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Falsches Signal? Deutschland liefert modernste U-Boote an Israel

Von Otfried Nassauer

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enthält einen bemerkenswerten Satz. Zitat: “Wir halten an den derzeit geltenden Rüstungsexportbestimmungen fest.” Die wehrtechnische Industrie und die CDU/CSU haben offenbar mit den rot-grünen Rüstungsexportrichtlinien gut leben können, die vor fünf Jahren nach einer heftigen, von Rüstungsexportkritikern erzwungenen Diskussion verabschiedet wurden. Zwar fürchtete mancher Konzern zunächst, dass die neuen Richtlinien mit ihrer Betonung der Kriterien Menschenrechte, Gewaltprävention und nachhaltige Entwicklung viele lukrative Geschäfte unmöglich machen könnten. Doch die Ängste legten sich bald. Rot-Grün machte keinerlei Anstalten, die neuen Kriterien in rechtlich bindender Weise umzusetzen. Die Regierung überließ es vielmehr ihren Beamten, sie zu interpretieren. Die Folge: das meiste blieb beim Alten. In der Rüstungsexportpolitik herrschte damit mehr Kontinuität als Zurückhaltung. Mehr noch: Dieser Tage werden ohne großes Aufsehen Rüstungsexporte gebilligt, die noch zu Beginn der Rot-Grünen Amtszeit höchst strittig gewesen wären. Der deutsche Rüstungsexport boomt und Schwarz-Rot wird es schwer haben, in die großzügigen Fußstapfen zu treten, die Rot-Grün hinterlassen hat.

Die deutschen U-Boot-Lieferungen nach Israel sind das wohl beste und aktuellste Beispiel. An ihrem letzten Arbeitstag unterzeichnete die rot-grüne Bundesregierung einen Vertrag über die Lieferung von zwei weiteren U-Booten der Dolphin-Klasse an Israel. Eine Milliarde Euro sollen die Boote kosten. Bis zu 330 Millionen Euro soll der deutsche Steuerzahler direkt aufbringen. Den Rest will Israel beitragen, hauptsächlich, indem es Lieferungen für die Bundeswehr erbringt.

U-Boot-Lieferungen nach Israel sind alles andere als unproblematisch. Das zeigt die Vergangenheit. Anfang der 90er Jahre - im Kanzleramt saß Helmut Kohl - war Deutschland erst bereit, Israel U-Boote zu finanzieren, nachdem Saddam Hussein das Land mit Scud-Raketen beschossen hatte. Deren Reichweite war mit deutscher Technik vergrößert worden. Angesichts des verheerenden Dreiklangs “Deutsche Technik, Giftgas, Israel” entschloss sich die damalige Bundesregierung, Israel zwei Dolphin-U-Boote zu schenken. Später kam die finanzielle Beteiligung an einem dritten hinzu.

Doch noch während der Bauzeit stellte sich heraus, dass die Dolphin-U-Boote für Israel mit einer technischen Besonderheit ausgestattet wurden. Sie besitzen zwei unterschiedlich große Torpedorohre. Sechs Rohre mit dem Standard-Durchmesser von 533 Millimetern und vier mit einem Durchmesser von 650 Millimetern. Aus letzteren, so wurde immer wieder berichtet, wolle Israel auch weitreichende atomare Marschflugkörper mit bis zu 1.500 Kilometer Reichweite abschießen. Ein erfolgreicher Test vor Sri Lanka wurde gemeldet. Israel wolle seine atomare Abschreckung um seegestützte Waffen mit größerer Reichweite ergänzen. Auch deshalb seien die deutschen U-Boote gleich nach ihrer Ankunft in Israel erneut und aufwändig umgebaut worden.

Seit rund drei Jahren bemüht sich Israel nun um weitere Dolphin-U-Boote. Diese sollen mit dem neuartigen von der Außenluft unabhängigen Brennstoffzellenantrieb aus deutscher Entwicklung ausgestattet werden. Die deutsche Marine hat gerade ihre ersten zwei U-Boote mit diesem Antrieb in Dienst gestellt. Damit können U-Boote viel weiter fahren, deutlich länger tauchen und sind erheblich schwerer zu entdecken als konventionell angetriebene Diesel-U-Boote. Die israelische Marine kann solche U-Boote gut gebrauchen. Sie will künftig verstärkt im Arabischen Meer und im Indischen Ozean kreuzen - in Seegebieten also, die viel größer sind als das Mittelmeer. Dort liegen jene Staaten, die Israel schon heute sicherheitspolitisch die größten Sorgen machen: Die islamische Atommacht Pakistan und nicht zuletzt der Iran, dem Israel unterstellt, an einem Atomwaffenprogramm zu arbeiten.

Vor der Küste dieser Länder verdeckt operieren zu können, dort Aufklärung zu betreiben oder mit weitreichenden Marschflugkörpern auch Ziele tief innerhalb dieser Staaten mit konventionellen oder gar atomaren Waffen notfalls bedrohen zu können - all das macht für Israel eine regelmäßige U-Boot-Präsenz in diesen Seegebieten interessant. Dafür aber benötigt Israel eine zweite U-Boot-Flottille. Diese muss mindestens aus zwei U-Booten bestehen. Für sie müsste in den kommenden Jahren im Roten Meer ein Stützpunkt entstehen, damit Fahrten durch den Suez-Kanal oder um Afrika herum nicht notwendig werden.

Dass Deutschland Israel die erforderlichen zusätzlichen U-Boote liefert, ist politisch gleich mehrfach problematisch.

Erstens: Trotz der besonderen Beziehungen Deutschlands zu Israel - sollte Deutschland mithelfen, wenn Israel sein umstrittenes Nuklearpotential ausbaut oder modernisiert? Wenn Berlin auch nur den Anschein erweckt, es helfe Israel oder anderen Nuklearwaffenstaaten bei der Modernisierung oder Aufrechterhaltung atomarer Potentiale, so wird die deutsche Nichtverbreitungspolitik unglaubwürdig. Das gilt auch für die deutsche Forderung nach schnellstmöglicher atomarer Abrüstung. Riskanter und aktueller noch ist eine andere Auswirkung: Als Vermittler im Streit um das iranische Atomprogramm erweist sich Berlin einen Bärendienst, wenn es Israel U-Boote liefert, die der Iran als Atomwaffenträger betrachtet.

Zweitens: In der Rüstungsexportpolitik öffnet das Geschäft neue Schleusen. Wer modernste U-Boote liefert, genehmigt auch den Export vieler High-Tech- und Rüstungskomponenten. Es entstehen viele Präzedenzfälle, auf die sich in Zukunft Firmen, die Ähnliches exportieren wollen, berufen können und werden.

Und drittens: Mit 500 Mio. Euro ist jedes der neuen Dolphin-Boote mehr als doppelt so teuer wie die früheren Boote. Der neue Antrieb und die Inflation alleine können die Kostensteigerung nicht wirklich erklären. Auch die Bundeswehr bekommt ihre neuen außenluftunabhängigen U-Boote bisher deutlich billiger. Das wirft die Frage auf, ob sich in dem Budget für das U-Boot-Geschäft weitere Projekte der deutsch-israelischen Zusammenarbeit verstecken.

Die Entscheidung, Israel weitere Dolphin-U-Boote zu liefern, hat trotz dieser Kritikpunkte und offenen Fragen keine öffentliche Diskussion ausgelöst. Ähnliches gilt für die vor wenigen Wochen gefällte Entscheidung, an die Türkei 297 Leopard-2-Panzer aus Bundeswehrbeständen zu liefern. Der Aufschrei in der Öffentlichkeit, der zu Beginn der rot-grünen Koalition noch garantiert gewesen wäre - er blieb aus. Warum?

Am Ende der Regierungszeit von Rot-Grün gibt es in Deutschland so gut wie keine Öffentlichkeit mehr, die Rüstungsexporte kritisch und wirksam unter die Lupe nimmt. Rot-Grün hat sie nicht befördert, sondern als potentielle Gefahr für das eigene Regierungshandeln an den Rand gedrängt. Die großen, staatlich geförderten Friedensforschungsinstitute haben das Thema ad acta gelegt. Die Kirchen haben ihre Unterstützung drastisch reduziert. Auch die Gewerkschaften fördern heute eher Studien zur Bedeutung der wehrtechnischen Industrie für die Beschäftigung als kritische Analysen der deutschen Rüstungsexportpolitik. Viele Basisgruppen haben mangels Geldes aufgeben müssen. Allenfalls jene, die sich an internationalen Kampagnen wie denen zu Landminen und Kleinwaffen beteiligen, haben noch die Ressourcen, einen Teil ihrer Arbeit weiterzuführen. Eine systematische, kritische Beobachtung der deutschen Rüstungsexportpolitik durch die Öffentlichkeit aber findet nicht mehr statt. Und damit gibt es auch keine öffentliche Debatte.

Das erklärt, warum heute vieles diskussionslos geliefert werden kann, was vor Jahren noch zu heftigen Kontroversen geführt hätte. Es erklärt, warum die moralischen und politischen Glaubwürdigkeitslücken, die Rot-Grün zu Beginn seiner Amtszeit schließen wollte, heute eher größer als kleiner geworden sind. Es erklärt, warum Schwarz-Rot beim Rüstungsexport nichts ändern will und muss.

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS.

Quelle: BITS vom 06.12.2005. Dieser Text wird mit freundlicher Genehmigung von Otfried Nassauer veröffentlicht.

Veröffentlicht am

12. Dezember 2005

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