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Gedanken zum Advent oder das Licht von Bethlehem

Faten Mukarker schreibt: Deutschland, im Advent 2005


Liebe Freunde in der Ferne,

meine Vortragsreise in Deutschland ist zu Ende. Ich habe die Freude, noch vor meiner Heimreise, den Schnee erleben zu dürfen. Schnee, der seine weiße Unschuld auf Häuser, Bäume und Straßen legt. Kindheitserinnerungen werden in mir wach, denn ich habe die ersten zwanzig Jahre in Deutschland verbracht.

Zwanzig Jahre habe ich in einer Demokratie gelebt. Werte von Menschenrechten und Menschenachtung waren in meiner Erziehung und Bildung etwas Selbstverständliches.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, lernte ich an deutschen Schulen über das Grundgesetz. Heute lebe ich seit dreißig Jahren in einem Land, wo die Würde eines Menschen antastbar ist, und ein Menschenleben keinen Wert hat. In einem Land, wo Kinder nicht wissen, ob sie erwachsen und Erwachsene nicht wissen, ob sie alt werden.

Hier in Deutschland sprechen viele vom Kriegsende. Sechzig Jahre ohne Krieg!

Die Menschen hier haben gelernt, dass Krieg eine unmenschliche Fratze hat. Ich frage mich, ob ich je Frieden in meiner Heimat erleben werde. Ich muss an einen Witz denken, den mir ein Palästinenser erzählte. Es ist ein Witz mit schwarzem Humor und eigentlich auch unchristlich. Doch er spiegelt die Gefühle der Menschen wider.

Ein Israeli und ein Palästinenser sterben. Beide unschuldig - der Israeli bei einem Anschlag, und der Palästinenser bei einer sogenannten “Vergeltungsaktion”. Da beide unschuldig sind, kommen beide in den Himmel. Dort freunden sie sich an und schauen voller Besorgnis gemeinsam hinunter auf das Heilige Land.

Sie fragen sich, wann dieser Wahnsinn, dieses gegenseitige Töten endlich aufhören wird. Sie beschließen, Gott zu fragen und bitten um Audienz. Um nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, beschließen sie, ihn erst über andere Dinge in dieser Welt zu fragen und ihr eigentliches Anliegen bis zum Schluss aufzuheben.

Gott, gutmütig wie er ist, beantwortet ihnen alle Fragen.

Dann schauen sie sich an und stellen Gott die letzte Frage: “Wann wird unser Konflikt gelöst werden?”, fragen sie voller Hoffnung. Doch Gott fängt an zu weinen und sagt: “Das wird leider nicht mehr zu meinen Lebzeiten geschehen.”

Ich wollte lachen, doch das Lachen blieb mir im Hals stecken, spiegelt dieser “Witz” doch die große Hoffnungslosigkeit der Palästinenser wider, nachdem man sie hinter einer zehn Meter hohen Mauer eingemauert hat. Diese graue, kalte Mauer trennt uns nicht nur von unseren Familien, Feldern und natürlichen Wasserquellen. Diese Mauer trennt uns auch von unseren jüdischen Nachbarn.

Wie soll es mit dieser Mauer zu einer Versöhnung zwischen uns kommen?

Die Fronten auf beiden Seiten werden nur noch verhärtet. Scharon hat mit dem Bau dieser Mauer unseren Konflikt auf Generationen in die ungewisse Zukunft verlegt.

Wenn ich denke, dass vielleicht auch noch meine Enkelkinder hinter dieser Mauer leben werden, verliere ich den Verstand.

Doch jetzt will ich nicht daran denken. Noch bin ich in Deutschland und werde den ersten Advent hier feiern. Advent ist die Zeit der Hoffnung und des Lichts. Doch zum zweiten Advent werde ich wieder in meiner Heimat sein.

Das Licht von Bethlehem, das von dort aus in alle Welt geht und die Herzen der Menschen erwärmt, ist dabei, auszugehen.

Ich beschließe, ein Licht von hier - aus Deutschland - mitzunehmen.

Ein Licht von all den Menschen, die mir bei meinen Vorträgen zugehört haben. Ich bin auf viel Verständnis und Mitgefühl gestoßen. Viele Menschen waren der Meinung, dass auch wir in Palästina ein Recht auf Freiheit und Menschenwürde haben.

Mit diesem Licht werde ich das Licht von Bethlehem stärken, damit es wieder hell in diese Welt leuchtet und kundtut: Jesus, der Friedensfürst, ist in Bethlehem geboren.

Mit diesen Gedanken zum Nachdenken, Überdenken und Bedenken wünsche ich Euch eine gesegnete Adventszeit.

Salam
Faten Mukarker

Veröffentlicht am

01. Dezember 2005

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