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Zuwanderungsgesetz zwei Monate in Kraft: Geduldete Ausländer verlieren ihre Jobs

Ein Hindernisparcour der Behördenpraxis
PRO ASYL sieht dringenden Handlungsbedarf

Von Marei Pelzer

Zwei Monate nach In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes verlieren Geduldete reihenweise ihre Arbeit, weil die Behörden ihnen die Beschäftigung nicht erlauben. Der repressive Kurs gegenüber Geduldeten wird mittels Arbeitsverboten sogar noch verschärft. Sogar Personen, die jahrelang beim selben Arbeitgeber beschäftigt waren, bekommen keine Arbeitserlaubnis mehr. Durch die Arbeitsverbote soll offensichtlich der Druck auf die Geduldeten weiter erhöht werden. PRO ASYL fordert die Bundesregierung auf, diese falsche Weichenstellung bei der Anwendung der neuen Regelung umgehend zu beenden.

Eigentlich schien das Arbeitsverbot für Geduldete bereits im letzten Herbst vom Tisch zu sein. Bundesinnenminister Schily hatte sich mit seiner Forderung nach einem absoluten Arbeitsverbot für die Geduldeten bei den Verhandlungen um die Beschäftigungsverfahrensverordnung nicht durchgesetzt. Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Arbeitgeber und Gewerkschaften hatten gegen dieses Ansinnen interveniert. Geduldeten wurde grundsätzlich die Arbeitsaufnahme erlaubt.

Nun zeigt sich jedoch in der Praxis, dass die Arbeitsverbote durch die Hintertür durchgesetzt werden. Die Ausländerbehörden wenden das neue Recht so restriktiv an, dass viele Geduldete ihren Job verlieren und in die Sozialleistungen getrieben werden. Arbeitgeber verlieren langjährig verdiente und eingearbeitete Mitarbeiter.

Ursache für diese Fehlentwicklung ist die Beschäftigungsverfahrensverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 22. November 2004. Die Arbeit soll dann z.B. verboten werden, wenn der Geduldete zumutbare Anforderungen zur Beseitigung seines Ausreisehindernisses nicht erfüllt. Allein das Nichtvorliegen des Passes wird von den Ausländerbehörden als Beleg dafür angesehen, dass der Ausländer seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt habe.

In vielen Fällen unterstellen die Ausländerbehörden jedoch nur, der Ausländer habe sich nicht um einen Pass bei seiner Heimatbotschaft bemüht. Zum Beispiel behauptet die Ausländerbehörde in Ratingen (NRW), dass sich die dort lebenden geduldeten Nepalesen nicht um die Passbeschaffung bemüht haben ? obwohl sie gegenüber der Ausländerbehörde ihre Bemühungen sogar nachgewiesen hatten. PRO ASYL liegen derartige Fälle aus rund der Hälfte aller Bundesländer vor.

Zusätzlich verschärft wird diese Entwicklung durch restriktive Entscheidungen der Ausländerbehörden, die neue Härten schaffen. Seit dem 1. Januar 2005 erteilen die Ausländerbehörden die Arbeitserlaubnisse ? nicht mehr die Arbeitsämter. Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit wird nur noch intern eingeholt. Dargestellt wurde dieses Verfahren als eine Verbesserung unter dem Stichwort “One Stop Government” (sinngemäß etwa: alles aus einer Hand).

Was modern und kundenfreundlich klingt, erweist sich in der Praxis als ein wahrer Hindernisparcour. Die Ausländerbehörden verweisen bei wochenlangen Verzögerungen bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis auf die Arbeitsämter, deren Entscheidungsprozesse sie nicht beeinflussen können. An die Arbeitsämter können sich die Betroffenen aber nicht mehr direkt wenden. Hinzu kommt, dass die Ausländerbehörden zusätzlich eigene Prüfkompetenzen haben. Sie nutzen ihre neue Hoheit über den Arbeitsmarktzugang aus als Instrument der Abschreckung und Schikanierung der Betroffenen.

Ein Arbeitsverbot bedeutet für die Betroffenen die soziale Abwärtsspirale. Nach ihrer Entlassung erhalten die Betroffenen kein Arbeitslosengeld II (Hartz IV), da Geduldete generell aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen wurden. Sie haben lediglich Ansprüche auf die um 35 % abgesenkten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Personen, die über Jahre aus eigener Kraft ihre Existenz gesichert haben, werden also gezwungen, von Sozialleistungen auf dem untersten Niveau zu leben. Gleichzeitig werden so für die Kommunen Kosten produziert, da diese die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu tragen haben. Dies ist weder im Interesse der Geduldeten noch dem der Kommunen.

Unterm Strich bleibt der Eindruck: Die Beschäftigungsverfahrensverordnung führt für die Betroffenen nicht zur Integration in den, sondern zu einem Herausdrängen aus dem Arbeitsmarkt. PRO ASYL fordert die beiden an der Entstehung der Misere maßgeblich beteiligten Bundesminister Clement und Schily auf, durch klarstellende Weisungen bürokratische Fehlsteuerungen zu beseitigen. Mit einer rationalen Politik jedenfalls ist es nicht zu vereinbaren, dass selbst seit Jahren fest angestellte Menschen mit Duldung in die Arbeitslosigkeit gestürzt werden.

Zum Hintergrund:

Beispielfälle aus der Praxis

Beispiel 1:

Herr R. ist 63 Jahre alt, stammt aus Sierra Leone und ist seit 11 Jahren in Deutschland. Seit 5 Jahren ist er bei einem Zeitungsvertrieb beschäftigt. Mitte Januar hat er seinen Arbeitsplatz verloren, die Duldung wird nur monatlich verlängert, eine Arbeitserlaubnis nicht mehr erteilt.

Beispiel 2:

Herr A. stammt aus dem Iran (ca. 45 Jahre alt) und lebt mit Frau und zwei Kindern seit sechs Jahren in Deutschland. Seit 5 Jahren ist er bei einer Lieferfirma für Pizzerien beschäftigt. Für seinen Arbeitgeber ist er unersetzlich. Er ist die sprachliche Brücke, da viele der Pizzerien von Iranern betrieben werden. Auch bei ihm wurde die Arbeitsgenehmigung nicht erteilt, er wird nur monatlich geduldet.

Beispiel 3:

1991 reist Frau B. als unbegleitete Minderjährige im Alter von 15 Jahren nach Deutschland ein und stellt einen Antrag auf Asyl. Sie gab an, ihre Eltern stammten aus Eritrea, seien jedoch nach Äthiopien umgezogen. Es ist unklar, welche Staatsangehörigkeit sie besitzt. Seit Abschluss des Asylverfahrens 1996 wird sie geduldet. Eine abhängige Beschäftigung wird ihr jeweils erlaubt. Seit mehr als zwei Jahren ist sie als Altenpflegerin beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis besteht nach wie vor. Nun weigert sich die Ausländerbehörde, ihr eine Erlaubnis zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit zu erteilen. Die Antragstellerin würde nicht alle Mitwirkungspflichten zur Beschaffung von Reisedokumenten erfüllen und insoweit habe sie die Gründe ihrer Nichtabschiebbarkeit zumindest selbst zu vertreten.

Quelle: PRO ASYL - Presseerklärung vom 01.03.2005.

Veröffentlicht am

05. März 2005

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