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Leben im Müll

Von Dahr Jamail - Dahrs Website / ZNet 26.12.2004

Die Müllhalde besteht aus schmutzigem Brachland. Verstreut über eine Fläche von mehreren Quadratkilometern liegen die rottenden Müllberge Bagdads - der geschundenen Hauptstadt des Irak. Blaue Müllaster liefern sich einen vergeblichen Kampf mit dem endlosen Straßenmüll. Jetzt rattern sie über die stinkende Halde, vermehren mit ihrer Fracht den Dreck. Hier, in dieser Brache, lebt der 32jährige Hattim mit seiner Familie. “Wir leben auf der Müllhalde. Wir haben ein schlechtes Leben. Wir haben Kinder aber keine Schule. Wir haben nichts. Wir bitten die neue Regierung, sich nur ein klein wenig um uns zu kümmern. Wir wollen keine großen Sachen, nur kleine. Wir transportieren das Wasser mit Tieren, mit Eseln; das Wasser ist nicht sauber, nein, wirklich kein sauberes Wasser, wir haben viele Krankheiten.”

Hattims Familie und 35 andere Menschen leben in Häusern aus alten Speiseölbüchsen. Um Wind und Dreck abzuhalten, wurde getrockneter Schlamm zwischen die Büchsen gestopft. Im Innern der Behelfshäuser wimmelt es von Fliegen. Ein Baby, 10 Tage alt, schläft in seinem Nest aus schmutzigen Decken. Ihren kleinen Kopf bedecken Fliegen. Hattim fährt fort: “Früher lebten wir in den Sümpfen, aber als Saddam die Sümpfe trockenlegte, übernahm er unsere Höfe und alles und errichtete Militärlager dort. Nun leben wir also auf der Müllhalde. Der Mensch ist ein heiliges Geschöpf, man kann sich nicht vorstellen, im Müll zu leben. Selbst Gott akzeptiert das nicht.” Die Wände, die Decke - alles mit Fliegen übersät. Unablässig umschwirren sie die sechsköpfige Familie.

Hattims 40jährige Schwägerin heißt Rana. Auch sie lebt in einem Haus aus Schlamm und Büchsen. Jetzt kommt sie zu Hattim und bittet um etwas Brot. Sie erhebt die Hände zu den Fliegen und sagt: “Die Fliegen sind unsere ständigen Begleiter. Wir besitzen einige Tiere, die von den Dingen leben, die es auf der Halde gibt. Wir haben weder Strom noch Wasser. Niemand hilft uns, und wir haben kein Einkommen. Unsere Eltern besaßen Bauernhöfe. Sie lebten im Süden. Aber als sie das Wasser aus den Sümpfen entfernten, begannen unsere Probleme”.

Vor der Hütte klaubt Hattim kleine Holz- und Plastikteile aus dem Müll. Er will ein wenig Feuer machen, damit es warm wird im Haus. Zwei kleine Mädchen, seine Nichten, spielen mit einem Stück altem Reifen - der Dreck ist in ihre Gesichter eingebacken. Sie werfen den Reifen hin und her. Hattim schaut auf, beobachtet ihr Spiel, bejammert seine Situation: “Mein Bruder hat viele Kinder, einige sind so fünf oder sechs. Ich habe keine Papiere, über nichts. Ich besitze nicht einmal eine Lebensmittelkarte. Was ich habe, ist mein irakischer Ausweis, aber der ist natürlich nichts wert”.

Trotz der schrecklichen Lebenssituation freut sich ein Verwandter, dass wir ein Foto von ihm machen, während Hattim eine Redepause einlegt. Dann sagt Hattim, vor drei Monaten habe die irakische Interimsregierung seiner Familie weitreichende Hilfen versprochen. Sie sagten: “Wartet drei Monate, und wir schicken euch zum Mars”. Damit will Hattim betonen, wie gewaltig die Hilfsversprechungen waren, die die Übergangsregierung den Armen Bagdads machte. “Nein, wir wollen gar nicht zum Mars, alles, was wir wollen, ist ein Platz auf Erden”.

Weitere Informationen, Fotos, Kommentare auf: http://dahrjamailiraq.com

Quelle: ZNet Deutschland vom 31.12.2004. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: “Living in Garbage” .

Veröffentlicht am

31. Dezember 2004

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