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Goldgräberstimmung

Westeuropäische Konzerne, darunter insbesondere deutsche Unternehmen, beherrschen die Lebensmittelversorgung in den neuen EU-Mitgliedsstaaten. Die großen europäischen Lebensmittelketten haben ihre “Claims” inzwischen abgesteckt und werden eine weitere Konzentration im Lebensmittelhandel erzwingen. Einheimische Händler geraten dabei ins Hintertreffen und werden verdrängt. Der aggressive Expansionskurs vor allem der deutschen Konzerne stößt in einigen der betroffenen Länder auf hinhaltenden Widerstand.

Da die Konsumflaute auf dem deutschen Markt weiter anhält, setzen die deutschen Handelskonzerne ihre aggressive Expansionspolitik im Ausland fort. Die großen Konzerne investieren nach der EU-Osterweiterung Milliarden in die Eroberung der wachsenden Märkte in den Beitrittsländern, wo einträgliche Gewinnspannen locken. Während die baltischen Staaten bisher relativ unbeachtet blieben, dominieren in Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien bereits westeuropäische Handelsunternehmen die Einzelhandelsmärkte. US-Konzerne sind dort bisher kaum vertreten, deutsche Unternehmen haben führende Positionen inne.

Wer zu spät kommt…

Die Kölner Rewe-Gruppe, seit der Übernahme von Billa, Merkur etc. Marktführer in Österreich, erwirtschaftet in Osteuropa bereits 2,4 Milliarden Euro Umsatz und will ihre Expansion weiter vorantreiben. Der Drogerie-Konzern Schlecker strebt noch in diesem Jahr Niederlassungen in fünf Ländern Niederlassungen an. Der deutsche Discounter Lidl eröffnet immer mehr neue Filialen in Polen, Tschechien und Ungarn sowie demnächst auch in der Slowakei. Lidl nutzt zudem seine starke Stellung in Österreich als Türöffner für den Balkan: Von Salzburg aus wird die Expansion nach Slowenien und Kroatien gesteuert. Auch der führende deutsche Discounter Aldi gibt seine bisherige Zurückhaltung gegenüber Osteuropa auf und prüft derzeit den Einstieg in Polen und Tschechien.

Die deutsche Handelsgruppe Metro AG, die durch ihre aggressive Expansion im Ausland mittlerweile 65 Prozent des Gewinns vor Zinsen und Steuern außerhalb der Bundesrepublik erzielt, ist in den Beitrittsländern bereits stark vertreten. Der Konzern, zu dem die Metro-Großhandelsmärkte, Elektronikmärkte (Media Markt, Saturn), Baumärkte (Praktiker), Kaufhof-Warenhäuser sowie Lebensmittelhändler (Real, Extra) gehören, ist in Polen etwa schon jetzt das größte private Unternehmen. Die Expansion, für die in diesem Jahr wie schon 2003 Mittel von 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden, greift daher weiter nach Osten und Südosten aus. In Russland betreibt der Konzern bereits seit 2001 Großhandelsmärkte und expandiert fortlaufend. Für die Ukraine ist eine Verdoppelung der Investitionen angekündigt, und noch in diesem Jahr will Metro seine ersten Großhandelsgeschäfte in Serbien und Moldawien eröffnen.

Survival of the fittest

Auch in Westeuropa, wo ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb herrscht, expandieren die deutschen Konzerne weiter. Aldi will jetzt in einen der am stärksten abgeschotteten Einzelhandelsmärkte Europas vordringen. In der Schweiz, wo Lidl trotz einiger Versuche noch nicht Fuß fassen konnte, sucht Aldi zur Zeit mit aller Kraft Standorte für 50 bis 60 Märkte. Der Handel in der kaufkräftigen Schweiz wird bisher in hohem Maße von den beiden Ketten Migros und Coop dominiert, die als Genossenschaften organisiert sind und damit nicht übernommen werden können. Lidl hingegen setzt seine Expansion in Skandinavien fort. Nach Schweden und Dänemark sollen im Herbst die ersten Filialen in Norwegen öffnen.

Gegenwehr

In einigen der betroffenen Länder stößt der aggressive Expansionskurs der deutschen Handelskonzerne auf erheblichen Widerstand. In Norwegen sagen Kritiker nach der Etablierung der deutschen Discounterkette Lidl einen Preiskrieg gegen den einheimischen Handel und den Abbau von Arbeitnehmerrechten voraus. In einigen Städten und Gemeinden haben sich bereits Gruppen gebildet, die jegliche Etablierung der Supermarktkette in Norwegen verhindern wollen - notfalls mit Gewalt. In der Slowakei sind ausländische Handelskonzerne erst seit 1999 tätig und teilen sich derzeit 35 Prozent des Marktes. Von den deutschen Unternehmen sind u.a. Metro und Tengelmann vertreten, der Start von Lidl steht unmittelbar bevor. Den großen Rest des Marktes bearbeiten vor allem genossenschaftlich organisierte slowakische Handelsunternehmen, die sich mit Einkaufsallianzen gegen die Konzerne aus Westeuropa wehren. In Indien schließlich, wo Metro zwei Cash & Carry Märkte errichtet hat, demonstrieren Einzel- und Zwischenhändler seit Monaten vor dem Neubau des deutschen Konzerns in Bangalore. “Wir haben die Intensität der Proteste unterschätzt”, musste der Geschäftsführer von Metro Cash & Carry India jetzt zugeben.

Quellen:

  • Konzentration im Lebensmittelhandel im Osten noch gering; Der Standard 19.04.2004
  • Aldi greift in der Schweiz an; Handelsblatt 08.06.2004
  • Jetzt purzeln die Preise in der Schweiz; Tages-Anzeiger 11.06.2004
  • Stagnierender Umsatz in Deutschland. Aldi erwägt Schritt nach Osteuropa; Handelsblatt 21.06.2004
  • Billigdiscounter in Norwegen. Lidl bereitet den Großangriff vor; scanpress.de 30.06.2004
  • Sammenligner Lidl med Saddam; Aftenposten 03.07.2004
  • Indien ist wie Wuppertal. Metro expandiert mit europäischem Konzept auf den Subkontinent; Die Welt 06.07.2004
  • “Lidl ist ein Saddam”; Die Welt 06.07.2004

Quelle: www.german-foreign-policy.com vom 08.07.2004

Veröffentlicht am

08. Juli 2004

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