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Die Manipulation der Angst

Von Noam Chomsky - ZNet 21.07.2005

Die Verwendung von Ängsten zur Disziplinierung der eigenen Bevölkerung durch Machtgebilde hat eine lange Blutspur und schreckliches Leid hinterlassen, was wir zu unserem eigenen Schaden ignorieren. Die neuere Geschichte bietet viele schockierende Beispiele.

Die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts sah womöglich die furchtbarsten Verbrechen seit den Invasionen der Mongolen. Die brutalsten geschahen dort, wo die westliche Zivilisation ihre größte Pracht entfaltet hatte. Deutschland war ein führendes Zentrum in den Wissenschaften, den Künsten, der Literatur, den humanistischen Lehren und anderen hohen Disziplinen. Vor dem Ersten Weltkrieg, bevor im Westen die antideutsche Hysterie aufgepeitscht worden war, wurde Deutschland von amerikanischen Politikwissenschaftlern als vorbildliche Demokratie betrachtet, die der Westen nachahmen sollte. In der Mitte der 30er Jahre wurde Deutschland auf ein Niveau der Barbarei hinabgetrieben, welches wenige historische Vergleiche erlaubt. Dies traf am meisten auf die gebildetsten und zivilisiertesten Teile der Bevölkerung zu.

In den sehr lesenswerten Tagebüchern seines Lebens als Jude unter dem Nationalsozialismus - den Gaskammern wie durch ein Wunder entkommend - schreibt Victor Klemperer folgende Worte über einen befreundeten deutschen Professor, den er sehr hoch geschätzt hatte, welcher sich aber schließlich der Rotte anschloss: “Wenn es einmal anders käme und das Schicksal der Besiegten läge in meiner Hand, so ließe ich das ganze Volk laufen und sogar etliche von den Führern, die es vielleicht doch ehrlich gemeint haben könnten und nicht wussten, was sie taten. Aber die Intellektuellen ließe ich alle aufhängen, und die Professoren einen Meter höher als die anderen; sie müssten an den Laternen hängen bleiben, solange es sich irgend mit der Hygiene vertrüge.”

Klemperers Reaktion war berechtigt - und lässt sich auf einen großen Teil der Geschichte anwenden.

Komplizierte historische Ereignisse haben immer viele Ursachen. In diesem Fall war ein entscheidender Faktor die geschickte Manipulation der Angst. Das “einfach Volk” wurde von der Furcht vor einer jüdisch-bolschewistischen Verschwörung zur Übernahme der Welt gepeinigt; diese würde das Überleben der Bevölkerung Deutschlands selbst bedrohen. Extreme Maßnahmen waren daher notwendig, als “Selbstverteidigung”. Hoch angesehene Intellektuelle gingen noch viel weiter.

Während sich 1935 die Nazi-Gewitterwolken über das Land breiteten, bezeichnete Martin Heidegger die Deutschen als das “gefährdetste Volk” auf Erden, gepackt gefasst von den “großen Zangen” der Angriffe auf die Kultur selbst, welche in ihrer brutalsten Form von Russland und Amerika geführt würden. Deutschland war nicht nur das hauptsächliche Opfer dieser gewaltigen und barbarischen Kraft, es war auch die Verantwortung Deutschlands, “dem metaphysischen Volk”, den Widerstand gegen sie zu führen. Deutschland stand “in der Mitte” der westlichen Welt und musste das große Erbe des klassischen Griechenlands vor dem “Verfall” bewahren; dabei würde es sich auf eine neue “Erweckung des Geistes” verlassen, und die “geschichtliche Sendung unseres Volkes der abendländischen Mitte” übernehmen. Die Art, auf welche sich diese neue “Erweckung des Geistes” entfalten würde, war, als er diese Rede gab, schon offensichtlich genug; und er und andere führende Intellektuelle gaben sich ihr hin.

Die sich steigernden Gewaltausbrüche in Form von Abschlachtungen und Auslöschungen fanden mit dem Einsatz von Waffen, welche der Spezies ein bitteres Ende bescheren hätten können, noch kein Ende. Wir sollten auch nicht vergessen, dass diese Spezies-vernichtenden Waffen von den brilliantesten, menschlichsten und gebildetsten Personen der modernen Zivilisation geschaffen worden sind, welche in Isolation gearbeitet haben und von der Schönheit ihrer Arbeit so vereinnahmt waren, dass sie offenbar wenig auf die Konsequenzen achteten: ernsthafte Proteste von Wissenschaftlern gegen Nuklearwaffen begannen in den Laboratorien in Chicago, nachdem sie ihre Rolle bei der Schaffung der Bombe beendet hatten, und nicht in Los Alamos, wo die Arbeit bis zum bitteren Ende weitergeführt worden war.

Die offiziellen Geschichtsbücher der US Air Force erklären, dass General Hap Arnold, nach der Bombardierung Nagasakis, als Japans bedingungslose Kapitulation sicher war, “ein möglichst großes Finale wollte”: einen Überfall von 1.000 Bombern auf wehrlose japanische Städte. Der letzte Bomber kam gerade zu seinem Stützpunkt zurück, als die Vereinbarung der bedingungslosen Kapitulation formal erhalten worden war. Der Chef der Air Force, General Carl Spaatz, hätte als großes Finale einen dritten nuklearen Schlag auf Tokio bevorzugt, wurde aber davon abgebracht. Tokio war ein zu “schlechtes Ziel”, da es im sorgfältig umgesetzten Feuersturm vom März bereits in Flammen aufgegangen war, was in einem der größten Verbrechen der Geschichte etwa 100.000 verkohlte Leichen hinterließ.

Solche Dinge werden von Kriegsverbrechertribunalen ausgeklammert und großteils aus der Geschichtsschreibung getilgt. Inzwischen sind sie außerhalb eines kleinen Kreises von AktivistInnnen und SpezialistInnen kaum bekannt. Damals sind sie öffentlich als Akte legitimer Selbstverteidigung gegen einen bösartigen Feind gepriesen worden, ein Feind, der durch seine Bombardierung von Militärbasen der USA auf deren Kolonien Hawaii und Philippinen seine äußerste Ruchlosigkeit bewiesen hatte.

Es ist vielleicht angebracht sich daran zu erinnern, dass die Bombenangriffe Japans im Dezember 1941 - in Franklin D. Roosevelts Worten an dem “Tag, der in seiner Niederträchtigkeit in Erinnerung bleiben wird” (im Original: “The date which will live in infamy”) - mehr als gerechtfertigt waren, wenn man den Doktrinen einer “vorbeugenden Selbstverteidigung” folgt, welche heute von den Führern der USA und deren Klient Großbritannien proklamiert werden, von Staaten, die sich selbst “aufgeklärt” nennen. Die japanischen Führer wussten, dass aus den Produktionshallen Boeings B-17 Flying Fortresses rollten und kannten sicherlich die öffentlichen Diskussionen in den USA, welche darlegten, wie diese, von Stützpunkten in Hawaii und den Philippinen startenden Bomber, in einem Vernichtungskrieg die hölzernen Städte Japans anzünden können, “um das industrielle Herz des Imperiums abzubrennen - mit Feuerbombenangriffen auf die dichten Ameisenhaufen”, wie der pensionierte Air Force General Chennault 1940 empfahl, ein Vorschlag, der Präsident Roosevelt “schlichtweg entzückte”. Schließlich ist dies eine viel bessere Argumentation für die Bombardierung von US-Militärbasen auf US-Kolonien als irgendetwas das von Bush-Blair und ihren Mitläufern in ihrer Durchführung eines “vorbeugenden Krieges” an Argumenten vorgebracht worden ist - und letztere Argumente sind vom Mainstream und der artikulierten Meinung, mit taktischen Ausnahmen, akzeptiert worden.

Der Vergleich ist jedoch unangemessen. Jenen, welche in den dichten Ameisenhaufen wohnen, stehen keine Emotionen wie Furcht zu. Solche Gefühle und Befürchtungen sind Vorrechte der “reichen Männer, welche in Ruhe in ihren Behausungen wohnen”, in Churchills Rhetorik die “zufriedenen Nationen, welche sich nicht mehr wünschten als das, was sie schon haben” und denen daher “die Regierung über die Welt anvertraut werden muss”, falls es Frieden geben soll - eine besondere Art von Frieden, in welcher die reichen Männer von Ängsten sein müssen.

Wie sicher vor Angst die reichen Männer genau sein müssen, wird von hochangesehenen akademischen Arbeiten über die neuen Doktrinen der “vorbeugenden Selbstverteidigung” graphisch demonstriert, Doktrinen welche von den Mächtigen entworfen worden sind. Der wichtigste Beitrag, von etwas historischem Tiefgang stammt von John Lewis Gaddis, von der Yale-Universität. Er führt die Bushdoktrin auf seinen Intellektuellen Helden, den großen Strategen John Quincy Adams, zurück. In der Formulierung der New York Times “will [Gaddis] aufzeigen, dass Bushs Rahmenprogramm für den Kampf gegen den Terrorismus seine Ursprünge in den erhabenen, idealistischen Traditionen von John Quincy Adams und Woodrow Wilsons hat”.

Wir können die beschämenden geschichtlichen Fakten über Wilson beiseite lassen und bei den Ursprüngen der erhabenen, idealistischen Traditionen verweilen, welche Adams in seinem berühmten Text etabliert hatte, in dem er Andrew Jacksons Eroberung Floridas im Ersten Seminolekrieg des Jahres 1918 rechtfertigte. In Gaddis’ Version erkannten die US-Führer nach dem Überfall Großbritanniens auf Washington im Jahr 1814, dass “Expansion der Weg zur Sicherheit ist”, und eroberten daher Florida, eine Doktrin welche heute von Bush auf die ganze Welt ausgedehnt wird - und dies sei richtig so, argumentiert Gaddis.

Gaddis zitiert die richtigen akademischen Quellen, vorwiegend den Historiker William Earl Weeks, lässt aber vieles von dem, was diese schreiben, aus. Wir lernen viel über Präzedenzfälle der aktuellen Doktrinen und auch über den aktuellen Konsens, indem wir uns ansehen, was Gaddis auslässt. Weeks beschreibt in grellem Detail, was Jackson in jener “Schau von Morden und Plünderungen, welche als Erster Seminolekrieg bekannt sind,” getan hat; dieser [Krieg] war lediglich eine weitere Phase in seinem Projekt zur “Beseitigung oder Eliminierung der amerikanischen Indigenen des Südostens”, welches schon lange vor 1814 im Gange war. Florida war ein Problem, da es noch nicht in das sich gerade ausbreitende amerikanische Imperium eingebunden war und weil es ein “[sicherer] Hafen für Indianer und geflohene Sklaven [war …, welche] dem Zorn Jacksons oder der Sklaverei entflohen waren”.

Es gab tatsächlich einen Indianerangriff, den Jackson und Adams als Vorwand gebrauchten: US-Kräfte vertrieben eine Gruppe von Seminolen von ihren Ländern, töteten dabei mehrere von ihnen und brannten ihr Dorf nieder. Die Seminolen vergalten dies durch einen Angriff auf ein Nachschubboot unter militärischem Kommando. Die Gelegenheit nutzend, “betrieb [Jackson] eine Kampagne des Terrors, der Zerstörung und der Einschüchterung”, zerstörte Dörfer und “Nahrungsquellen[,] in einem bewussten Versuch die Stämme auszuhungern; jene Stämme, welche vor seinem Zorn in die Sümpfe geflohen waren”. So ging es weiter, und dies führte zu dem äußerst angesehenen Text von Adams, in welchem Jacksons unprovozierte Invasion befürwortet wurde; einer Invasion, welche in Florida “die Herrschaft dieser Republik über diesen hässlichen Sumpf von Gewalt und Blutvergießen” stellen sollte.

Das sind die Worte des spanischen Botschafters, “eine schmerzlich präzise Beschreibung”, wie Weeks bemerkt. Adams “hatte den Kongress und die Öffentlichkeit bewusst über die Gründe und über den Inhalt der amerikanischen Außenpolitik belogen”, führt Weeks fort, und Adams verletzte dabei gröbstens seine vorgegebenen moralischen Prinzipien; damit “verteidigte er implizit die Beseitigung der Indianer und die Sklaverei”. Die Verbrechen Jacksons und Adams “zeigten sich später als Vorspiel zu einem zweiten Vernichtungskrieg gegen [die Seminolen]” in welchem die Übriggebliebenen entweder nach Westen flohen, wo sie später das gleiche Schicksal traf, “oder getötet wurden, oder dazu gezwungen wurden, in den dichten Sümpfen Floridas Schutz zu suchen”. Heute, so schließt Weeks, “leben die Seminolen als Maskottchen der Florida State University im nationalen Bewusstsein weiter” - ein typischer und lehrreicher Fall.

Weeks betont auch, dass die energische Befürwortung der Verbrechen Jacksons durch Adams die Macht, einen Krieg zu beginnen, in Verletzung der Verfassung vom Kongress auf die Exekutive verschob; dieses Prinzip lebt weiterhin fort und macht strengen Verfassungsrechtlern keine Probleme. Er streicht auch hervor, dass Adams’ Rhetorik ebenfalls die “‘Imperiums-Rhetorik’ der Präsidenten etabliert hat, welche öffentliche Unterstützung (und auch jene des Kongresses) für politische Programme mobilisieren soll,[…] ein dauerhafter und fundamentaler Aspekt amerikanischer Diplomatie, welche von nachfolgenden Generationen amerikanischer Staatsmänner ausgereift ist, aber in seiner Essenz unverändert blieb.”

Der rhetorische Rahmen stützt sich (laut Weeks) auf drei Säulen: “der Annahme einer einzigartigen moralischen Erhabenheit der Vereinigten Staaten, der Verlautbarung ihrer Mission, die Welt zu erlösen” - durch die Verbreitung ihrer angeblichen Ideale und dem ‘American way of life’ - und (drittens), dem Glauben an das “göttlich bestimmte Schicksal” der Nation. Der theologische Rahmen verhindert oder erschwert eine vernünftige Debatte und reduziert die politischen Wahlmöglichkeiten zu einer Entscheidung zwischen Gut und Böse; dadurch wird die Gefahr der Demokratie gebändigt.

KritikerInnen können als “antiamerikanisch” beiseite geschoben werden - ein interessantes Konzept, welches aus dem Lexikon des Totalitarismus stammt. Und die Bevölkerung muss unter dem Schirm der Mächtigen Schutz suchen, aus Furcht, dass ihre Lebensweise und ihr Schicksal akut gefährdet sind. Die Verteidigung gegen Großbritannien wurde nie thematisiert: Dem britischen Minister Castlereagh war die Festigung der anglo-amerikanischen Beziehungen so wichtig, dass er sogar Jacksons Mord an zwei unschuldigen britischen Bürgern übersah, was Adams als “heilbringende Wirksamkeit des Terrors [lobte] und auch als [gutes] Beispiel” verteidigte. Weeks glaubt, dass Adams hier den Worten Tacitus’ folgte, seinem Lieblingshistoriker: dass “einmal exponiertes Verbrechen kein zurück mehr kennt, nur noch den Weg in die Kühnheit”.

Das Ziel der Diplomatie von Adams war nicht Sicherheit, sondern territoriale Expansion im Pazifik. Das wurde erreicht, aber die britische Gefahr war noch nicht ganz überwunden. Die militärische Stärke Großbritanniens machte eine Eroberung Kanadas und Kubas unmöglich, welche [aber], wie Adams vorhersah, gemäß den Gesetzen der politischen Gravitation wie “reife Früchte” in die Hände der USA fallen würden; und die USA konnte einschreiten, um die Befreiung Kubas von Spanien zu verhindern und um dieses bis 1959 in eine “de-facto Kolonie” zu verwandeln. Seit den ersten Tagen nach der, lange verzögerten, Befreiung im Jahr 1959 ist die Insel wegen ihrer “erfolgreichen Herausforderung” einer Politik, die bis auf die Tage des großen Adams zurückging, das Ziel unnachgiebigen Terrors und wirtschaftlicher Strangulierung gewesen; dies erfahren wir aus freigegebenen Dokumenten der Kennedy-Johnson-Jahre. Dort befindet sich auch die berüchtigte Guantanamo-Folterkammer, auf Land, welches Kuba eigentlich gestohlen worden ist, und welches sich der Führer der aufgeklärten Staaten behält, auch um damit die wirtschaftliche Entwicklung Kubas zu schwächen.

Wenn man die Lücken ausmalt, unterstützt dieses Bild das Urteil von Gaddis, dass dies Präzedenzfälle für die Bushdoktrin und ihre Umsetzung waren. Was die Ausweitung der Doktrin auf die ganze Welt betrifft möge man selbst urteilen. Innerhalb der aufgeklärten Kultur ist beinahe jede Tat, egal wie schrecklich, durch Furcht rechtfertigbar, was legitim ist, wenn irgendeine Möglichkeit besteht, egal wie unwahrscheinlich, dass irgendetwas mit den Zielen der reichen Männer in Konflikt geraten könnte, jene Männer welche in ihren weitläufigen Anwesen friedlich leben - und deren Ziele notwendigerweise edel sind, wie die intellektuellen Klassen mit ernster Mine erklären; aber manchmal bricht etwas Licht hindurch. Churchill zeigte sein Verständnis der Realität in einer internen Debatte im Parlament im Jahr 1914, als er auf ein höheres Militärbudget drängte:

“… wir sind kein junges Volk mit einer unschuldigen Geschichte und einem kleinlichen Erbe. Wir haben einen […] ganz und gar überproportionalen Anteil am Reichtum und Handel der Welt in Beschlag genommen. Wir haben an Gebieten alles, was wir haben wollen, und unsere Forderung, beim Genuss dieser großen und prächtigen Anwesen, [welche] zum Großteil mit Gewalt genommen und mit Gewalt gehalten werden, nicht gestört zu werden, scheint für andere oft weniger vernünftig als für uns.”

Die kursiven Phrasen sind jene, welche Churchill ausließ, als er diese Zeilen später veröffentlichte. Sie sind kein Teil der unterrichteten Geschichte der “aufgeklärten Staaten”. Sie werden ins gleiche Vergessen gestürzt wie andere Verwirklichungen “der erhabenen, idealistischen Traditionen”, in deren Namen die “reichen Männer […] einen ganz und gar überproportionalen Anteil am Reichtum und Handel der Welt in Beschlag genommen” haben; und sie dürfen “beim Genuss” dieser Besitztümer “nicht gestört werden”, weswegen sie rechtmäßige Selbstverteidigung üben, wenn sie irgendeine potentielle Gefahr orten und ihre Bevölkerung durch die traditionelle und schon oft erprobte Methode der Furcht mobilisieren.

Es ist nicht notwendig zu wiederholen, wie den Menschen im mächtigsten Land der Erde in den letzten Jahren Angst um ihr Überleben gemacht worden ist, und welche Maßnahmen ihre Führer angewandt haben, um diese Ängste zu beschwichtigen. Natürlich werden diese Ängste nicht aus dem Nichts produziert. Sogar die vulgärste Propaganda muss irgendeine Basis in der Realität haben. In diesem Fall der Terrorgefahr - also dem, was die Doktrin als Terror zu bezeichnen erlaubt, nämlich ihrem Terror gegen uns - ist die Gefahr sehr real. Man kann die potentielle Gefahr des jihadistischen Terrors kaum überschätzen, einem Terror, welcher aus traditionellen Gründen der Staatsraison von den momentanen Machthabern Washingtons und deren Mentoren zusammen mit ihren Verbündeten organisiert worden ist. Früher oder später wird er wohl Massenvernichtungswaffen verwenden, wie schon lange vor dem 11. September 2001 klar war. Die Gefahr wird von den globalen Führern bewusst eskaliert. Bush und Blair waren sich im Klaren darüber, dass die Invasion des Iraks die Terrorgefahr erhöhen würde, was auch geschah, aber [die Verringerung der] Terror[gefahr] hat keine hohe Priorität für sie, wie dieses und andere Beispiele illustrieren.

Die Bevölkerung der USA ist zum großen Teil gegen die Anwendung von Gewalt, außer in Fällen von Selbstverteidigung gegen einen stattfindenden oder direkt bevorstehenden Angriff. Drei Viertel der [US-]AmerikanerInnen glauben, dass die Regierung kein Recht hatte, im Irak einzufallen, wenn dieser keine Massenvernichtungswaffen hergestellt oder mit al-Kaida kooperiert hat. Die Hälfte glaubt, dass die Invasion gerechtfertigt war. Es gibt hier keinen Widerspruch. Die Zahlen zeigen lediglich wieder einmal die enorme Effektivität der Manipulation der Furcht. Selbst nachdem offizielle Untersuchungen die Behauptungen der Regierung und der Medien über Saddams Massenvernichtungswaffen und Beziehungen zu al-Kaida unplausibel erscheinen ließen, glaubt eine Hälfte der Bevölkerung weiterhin an die Richtigkeit dieser Anschuldigungen, und unterstützt daher nicht nur die Invasion - in den Worten des Nürnberger Tribunals das “höchste internationale Verbrechen, welches sich von anderen Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheidet, dass es in sich das gesamte Übel aller vereinigt” -, sondern auch die weiterhin stattfindenden Kriegsverbrechen, welche schamlos auf den Titelseiten der größten Zeitung der Welt abgebildet werden; alles in Selbstverteidigung gegen bösartige Kräfte, welche uns mit der Vernichtung bedrohen.

Wir können die Terrorgefahr nicht unterschätzen, und auch nicht den Zynismus von Machtzentren, wenn sie ihren oft verabscheuungswürdigen Zielen nachgehen, und auch nicht die mörderische Gewalt, welcher sie sich bedienen werden, wenn eine verängstigte Bevölkerung ihnen die Erlaubnis dazu gibt.

Quelle: ZNet Deutschland vom 02.08.2005. Übersetzt von: Matthias Hammerl, bearbeitet von: Michael Schmid. Orginalartikel: The Manipulation of Fear

Veröffentlicht am

03. August 2005

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