Tschetschenische Flüchtlingsfrau nach Suizidversuch und Psychiatrieaufenthalt in Abschiebungshaft
PRO ASYL: zynisch, unmenschlich und rechtswidrig
Appell an NRW-Innenminister Ingo Wolf: Sofortige Freilassung veranlassen
Von Karl Kopp
Das Vorgehen gegenüber Flüchtlingen wird immer brutaler. Im Fall einer schwer traumatisierten Flüchtlingsfrau aus Tschetschenien wird ihr Suizidversuch als Argument missbraucht, sie in Abschiebungshaft zu nehmen. ” …Frau A. (hat) sich am 07.07.2005 in ihrer Unterkunft in Kamen … ein Brotmesser in den Bauch gerammt. Sie begründete dieses mit der Angst vor einer Abschiebung und befand sich eine Zeit lang in den Westfälschen Kliniken in Dortmund.” (Abschiebungshaftantrag der Ausländerbehörde Kreis Unna vom 29. Juli 2005).
Frau A. wurde einen Tag vor der Verhängung der Abschiebungshaft aus der Psychiatrie entlassen. Als sie am 29. Juli beim Sozialamt vorsprach, um einen Krankenschein abzuholen, wurde sie dort festgenommen. Die schwer kranke Frau befindet sich seitdem im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg.
Aus der Sicht von PRO ASYL ist die Inhaftierung von Frau A. “zynisch, unmenschlich und rechtswidrig”. “Wir appellieren eindringlich an Innenminister Ingo Wolf, die sofortige Freilassung von Frau A. zu verlassen”, forderte Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL. Der Umgang mit der suizidgefährdeten Schutzsuchenden dokumentiert eine schier unglaubliche Kette der Verantwortungslosigkeit.
Die Ausländerbehörde Kreis Unna argumentiert in ihrem Haftantrag: “Es besteht der begründete Verdacht, dass sie sich erneut selbst verletzt, um sich der Abschiebung nach Polen zu entziehen”.
Das Amtgericht Kamen macht den Skandal komplett und verhängt am gleichen Tag noch Abschiebungshaft mit der Begründung, es bestehe “Fluchtgefahr”, denn Frau A. habe durch “Suizidversuch versucht, die Abschiebung zu verhindern” (Amtsgericht Kamen, Beschluss vom 29. Juli 2005). Der zuständige Richter führte weder eine ordnungsgemäße Anhörung durch - er hatte Frau A. nicht einmal gesehen - noch konnte eine Feststellung der Haftfähigkeit erfolgen. Frau A. war bereits auf dem Weg nach Fröndenberg.
Am 30. Juli 2005 wurde diese Anhörung unter entwürdigenden Bedingungen in der Haftanstalt durchgeführt. Seit dreizehn Tagen befindet sich Frau A. in einem desolaten Zustand im Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg.
Die sofortige Beschwerde ihrer Rechtsanwältin Klaudia Dolk (Essen) gegen die offensichtlich rechtwidrige Verhängung der Haft liegt seit zehn Tagen beim Landgericht Dortmund, ohne dass eine Entscheidung ergangen ist.
Quelle:
PRO ASYL
- Presseerklärung vom 10.08.2005.
Tschetschenische Flüchtlingsfrau aus Abschiebungshaft entlassen
Landgericht Dortmund: Haftantrag und Haftbeschluss “offensichtlich rechtswidrig?
18 Tage Martyrium zu Ende - die Aufarbeitung des Skandals steht noch aus
Frau A. war zu Unrecht in Abschiebungshaft. In einem Beschluss vom 17. August 2005 stellte das Landgericht Dortmund fest, dass sowohl der Haftantrag der Ausländerbehörde Kreis Unna als auch der Beschluss des Amtgerichts Kamen offensichtlich rechtwidrig waren. Die schwerkranke Frau A. wurde heute nach 18 Tagen Martyrium aus der Haft entlassen.
Im Fall dieser traumatisierten Flüchtlingsfrau aus Tschetschenien wurde ihr Suizidversuch als Argument missbraucht, sie in Abschiebungshaft zu nehmen.
Was Frau A. jetzt braucht, ist eine adäquate medizinische und psychologische bzw. psychiatrische Behandlung. Damit künftig diese Kette der Verantwortungslosigkeit ? rechtswidriges und unmenschliches Handeln der Ausländerbehörde und des Amtsgerichtes - sich nicht noch einmal wiederholt, bedarf es außerdem einer lückenlosen Aufarbeitung des Skandals.
Quelle:
PRO ASYL
- Presseerklärung vom 17.08.2005.