsten zwischen der EU und den USA begünstigt, nicht unvereinbar mit einer weiteren Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU in militärischen Angelegenheiten. Das zugrundeliegende Ziel für Europa besteht darin, dass gemeinsame EU-Interessen geschützt und europäische Vertragspartner in der Lage sind, aus den von den USA im Nahen Osten und anderswo geführten Kriegen effektiv Geld zu ziehen und sich ‘an der Beute zu beteiligen’. Mit anderen Worten: Während der ‘große Hund’ von einer Position der Stärke aus herausgefordert wird, versucht die EU weiterhin ihre Rolle als ‘Partner’ Amerikas bei dessen verschiedenen militärischen Unternehmungen einzubehalten.”

Die Finanzgruppe Price Waterhouse Coopers hat vorausgesagt, dass die Höhe der Militärausgaben der USA bis Anfang 2006 der des Restes der Welt entsprechen werden, was es für europäische militärische Vertragspartner “zunehmend notwendig” macht, eine “engere Beziehung” mit den USA zu entwickeln, um nicht hinter die Entwicklung militärischer Technologie zurückzufallen und ihren Anteil am expandierenden US-Militarismus zu sichern.

Ein Schlüsselzugang für europäische Beteiligung liegt im Raketenabwehrsystem der USA. Die Niederlande haben schon das US-amerikanische PatriotPAC-3-Theatre-Raketenabwehrsystem (TMD) gekauft. Etwa im Jahre 2012 werden Deutschland und Italien Partner der USA bei der Sicherung des Luftabwehrsystems MEADS (= Medium Extended Air Defense System) sein. MEADS soll eine Reichweite von 1000 Kilometern haben, obwohl keines der Länder echte Feinde innerhalb dieses Umkreises oder um ihn herum besitzt. Die Kosten für Deutschland von 3,6 Milliarden US-Dollar werden Kürzungen der Sozialausgaben notwendig machen, während enorme Beträge öffentlichen Geldes durch deutsche Waffenfirmen geschleust und schließlich mit der US-amerikanischen Rüstungsindustrie geteilt werden.

Die NATO drängt ihre Mitgliedstaaten, die verschiedenen geplanten TMD-Systeme in Militäroperationen der NATO zu integrieren. “Wenn eine Anzahl von NATO-Ländern bei einem NATO-Einsatz zusammenarbeitet und einige ihre Raketenabwehrsysteme mitbringen, möchte die NATO sicherstellen, dass diese Erfassungs- und Feuereinrichtungen zusammenarbeiten können und nicht als alleinstehende Systeme operieren”, so Mitch Kugler, Direktor von “Strategic Initiatives at Boeing Missile Defense Systems” in Virginia. Diese NATO-Integration wird europäische Militärs weiter an US-Entwicklungsprogramme der Waffentechnologie binden.

Der wachsende Militarismus hat einen unangemessenen Einfluss auf Wissenschaft und Technologie in ganz Europa. In Großbritannien wird fast ein Drittel aller öffentlichen Forschungsausgaben vom Verteidigungsministerium finanziert - wesentlich mehr als die Forschungsausgaben des National Health Service, des nationalen Gesundheitsdienstes.

Die britischen Universitäten werden von einer neuen Welle militärischer Partnerschaften überschwemmt, und die studentische Forschung hat sich auf Erforschung und Entwicklung von High-Tech-Waffen konzentriert. Heute steht Großbritannien an dritter Stelle der Militärausgaben - und an zweiter Stelle bei den Ausgaben für militärische Forschung und Entwicklung.

“Das Anwachsen von Militärausgaben in Europa steht in direkter Verbindung mit dem US-Militäraufbau. Je mehr Amerika für Verteidigung ausgibt, umso mehr wird Europa zur Entwicklung seiner eigenen europäischen Verteidigungsarmee ausgeben wollen”, so Chossudovsky.

“Die Sackgasse bei der Beschäftigung und bei Sozialprogrammen ist unvermeidbares Nebenprodukt von US-amerikanischen und europäischen Militärprogrammen, die enorme Summen staatlicher Finanzen der Kriegsökonomie zuführen, auf Kosten des zivilen Sektors.

Resultat sind Fabrikschließungen und Firmenpleiten in der zivilen Wirtschaft sowie eine steigende Flut von Armut und Arbeitslosigkeit in der gesamten westlichen Welt. Denn im Gegensatz zu den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts schafft die dynamische Entwicklung der Rüstungsindustrie nur sehr wenig Arbeitsplätze”, so Chossudovskys Schlussfolgerung.

Quelle: Der Pazifist Nr. 9/207 vom 28.12.2005. Übersetzt von: Bernd Büscher. Originalartikel: Global Network Space Newsletter 17 , Winter 2006.

Veröffentlicht am

02. Januar 2006

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