Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Kolumbiens Pipeline ist bezahlt mit Blut & Geld

Gewerkschafter als primäres Ziel der von den USA finanzierten 18th Brigade

Von Isabel Hilton - The Guardian / ZNet 22.08.2004

Falls der Frieden - nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs - je nach Kolumbien kommt, für 3 Bürger der ölreichen nordöstlichen Region Arauca an der Grenze zu Venezuela kommt er auf jeden Fall zu spät. Sie wurden am 5. August von der Armee ermordet. Die Männer waren Gewerkschafter. Mit ihnen erhöht sich die Zahl getöteter Gewerkschafter in Arauca auf insgesamt 30 - für 2004. Ich hatte die Männer bei meinem kürzlichen Besuch in Saravena getroffen. Saravena ist eine Kleinstadt in Arauca - mitten im Epizentrum der Regierungs-Sicherheitspolitik. Bewaffnete Soldaten an jeder Straßenecke. Auf einem gerammeltvollen Treffen beschrieben diese Männer und andere Gewerkschafter die Bedingungen, mit denen sie zu kämpfen haben, seit Präsident Alvaro Uribe ihre Region zur Sondersicherheitszone erklärt hat. Panzerfahrzeuge patroullierten am Gebäude vorbei - geradeso, als sollten die Menschen im Innern gewarnt werden, sie alle stehen unter Beobachtung. Man erzählte - von Massenverhaftungen, Entführungen, Einschüchterung, Mord.

Im November 2002 wurden mehr als 2000 Menschen mit Gewehren zusammengetrieben und ins Sportstadium gebracht; dort wurden sie verhört, fotografiert und mit nichtabwaschbarer Tinte markiert. Informanten mit Kapuzen deuteten auf Einzelne, die dann verhaftet wurden. Kodename dieses Massenverstoßes gegen die Bürgerrechte: ‘Heroic Operation’ (heroische Operation).

‘Heroic Operation’ war zwar eine Armee-Operation, jedoch kooperierten auch zivile Behörden: Offizielle aus dem Büro des Generalbundesanwalts stellten umgehend Haftbefehle aus - eher aufgrund von Informantenaussagen als aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen. Von den 2000 Zusammengetriebenen wurden 85 Personen verhaftet. Sie kamen in Haft, wobei einigen gesagt wurde, sie würden freikommen, sollten sie sich als Informanten zur Verfügung stellen.

Nach mehreren Monaten kamen 35 Personen aus Mangel an Beweisen frei. Nach Hause zurückgekehrt, wurden viele von ihnen von paramilitärischen Gruppen mit dem Tode bedroht. Unter den 50, die weiter in Gewahrsam blieben, rund 40 Gewerkschafter. Die Rückkehrer erzählten von Schikanen, die sie erdulden mußten und von einer alarmierenden Zahl toter Zivilisten in Arauca - Menschen in herausragenden Positionen irgendwelcher Art. Lehrer, Gesundheitsarbeiter und Gewerkschaftsaktivisten wurden in erschreckender Zahl getötet. Die letzten Opfer waren 3 prominente Offizielle der lokalen Gewerkschaft. Die Regierung behauptet, es habe sich um Guerilleros gehandelt, dabei standen 2 von ihnen unter dem besonderen Schutz der ‘Inter-Amerikanischen Menschenrechtskommission’.

Warum wurde ausgerechnet Arauca ausgewählt - als Zone “verstärkter” Sicherheit? Ein Grund ist Öl. In Arauca liegt das Ölfeld von Cano Limón, wo 30% der kolumbianischen Ölproduktion gefördert werden. Das Öl wird in einer Pipeline in den karibischen Raum gepumpt. Die Pipeline ist ein Hauptangriffsziel der Guerillagruppen. Ein komplexes Mosaik aus bewaffneten Gruppen - rechte Paramilitärs, die Armee (wobei beide vielfach eng zusammenarbeiten), linke Guerilleros - kämpft um die Kontrolle der lukrativen Pipeline sowie der Kokain-Routen. Der Bürgerkrieg dauert nun schon Jahrzehnte an. In den letzten Jahren ist er allerdings komplexer geworden. Alvaro Uribe wurde gewählt, weil er Sicherheit versprach.

Die Zivilbevölkerung Araucas - Ölarbeiter, Bauern, Gesundheitsarbeiter und deren Familien - sind diejenigen, die die Last des Konflikts zu tragen haben. Vor allem diese Menschen brauchen Frieden. Aber für sie haben sich Uribes Versprechungen als leere Versprechen entpuppt. Die Realität in den Sicherheitszonen legt die Frage nahe: Wessen Sicherheit soll mit den Zonen eigentlich verbessert werden?

Im Arauca-Bezirk liegen 7 Gemeinden. Aber nur über die 3 nördlichen wurde die Sondersicherheitszone verhängt - dort verläuft die Ölpipeline. In den 4 südlichen Gemeinden herrschen die illegalen, extrem rechten, paramilitärischen Gruppen, die dafür berüchtigt sind, die Zivilbevölkerung zu mißhandeln. Diese Gemeinden hat man ausgeklammert. Laut einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs verstoßen die Sicherheitszonen gegen die Verfassung, da sie den Sicherheitskräften außerordentliche Machtbefugnisse geben. Die Fakten vor Ort bleiben davon aber weitgehend unberührt. Die Zonen wurden umbenannt in Rehabilitations- und Konsolidierungszonen - nicht viel mehr als eine Bezeichnungsänderung.

Kolumbien durchlebt harte Zeiten, und die Regierung argumentiert, harte Maßnahmen seien nötig. Offizielle in Schlüsselpositionen, die sich ein Bild über die Wirksamkeit der Maßnahmen machten, verweisen jedoch auf deren Kontraproduktivität. So berichten der kolumbianische Ombudsmann für Menschenrechte und der Generalprokurator nicht nur von einer Zunahme der Menschenrechtsverstöße in Arauca, sondern auch von einer Verschlechterung der Sicherheitslage nach Einrichtung der Sondersicherheitszonen.

Die Zunahme an Mißhandlungen durch Armee und paramilitärische Gruppen ist dokumentiert. Gleichzeitig nahm die Gefahr für Zivilisten durch die Guerilla keineswegs ab. Aus dem Bericht des Generalprokurators für Arauca: “Weder die Verstärkung des Militärpersonals noch die Strategie, Informanten einzusetzen oder die (Strategie) der Bauernsoldaten hat zu den erwarteten Ergebnissen geführt. Im Gegenteil, dies führte zu anderen Schwierigkeiten (wie etwa), daß die Zivilbevölkerung noch größeren Risiken ausgesetzt ist”.

Für die Ölgesellschaften sieht die Sache natürlich anders aus. ‘Occidental Petroleum’, eine Ölfirma, die in Arauca operiert, finanziert die 18th Brigade, eine umstrittene Armee-Brigade. Die 18th Brigade stellt in Arauca den Großteil der Armee. Auch die Regierung der USA finanziert die 18th Brigade - anscheinend läßt es sie kalt, daß die Brigade beschuldigt wird, Verstöße gegen Zivilpersonen zu begehen und mit den Paramilitärs zusammenzuarbeiten.

Im letzten Jahr stellten die USA Kolumbien $99 Millionen zum Schutz der Pipeline zur Verfügung. Diese Summe sollte zwischen der 18th Brigade und einer neuen mobilen Einheit aufgeteilt werden. Zudem entsandte Präsident Bush 60 Mann einer US-Sondereinheit nach Arauca, die die Brigade trainieren soll. Da die Ölgesellschaften und die US-Regierung in dieser Weise in die Aktivitäten der Brigade verwickelt sind, könnten sie uns vielleicht auch Folgendes erklären (was die kolumbianische Regierung nicht schert): Wie kann sich die Sicherheitslage der Menschen in Arauca bessern, wenn die Armee - direkt oder in Kooperation mit paramilitärischen Gruppen - Gesundheitsarbeiter, Gewerkschafter, Lehrer, Journalisten und Menschenrechtsverfechter zum Ziel nimmt und die eingeborene Bevölkerung bzw. Bauerngemeinden in der Umgebung der Pipeline gewaltsam umsiedelt?

Bei einem Treffen vor einem Jahr in London hat der Vizepräsident Kolumbiens eine Absichtserklärung unterzeichnet: eine lange Liste von Empfehlungen der UN-Menschenrechtskommission, die umgesetzt werden sollten. 12 Monate später rapportiert die UN, bei den meisten Empfehlungen seien fast keinerlei Fortschritte erzielt worden, bei manchen habe Kolumbien sogar Rückschritte gemacht. Die Regierung behauptet, die Unterschrift des Vizepräsidenten verpflichte das Land zu nichts - eine Haltung zu Absichtserklärungen, die Kolumbiens Partner sich vielleicht für die Zukunft merken sollten, wenn sie wiedermal mit der Uribe-Regierung zu tun haben.

Uribe verurteilt die Haltung der UN als Fremdeinmischung in kolumbianische Angelegenheiten. Menschenrechtsorganisationen - einschließlich Amnesty International - die gegen die Verstöße der Armee protestieren, wurden vom Präsidenten höchstpersönlich als Terroristensympathisanten bezeichnet. Gleichzeitig aber hofft Kolumbien auf andere Formen der ausländischen Einmischung - Einmischung, die Geld in die Militärschatullen schwemmt (im Falle Großbritanniens durch bilaterale Militärhilfe) - sowie auf Investitionen und Finanzhilfe, ohne daß Fragen gestellt werden. Die Menschen Kolumbiens brauchen Investitionen - aber noch dringender brauchen sie eine Sicherheitspolitik, die tatsächlich ihrer Sicherheit dient.

Quelle: ZNet Deutschland vom 26.08.2004. Übersetzt von: Andrea Noll.

Veröffentlicht am

27. August 2004

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