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Fallujah, Vietnam

Phosphorbomben im Irak

Von Jan van Aken

Amerikanische Soldaten haben im Irak Brandbomben eingesetzt. In einem blutigen Krieg, der bislang 30.000 irakischen Zivilisten und 2.000 amerikanischen Soldaten das Leben kostete, ist das auf den ersten Blick eine eher banale Meldung. Trotzdem hat sie dieser Tage einen weltweiten Sturm der Entrüstung ausgelöst und die amerikanische Regierung zu einer weiteren Kriegslüge verleitet.

Die Entrüstung beruht zunächst einmal auf einem Missverständnis: Der italienische Fernsehsender RAI warf den USA letzte Woche vor, Chemiewaffen im Irak eingesetzt zu haben, und belegte dies mit Bildern von Phosphorbomben, die im April 2004 beim Sturm auf Fallujah eingesetzt wurden. Brandwaffen fallen jedoch keineswegs unter das weltweite Chemiewaffenverbot. Nur solche Chemikalien, die qua ihrer Giftigkeit Menschen verletzen, verstümmeln oder töten, sind verboten. Alle anderen Substanzen, die ihre tödliche Wirkung auf andere Weise entfalten - brennen, schießen, explodieren - gelten nicht als chemische Waffen. Im Krieg ist das Brennen und Morden erlaubt. Der süffisante Vorwurf, dass die US-Regierung jetzt im Irak genau die verbotenen Waffen einsetzt, die zuvor noch als vorgeschobener Kriegsgrund herhalten mussten, läuft also in diesem Fall vollkommen ins Leere. Es gibt auch kein anderes internationales Abkommen, dass den Amerikanern verbieten würde, mit Brandmunition auf gegnerische Kämpfer zu schießen.

Spannend ist allerdings die Frage, warum das Pentagon trotz dieser klaren Rechtslage zunächst hektische Dementis verbreiten ließ und darauf beharrte, dass Phosphor im Irak ausschließlich eingesetzt wurde, um bei nächtlichen Gefechten das Kampfgeschehen zu beleuchten. Erst als sich herausstellte, dass selbst US-Soldaten und unter Zensur stehende ‘eingebettete’ Journalisten bereits vor Jahresfrist den gezielten Einsatz von Phosphormuniton gegen Menschen in allen Einzelheiten beschrieben hatten, wurde dies auch von offizieller Seite eingestanden.

Die Berichte decken sich und zeigen nichts anderes als die tägliche Grausamkeit und Verrohung im Kriege. Wenn feindliche Kämpfer nicht einfach erschossen oder ausgebombt werden können, weil sie sich in Häusern oder Höhlen verstecken, dann werden sie mit weißem Phosphor beschossen, der sich an der Luft von selbst entzündet und sich durch die Haut bis auf die Knochen seiner Opfer frisst. Wer noch laufen kann und seine Deckung verlässt, wird erschossen. Diese Mischung aus Brandbomben und scharfem Beschuss wird in der US-Armee lapidar als “shake ‘n’ bake” bezeichnet - in Anlehnung an eine amerikanische Fertiggericht-Marke.

Da kommen Bilder aus längst vergangen geglaubten Zeiten wieder hoch: Kinder, die einem Napalm-Angriff zu entfliehen versuchen und doch schon lichterloh in Flammen stehen; vietnamesische Soldaten, die mit Tränengas aus ihren Höhlen getrieben und dann erschossen werden. Es ist der Geist von Vietnam, der hier heraufbeschworen wird und den das amerikanische Establishment momentan stärker fürchtet als alles andere. Noch ist die Diskussion um Parallelen zwischen Vietnam- und Irak-Krieg auf enge akademische Zirkel und eingefleischte Kriegsgegner in den USA begrenzt. Doch Brandbilder aus dem Irak könnten die Debatte nur allzuschnell emotionalisieren, das Gespenst von Vietnam wieder aufleben und damit die Zustimmung der Amerikaner für den Krieg im Irak noch weiter abstürzen lassen. Im Krieg um die Köpfe hat Washington jetzt zum Mittel der Lüge gegriffen und damit das alte Diktum bestätigt, dass das erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist.

Jan van Aken ist Biologe und leitet das Sunshine Project, eine internationale Organisation zur Kontrolle von chemischen und biologischen Waffen.

Quelle: Sunshine-Project vom 17.11.2005. Der Artikel erschien am 17. 11. 2005 auf www.zeit.de.

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Veröffentlicht am

19. November 2005

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