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Welttribunal zum Irak: Weitere Beweise gegen die USA

Von Dahr Jamail - ZNet 28.06.2005

Istanbul, 27. Juni 2005 (IPS). Auch bei den Anhörungen am letzten Tag des Welttribunals zum Irak am Sonntag sind wieder neue Beweise für amerikanische Kriegsverbrechen / Verstöße gegen internationales Recht aufgetaucht.

Das Welttribunal zum Irak (WTI) ist ein “Volksgericht”. Initiiert von Menschenrechtsaktivisten, Intellektuellen und NGOs, soll es die Taten der USA und der übrigen Besatzungsmächte im Irak (z.B. Großbritannien) in unabhängiger Weise bewerten. Seine Inspiration ist das sogenannte “Russell-Tribunal”, das 1967 zum Vietnamkrieg stattfand.

Das Tribunal in Istanbul dauerte drei Tage. Es war das 21. in einer Serie von Meetings, die über die letzten beiden Jahren verteilt stattfanden. Während des WTI kam es im Irak zu einer neuen Welle von Gewalt, der allein am Sonntag 41 Menschen durch Bomben zum Opfer fielen - darunter vier US-Soldaten (drei davon weiblich).

Seine Legitimation leitet das Tribunal, laut eigener Aussage, von der Tatsache ab, dass der Krieg gegen den Irak ein Aggressionskrieg war, der “trotz des Widerstands von Menschen und Regierungen auf der ganzen Welt” geführt wurde. “Es existiert kein Gericht und keine Autorität, um die Taten der USA und ihrer Verbündeten zu verurteilen. Wenn die offiziellen Autoritäten jedoch versagen, kann eine Autorität, die sich auf universelle Moralvorstellungen und die Menschenrechtsprinzipien beruft, für die Welt sprechen”.

Die Schlusssitzung des Tribunals fand vor einer ‘jury of conscience’ (Jury des Gewissens) statt, der unter anderem die indische Schriftstellerin Arundhati Roy sowie Francois Houtart, der bereits am Bertrand-Russell-Kriegsverbrechertribunal über Vietnam teilgenommen hatte, angehörten. Insgesamt 54 Personen sagten über verschiedene Aspekte der Invasion und der Besatzung des Irak aus.

“Der Angriff auf den Irak war ein Angriff auf uns alle: auf unsere Würde, unsere Intelligenz, unsere Zukunft”, so Roy bei der Anhörung. “Wir wissen, das Urteil des Weltgerichts zum Irak wird gemäß internationalem Recht nicht verbindlich sein. Aber unsere Ambitionen gehen viel weiter. Das Welttribunal zum Irak vertraut auf das Gewissen von Millionen Menschen überall auf der Welt, die nicht abseits stehen wollen und zusehen, wie das irakische Volk abgeschlachtet, gedemütigt und unterworfen wird”, so Roy.

Auch Denis Halliday, jener frühere Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen, der aus Protest gegen die Iraksanktionen von seinem Posten zurücktrat, sagte vor dem Tribunal aus: “… stillschweigend akzeptierten die UN die total illegalen Bombardierungen der No-fly-Zone im Irak, die USA und Großbritannien durchführten; diese kulminierten schließlich in Softening-up-Angriffen (kurz) vor der unrechtmäßigen Invasion 2003”.

Halliday: “Durch verschiedene Maßnahmen haben die Vereinten Nationen selbst die Grundrechte des irakischen Volkes zerstört - indem sie bewusst Artikel 22-28 der Universellen Menschenrechtsdeklaration vernachlässigten. Die UN hat versagt, wo es galt, die Kinder, die Menschen, vor und nach der Invasion von 2003 zu behüten und unter Schutz zu stellen”.

Thomas Fasy, Professor für Pathologie an der Mount Sinai School of Medicine in New York, legte dem Tribunal Beweise vor, dass sich die Zahl missgebildeter Babys im Irak zwischen 1990 und 2001 um das Siebenfache erhöht hat.

Laut Aussage Fasys haben im Regierungsbezirk Basra die Fälle von an Krebs und Leukämie erkrankten Kindern unter fünf Jahren zwischen 1990 und 2002 um das Sechsundzwanzigfache zugenommen.

Fadhil Al Bedrani, ein BBC- und Reuters-Reporter, der sich während der November-Belagerung in Falludschah aufhielt, legte Beweise für Kollektivbestrafungen an Zivilisten durch US-Soldaten vor.

Die irakische Frauenrechtlerin Hana Ibrahim sagte aus, 90% der (irakischen) Frauen seien arbeitslos. Häufig würden sie Opfer von Vergewaltigungen, Entführungen und Zwangsprostitution, zu Opfern der Gesetzlosigkeit.

“Von dem Tag an, als die Okkupation im Irak anfing, wurde gegen die Rechte der Frauen systematisch verstoßen, die Frauen wurden systematisch missbraucht”, so Hana Ibrahim.

Herbert Docena, Forscher der Gruppe ‘Focus on the Global South’, hat den Wiederaufbau sowie den Prozess des politischen Übergangs im Irak untersucht. Er verwies das Tribunal auf die wirtschaftlichen und politischen Kräfte, die hinter der Invasion und der Besatzung stehen:

“Bereits im Februar 2003 waren die USA mit ihren Planungen fertig. Das Wall Street Journal sprach von “umfassenden Planungen, um die irakische Wirtschaft nach dem Muster der amerikanischen Wirtschaft neu zu gestalten”“, so Docena. “Die USA bombardierten und dematerialisierten nahezu sämtliche Ministerien des Irak, daneben sah der Plan die Aufhebung fast aller geltenden Gesetze sowie die Auflösung der existierenden Institutionen vor, es sei denn, sie passten zu den Absichten der USA”.

Die Jury kam überein: Wir anerkennen “das Recht des irakischen Volkes auf Widerstand gegen die illegale Besatzung ihres Landes”.

Die Jury empfiehlt den “sofortigen und bedingungslosen Abzug sämtlicher Besatzungstruppen”. Die Jury ruft “die Regierungen der Koalition” dazu auf, “den Irakis vollständige finanzielle Kompensation für sämtliche erlittenen Zerstörungen zu leisten. Alle Gesetze, Verträge, Vereinbarungen und Institutionen, die während der Besatzung entstanden sind und vom irakischen Volk als schädlich und unnütz empfunden werden, sollen abgeschafft werden”.

Eine weitere Empfehlung des Tribunals: US-Präsident Bush, der britische Premierminister Tony Blair und alle übrigen Regierungschefs der Koalition sollten sofortige Untersuchungen zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit einleiten.

Zudem fordert die Jury, dass Journalisten und Medien, die Lügen zum Irak verbreiteten und der Gewalt Vorschub leisteten, Rechenschaft ablegen müssen. Diesen ‘process of accountability’ fordert die Jury übrigens auch für Konzerne, die vom Krieg profitierten.

Quelle: ZNet Deutschland vom 29.06.2005. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: More Evidence Indicts U.S

Veröffentlicht am

30. Juni 2005

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