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Bericht einer Gerichtsverhandlung in Israel: Tali Fahima

Ein Brief aus Israel

Von Jakob Katriel, 23.Juli 2005

An alle, die die internationale Petition zur Freilassung von Tali Fahima aus der Einzelhaft unterschrieben haben.

Ich habe das Gefühl, dass ich Euch/Ihnen einen aktuellen Bericht schulde zum Stand der noch andauernden Schikanen gegenüber Tali Fahima, einer israelischen Friedenaktivistin, die den Mut hatte, die Kriminalität der israelischen mörderischen Praktiken gegenüber den Palästinensern aufzudecken und die rassistische Entmenschlichung der Palästinenser in allen Teilen des unterdrückerischen Besatzungssystems zu kritisieren.

Nach einem Jahr im Gefängnis - neun Monate davon verbrachte sie in Isolationshaft (die nur dadurch beendet wurde, weil der internationale Druck, dank Ihrer / Eurer Unterstützung zu hoch wurde) - hatte Tali Fahima endlich die ersten drei Tage ihrer Gerichtverhandlung (17.-19. Juli), die Mitte September fortgesetzt wird. Von der im ganzen 18 Stunden dauernden Vernehmung, war etwa die Hälfte hinter verschlossenen Türen, um einige der verachtenswerten Geheimdienstagenten und palästinensischen Kollaborateure nicht aufzudecken. Ich war bei den Sitzungen dabei, die öffentlich waren. In ihnen wurde ein junger Palästinenser aus Jenin H. Muhammed Al-Rul, der jetzt in israelischem Gefängnis sitzt, gehört.

H. Al-Rul ist eine eindrucksvolle, würdige Erscheinung. Er beschrieb in ziemlich ausführlicher Weise die Folterbehandlung, die er während der Zeit durchgemacht hat, als der israelische Geheimdienst versuchte, ihn dazu zu überreden, ein belastendes Zeugnis gegen T. Fahima auszusagen. Um Sie/Euch nicht unnötig mit den Details zu belasten, hier nur das Wichtigste der meistens erfolgreichen, hinterlistigen Taktik des Geheimdienstes(GSS): Nach einem langen und grausamen Verhör (während er unter den schändlichsten Bedingungen gehalten wurde, in Isolierhaft, kein Zugang zum Anwalt, seine Familie wusste nicht, wo er war), das für den Geheimdienst nicht das erwünschte Ergebnis brachte, wurde er in eine Zelle mit anderen Palästinensern gebracht (die sich schließlich als israelische Kollaborateure entpuppten), die sich aber selbst als Mitglieder einer palästinensischen militanten Gruppe vorstellten, sagten ihm, dass Frau Fahima eine Agentin des israelischen Geheimdienstes sei, dass er ein Verräter sei, der mit ihr zusammen arbeiten würde und dass er wie ein Verräter behandelt werde.

Unter dieser Bedrohung und in einem verzweifelten Versuch, sein Leben zu retten, erfand er eine vollkommen phantastische Geschichte über seinen eigenen glorreichen Anteil am palästinensischen Kampf und erfand eine Geschichte um Frau Fahima, die geholfen hätte, ein höchst geheimes Dokument, das ein israelischer Soldat in Jenin verloren hat, zu übersetzen. Dieses höchst geheime Dokument besteht aus zwei Seiten: die eine zeigt Photographien von vier Jeniner Bewohnern, die der Geheimdienst ermorden wollte. Auf der andern Seite war eine Luftaufnahme des Jeniner Flüchtlingslagers mit Pfeilen auf die Wohnungen dieser vier “gesuchten” Palästinenser. Dieses Dokument wurde nach der zum Glück verfehlten Militäroperation (“Krokodilstränen” genannt) in Jenin gefunden. Es wurde noch am selben Abend von den Palästinensern, die es fanden, dem Al-Jaseera-Fernsehen zugespielt. Kurz danach wurde es in israelischen Zeitungen gezeigt und inzwischen auf mehreren Internetseiten. Es wurde auch vor Gericht gezeigt. Während es jetzt ziemlich klar ist, dass Frau Tahima dieses Dokument nicht gesehen hatte, bevor es im Fernsehen gezeigt wurde, ist vielleicht noch wichtiger, darauf hinzuweisen, dass es auf jeden Fall überholt war, als es von den Palästinensern gefunden worden war, dass sehr wenig Text darin war, der übersetzt werden musste, dass seine Bedeutung und die Identität der Leute, die ermordet werden sollten, jedem Bewohner des Flüchtlingslagers klar war, dass H Z. Zbeidi, dem F. Fahima angeblich das Dokument übersetzt hat, selbst fließend hebräisch kann und ihre Hilfe gar nicht brauchte und schließlich dass F. Fahima niemals in ihrem Leben die Gelegenheit hatte, eine Luftaufnahme zu prüfen, geschweige denn zu interpretieren. Sie hatte auch keine Ahnung von militärischen Dingen und spricht kein Arabisch. Mit ihren Gastgebern in Jenin sprach sie hebräisch.

Auf jeden Fall beschrieb H. Al-Rul sehr überzeugend die Umstände, unter denen er gezwungen wurde, jene phantasievollen Ausführungen zu machen, die die einzige Basis für die Belastung von T. Fahima waren. Er bestätigte ganz klar, dass alle Ausführungen reine Phantasie waren und leugnete jede Verstrickung von T. Fahima in eine Aktivität außer der, dass sie versuchte, einen Computer-Club für palästinensische Kinder im Flüchtlingslager einzurichten (ähnlich einer anderen israelischen Frau, der verstorbenen Arna Mer, deren Kindergarten beide H. al-Rul als auch H. Zbeidi als kleine Kinder - also vor 20 Jahren - besuchten.) Es ging ihr um die Botschaft des Friedens und der Gewaltlosigkeit.

Wie es typisch für Israel ist, wurde der Inhalt der Zeugenaussagen, die hinter “geschlossenen Türen” stattfanden, in der verbreitetsten Tageszeitung am Freitag, den 22.7. 05 veröffentlicht. Das Interessanteste daran war wohl, dass der israelische Geheimdienst sich größte Mühe gab, F. Tahima für den Geheimdienst zu gewinnen, um ihm zu helfen, M. Zbeidi zu eliminieren. Er sei sehr wütend gewesen, dass sie das ablehnte.

Von unserer Demonstration am Morgen des 17. Juli, eine Stunde vor Beginn der ersten Gerichtsverhandlung vor dem Gerichtsgebäude von Tel Aviv, können Bilder angeschaut werden. Auch von der Mahnwache von “Frauen in Schwarz”, die am gleichen Tag in Wien stattfand.

Vielleicht wollen Sie/wollt Ihr auch wissen, welche prominenten israelischen Politiker und Intellektuelle ihre Solidarität mit F. Fahima und ihre Empörung gegenüber der hinterlistigen Haltung des GSS und der schändlichen Kollaboration des Gerichtes ausdrückten. Unter denen, die an der Demonstration und bei der Gerichtsverhandlung teilnahmen, möchte ich die früheren Parlamentsmitglieder Frau Yael Dayan (z.Zt vertretende Bürgermeisterin von Tel Aviv), Herr Uri Avnery (Gush Shalom), Frau Shulamit Aloni (frühere Bildungsministerin, die beste die wir hatten) und Frau Tamar Gojansky, die viele Israelis als eine der besten und effektivsten Parlamentarierinnen halten - sogar die, die nicht immer mit ihr politisch einer Meinung sind.

Ich möchte noch daran erinnern, dass ein Distriktrichter in Tel Aviv im Januar ihre Entlassung angeordnet hatte. Sie solle unter Aufsicht ihrer Mutter bleiben. Aber ein ultra-rechter Richter des Obersten Gerichtes, Elyakim Rubinstein, übernahm den Staatsappell und machte diese Anordnung rückgängig.

Am 26. Juli wollen wir eine Mahnwache vor der nächsten Gerichtsverhandlung vor dem Tel Aviver Distriktgericht halten …

Mit freundlichen Grüßen!
Jakob Katriel

Für weitere Informationen zum Fall Tali Fahima siehe: www.freetalifahima.org

Veröffentlicht am

25. Juli 2005

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