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Was könnten wir dann für eine Welt haben!

Grüße zum Jüdischen Neujahr 5766

Von Dorothy Noar

Ihr Lieben alle,

es ist wieder die Zeit im Jahr: Rosh Hashanah. Ich weiß, ich sollte irgendetwas sagen, allen ein besseres Jahr als das vorige wünschen. Aber jedes Jahr wird das aus dem Herzen kommende Gefühl, das mit so einem Wunsch einhergehen müsste, immer schwächer durch das, was meine Augen sehen und Ohren hören, und es fällt mir immer schwerer, überhaupt etwas zu sagen. Als ob ein Klumpen in der Kehle die Worte blockiert.

Vielleicht sollte ich von einem palästinensischen Bekannten lernen. Heute, als ich in Qarawat Bani Hassan ankam, fand ich einen Jeep mit etwa sechs Soldaten vor. Einige standen daneben und hinter ihnen ein Tor, das die großen Betonblöcke ersetzte, die bisher den Durchgang von einer Straßenseite zur anderen versperrt hatte. Die Veränderung machte mich wütend. Ich fragte die Soldaten, von denen einer erklärt hat, dass das Tor permanent dort stehen würde und zeitweilig, wenn der Befehl gegeben würde, geöffnet würde. Er hatte keine Ahnung wie oft. Ich denke, es wird eher für die Armee als für Palästinenser geöffnet.

Warum mich das so ärgerte, weiß ich nicht. Auch die Betonblöcke verhindern die freie Durchfahrt. Ich sagte den Soldaten aber, dass sie sich weigern sollten, solche Dinge zu tun und dass sie sich überhaupt weigern sollten, beim Militär zu sein weil sie damit nicht ihrem Land dienen sondern einer Regierung, die uns alle ins Verderben führt. Ich bezweifele, dass ich sie beeindruckt habe.

Nachdem der Jeep wegfuhr hat der palästinensische Fahrer eines Transit, den ich kenne und der meiner Vorstellung mit den Soldaten zugeschaut hat, mir gesagt, ich solle mich beruhigen, dass es unnötig sei, sich zu ärgern. Dieses Tor, erklärte er, sei ja nur noch eine weitere Sache, an die sich die PalästinenserInnen gewöhnen würden.

Vielleicht müssen sich die PalästinenserInnen an solche Sachen gewöhnen, um den Verstand nicht zu verlieren. Ich muss es aber nicht, und ich will es auch nicht. Böses ist böse.

Also, das alles gesagt, was bleibt? Wohl nur, mich zu beruhigen und euch allen, wo auch immer ihr seid (auch wenn ihr nicht jüdisch seid) ein besseres Jahr als das letzte zu wünschen, und meinen muslimischen Freunden ein leichtes Fasten im Ramadan. Ich hoffe, meine Wünsche werden dieses Mal keine leeren sein, dass wirklich etwas Besseres kommen wird, vielleicht, ulai, inshallah. Natürlich hilft das Wünschen nicht immer. Es wäre aber doch schön, wenn solche wie meine in Erfüllung gingen (ich bin sicher, ihr wünscht das auch alle). Was könnten wir dann für eine Welt haben!

Dorothy

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Dorothy Noar ist Mitarbeiterin der israelischen Frauenorganisation New Profile .

Quelle: Brief-aus-Israel vom 03.10.2005.

Veröffentlicht am

05. Oktober 2005

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