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Ausgegrenzt und unsichtbar

UNICEF-Jahresbericht “Zur Situation der Kinder in der Welt 2006” - “Armutsbekämpfung und Kinderschutz gehören zusammen”

Anlässlich der Vorstellung seines Jahresberichts “Zur Situation der Kinder in der Welt 2006” am 14.12.2005 fordert UNICEF verstärkten Schutz und mehr Hilfe für ausgegrenzte Kinder am Rande der Gesellschaft. Denn nach Einschätzung von UNICEF werden weltweit mehrere hundert Millionen Kinder von den herkömmlichen Maßnahmen der Armutsbekämpfung nicht erreicht. Vor allem Straßenkinder, arbeitende Kinder, Flüchtlinge, Kinder ethnischer Minderheiten und Waisenkinder werden von Regierungen, Behörden und Öffentlichkeit ignoriert und ausgegrenzt. Sie gehen häufig nicht zur Schule, haben keinen Zugang zu medizinischer Hilfe und kommen in keiner Statistik vor. Selbst schwere Verletzungen der Kinderrechte wie Sklavenarbeit, Prostitution oder willkürliche Gewalt durch Polizei und Behörden werden kaum verfolgt. Dagegen werden in vielen Ländern Heranwachsende schon bei geringen Vergehen in Gefängnisse gesteckt und wie erwachsene Straftäter behandelt.

Der UNICEF-Jahresbericht 2006 dokumentiert das Ausmaß der Ausgrenzung von Kindern aus den ärmsten Familien:

  • Jedes zweite Kind in den Entwicklungsländern bleibt ohne Geburtsurkunde - Voraussetzung für einen Platz in der Schule, Gesundheitsversorgung und weitere soziale Leistungen. Jedes Jahr sind dies 48 Millionen Neugeborene.
  • Weltweit wachsen rund 143 Millionen Kinder ohne Vater, Mutter oder beide Eltern auf. Durch AIDS steigt die Zahl der Waisen in einigen Ländern weiter an.
  • Mehr als 100 Millionen Kinder schlagen sich schutzlos und ohne jede Chance auf eine Ausbildung in den Großstädten auf der Straße durch.
  • Schätzungsweise 171 Millionen Kinder arbeiten unter Bedingungen, die ihrer Gesundheit schaden und sie vom Schulbesuch abhalten. 8,4 Millionen von ihnen werden als Sklaven oder Schuldknechte ausgebeutet.

Die ärmsten Kinder nicht länger übersehen

“Die ärmsten und am stärksten bedrohten Kinder dürfen nicht länger übersehen werden. Armutsbekämpfung und Kinderschutz gehören zusammen. Jedes Kind hat ein Recht darauf, zur Schule zu gehen und vor Ausbeutung und Gewalt geschützt zu werden”, erklärte Reinhard Schlagintweit, Vorsitzender von UNICEF Deutschland.

Die Hauptursachen für die Ausgrenzung von Kindern sind extreme Armut und die ungleiche Verteilung des Wohlstands, Versagen der Regierungen, bewaffnete Konflikte und die weltweite AIDS-Epidemie. Gerade in den ärmsten Ländern der Welt wächst nicht nur die Zahl der Kinder, sondern auch die Gefahr, dass Kindern der Schulbesuch oder eine Gesundheitsversorgung vorenthalten bleiben. Aber auch wo es Entwicklungsfortschritte gibt, gehen diese oft an den ärmsten Kindern vorbei. Der UNICEF-Jahresbericht nennt verschiedene Ursachen:

Kinder ohne offizielle Identität: Nach neuesten Schätzungen von UNICEF werden jedes Jahr rund 55 Prozent aller Geburten in den Entwicklungsländern nicht registriert. In Bangladesch und Afghanistan zum Beispiel werden nur sieben Prozent aller Kinder bei der Geburt erfasst. Ohne Geburtsurkunde können die Kinder oft nicht an einer Schule angemeldet werden und haben keinen Anspruch auf medizinische Behandlung.

Kinder ohne Eltern: AIDS ist ein entscheidender Faktor für Ausgrenzung. 15 Millionen Kinder haben bereits durch AIDS ihre Mutter, ihren Vater oder beide Eltern verloren. Immer mehr von ihnen sind sich selbst überlassen und müssen die Schule abbrechen. Oft schlagen sie sich mit Gelegenheitsarbeiten oder Prostitution auf der Straße durch. Straßenkinder werden häufig von der Polizei schikaniert, zusammengetrieben, verschleppt und außerhalb der Stadtgrenzen ausgesetzt. Immer wieder kommt es zu Morden an Straßenkindern durch selbst ernannte Bürgerwehren - oft mit stillschweigender Duldung der lokalen Behörden.

Kinder, die erwachsen sein müssen: Mädchen werden häufig als wirtschaftliche Belastung angesehen. Deshalb steigt die Zahl der Kinderehen, wenn die wirtschaftliche Not zunimmt. Auch wenn in vielen Entwicklungsländern Kinderhochzeiten verboten sind, werden jedes Jahr schätzungsweise 80 Millionen Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Die Zwangsheirat ist oft der Anfang lebenslanger häuslicher und sexueller Unterwerfung. Frühe Schwangerschaft und Geburt bedrohen die Gesundheit der Mädchen.

Kinderarbeit: Vielen armen Familien bleibt nichts anderes übrig, als ihre Kinder schon in jungem Alter arbeiten zu schicken. Rund 73 Millionen Kinderarbeiter weltweit sind nicht einmal zehn Jahre alt. Schätzungsweise 8,4 Millionen Kinder arbeiten unter sklavenähnlichen Bedingungen, zum Beispiel in Kiesgruben in Lateinamerika, in Ziegelfabriken in Südasien oder in Steinbrüchen im südlichen Afrika - oft, um die Schulden ihrer Eltern abzuarbeiten. Mädchen, die in Privathaushalten arbeiten, müssen oft 24 Stunden am Tag abrufbereit sein und sind durch körperliche, seelische und sexuelle Gewalt bedroht.

Kinderhandel und sexuelle Ausbeutung: Schätzungsweise zwei Millionen Kinder und Jugendliche weltweit werden als Prostituierte ausgebeutet. Ein großer Teil von ihnen ist Opfer skrupelloser Menschenhändler. Sie werden gewaltsam verschleppt, betrogen oder durch falsche Versprechungen dazu gebracht, den Schleppern zu folgen.

Forderungen

Mit seinem Jahresbericht ruft UNICEF dazu auf, sich beim Kampf gegen die Armut besonders auf die ausgegrenzten und “unsichtbaren” Kinder zu konzentrieren:

  • Jedes Kind hat das Recht auf einen Namen und eine Identität. Alle Kinder müssen bei der Geburt registriert werden und gleiche Rechte erhalten.
  • Um Kinder vor Ausbeutung, Missbrauch und Kinderhandel zu schützen, müssen Regierungen bestehende Gesetze an die Standards der UN-Kinderrechtskonvention anpassen und diese auch anwenden.
  • Waisenkinder und Pflegefamilien brauchen gezielte Hilfe. Insbesondere AIDS-Waisen müssen vor Ausbeutung und Diskriminierung geschützt werden.
  • Ausgegrenzte und marginalisierte Kinder müssen die Chance bekommen, zur Schule zu gehen. Dazu müssen weltweit die Schulgebühren abgeschafft werden.

Der UNICEF-Jahresbericht “Zur Situation der Kinder in der Welt 2006 - Kinder ohne Kindheit” ist als Fischer Taschenbuch erhältlich, Frankfurt am Main, Dezember 2005, ISBN-13: 978-3-596-16909-2. www.unicef.de

>> Hier findet sich die 6-seitige Zusammenfassung des UNICEF-Jahresberichts als PDF-Datei.

Veröffentlicht am

19. Dezember 2005

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