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Statement zum 11. September von betroffenen Familien

Von Families for Peaceful Tomorrows (Familien des 11. September für eine friedliche Zukunft) - ZNet 11.09.2004

Die Gruppe ‘Familien des 11. September für eine friedliche Zukunft’ (September 11th Families for Peaceful Tomorrows) entstand vor fast drei Jahren - aus unserer gemeinsamen Überzeugung, daß Amerikas militärische Antwort auf die Anschläge des 11. September, bei denen unsere Lieben starben, unzähligen unschuldigen Zivilisten das Leben kosten wird und daß diese Antwort dem Terror noch mehr Zulauf verschafft, wodurch Amerika und die Welt auf Generationen hinaus weniger sicher und frei sein werden.

Heute, am Gedenktag des 11. Septembers, sehen wir unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Der Kriegsterrorismus konnte den Terror des 11. September weder neutralisieren noch beenden. Wir haben Afghanistan bombardiert / Militäraktionen durchgeführt. Bilanz: mehr als 130 tote amerikanische Soldaten und geschätzte 4.000 tote Zivilisten - hinzu kommt unser Scheitern beim Wiederaufbau des zerstörten Landes.

Seither erleben wir die Rückkehr der Taliban-Warlords, Hilfsorganisationen reisen ab, und nach wie vor stirbt amerikanisches Militärpersonal, sterben unschuldige Zivilisten in Afghanistan. Inzwischen räumt der afghanische Präsident Hamid Karzai ein, er werbe um die Unterstützung ehemaliger Taliban-Offizieller, zur Stabilisierung des politischen Prozesses. Osama bin Laden ist noch immer frei, und Al Kaida bleibt eine starke Terrorkraft - das beweist der Zuganschlag vom 11. März in Madrid/Spanien.

Unser illegaler, unmoralischer und ungerechtfertigter Einmarsch in den Irak - ein Land, das nichts mit den Anschlägen vom 11. September zu tun hat -, kostete schon 1.000 US-Soldaten das Leben und schätzungsweise 12.000 irakischen Zivilisten. Zehntausende weitere Menschen wurden körperlich verletzt bzw. psychisch traumatisiert.

Die heutige Situation: Unsere anhaltende Besatzung, unser Versagen, die Grundversorgung mit Strom und Wasser zu gewährleisten und unsere Gefangenenfolter in Abu Ghraib haben den Irak zu einem Zentrum des Antiamerikanismus werden lassen, das eine neue Generation von Terroristen aus der ganzen Welt rekrutiert.

In Guantanamo werden nach wie vor rund 600 Gefangene aus 40 Ländern festgehalten - ohne Anklage und Anwaltszugang. Jene, die in ihre Heimatländer zurückkehren konnten, bezeugen Bedingungen, die gegen die Genfer Konvention verstoßen bzw. gegen unsere eigenen demokratischen Prinzipien. In den USA läßt der ‘USA Patriot Act’ der Regierung freie Hand, gesetzestreue Bürger zu bespitzeln. Die Beschneidung des Rechts, friedlich zu demonstrieren, spricht unserer verfassungsrechtlich garantierten Rede- und Versammlungsfreiheit Hohn. Gleichzeitig verdüstern vorurteilsbelastete Diskriminierung und Kriminalität (in den USA) das Bild unserer Nation weiter.

Daß dies alles angeblich im Namen unserer am 11. September 2001 getöteten Lieben geschieht, läßt das Leid ihrer unschuldigen Pendants weltweit noch unerträglicher erscheinen.

Wenn im Namen der US-Sicherheit Aktionen durchgeführt werden, die die Welt weniger sicher machen, ist es Zeit, sich erneut den wahren Quellen der Sicherheit, der Freiheit und des Respekts zuzuwenden, die uns früher global zur Verfügung standen. Oder ist die Praktizierung absoluter militärischer Überlegenheit die Quelle unserer Sicherheit und Freiheit? Die Welt in “sie” und “wir” zu unterteilen und ganze Nationen als “böse” zu etikettieren, hat uns das etwa Sicherheit und Freiheit gebracht?

Vor drei Jahren erklärten die Franzosen: “Wir sind alle Amerikaner”, und die Iraner hielten für unsere Toten spontan Kerzen-Mahnwachen ab. Heute ist das Prestige der USA auf dem Nullpunkt, so tief wie nie. Freund und Feind gleichermaßen zittert vor einem amerikanischen Exzeptionalismus, der Amerika antreibt, Präventivkriege zu führen.

Was für ein Beispiel setzen wir, indem wir in einer komplexen Trauersituation zum Mittel der Gewalt greifen? Letzte Woche sahen wir die herzzerreißenden Bilder der gekidnappten und getöteten russischen Kinder. Sie mahnen uns: Unsere Aktionen haben nicht dazu geführt, daß der Terror gegen zivile Populationen - und der 11. September war nicht das erste Beispiel - abnimmt. Im Irak wurden mehr als 40 Zivilisten entführt - aus Ländern wie Japan, Jordanien, Italien, China, der Ukraine, Südkorea, Ägypten, Nepal, Indien, Kenia, den Philippinen, Bulgarien oder den USA - eine Eskalation des menschlichen Leids.

Am 11. September 2002 appellierten wir dringlich an die USA, sich wie ein vollwertiger Teil der Weltgemeinschaft zu verhalten - die internationalen Verträge zu beachten, beim Internationalen Strafgerichtshof mitzumachen bzw. ihn zu unterstützen, die UN-Charta zu achten und in Wort und Tat zu beweisen, daß man sich an die Regeln des internationalen Rechts gebunden fühlt.

Heute wiederholen wir diesen Appell doppelt so laut: Amerika muß wieder Vollmitglied der Weltgemeinschaft werden. In einer immer komplexeren Welt fordern wir, daß nicht länger Krieg einziges - grobschlächtiges - Mittel der US-Außenpolitik ist. Unsere Sicherheit und Freiheit leitet sich nicht von Politikern oder dem Pentagon ab, vielmehr von der Verfassung. Wir appellieren an alle Amerikaner, aufzustehen und die Verfassung gegen die dreifache Bedrohung aus Angst, Lüge und Dummheit zu verteidigen.

Zum Schluß möchten wir sagen, daß diejenigen Menschen weltweit uns Hoffnung geben, deren geschichtliche Erfahrung mit Terrorismus und Krieg sie nicht zu Rächern machte. Vielmehr sahen sie diese Erfahrung als Verpflichtung zur Schaffung einer friedlichen Welt: Gewaltopfer in Israel und Palästina, die Familien der Opfer des Anschlags auf den Nachtclub in Bali, Familienangehörige der Toten von Oklahoma City, Überlebende der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, Überlebende der Bombardierung Guernicas (Spanien) und Dresdens, Terroropfer in Kenia, Tschetschenien, Kambodscha, Südafrika, Nordirland, Bosnien, Sri Lanka, usw..

Durch ihre Versöhnungsarbeit und ihr Zeugnis bewiesen sie: Der Frieden beginnt im Herzen jedes einzelnen Menschen. Wenn die Menschen sich vereinen, haben sie eine unglaubliche Macht zur Weltveränderung. Jeden Tag treffen wir eine Entscheidung: die Welt zu schaffen, in der wir leben wollen - mit unseren Worten und Taten.

Heute ist der Tag, an dem wir allen weltweit, die erkannt haben, Krieg ist nicht die Antwort, die Hände reichen. Heute, drei Jahre nach dem 11. September, treffen wir weiter die Entscheidung, uns für Frieden einzusetzen.

Quelle: ZNet Deutschland vom 13.09.2004. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: Peaceful Tomorrows 9/11/04 Statement .

Veröffentlicht am

13. September 2004

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