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Abschiebung um jeden Preis?

Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg kritisiert unmenschliche und rechtswidrige Abschiebepraxis

In den letzten Monaten häufen sich in Baden-Württemberg Abschiebungen, die nur von einer menschenverachtenden Haltung gegenüber Flüchtlingen zeugen. Man gewinnt den Eindruck, dass Art. 1 des Grundgesetzes und Art.6, Abs.1, über den Schutz von Ehe und Familie, für Flüchtlinge nicht gelten. Bei mehreren Abschiebungen aus der letzten Zeit wurden Familien auseinander gerissen, bei denen ein oder mehrere Mitglieder laut ärztlichem Zeugnis psychisch schwer erkrankt waren. Dies widerspricht nicht nur jedem menschlichen Empfinden, sondern auch der gängigen Rechtslage.

Ende letzten Jahres wurde ein Vater mit vier erwachsenen hier gut integrierten Kindern abgeschoben, die traumatisierte und herzkranke Mutter “durfte” hier bleiben. In einem anderen Fall, musste eine Mutter ihre neun Monate und zweieinhalb Jahre alten Kinder zurücklassen, weil für sie noch ein Asylantrag lief und die Beamten erst am Flughafen davon erfuhren. Der psychisch erkrankte Vater, der nicht in der Lage ist, sich um die Kinder zu kümmern, war vorher in die Psychiatrie eingeliefert worden. Die beiden hier gebliebenen Kleinkinder werden zwischen den hier lebenden Verwandten seither hin und her geschoben.

Die Südwestpresse meldete am 22.05.2004 einen weiteren eklatanten Rechtsbruch. Aus Ulm wurde eine Mutter mit drei ihrer Kinder abgeschoben; die 16jährige Tochter, die an Depressionen leidet und wegen akuter Suizidgefahr stationär behandelt wird, blieb mit ihrem Vater zurück. Auch die Mutter ist suizidgefährdet und kann im Kosovo, ihrem Herkunftsland, nicht adäquat behandelt werden. Der die Familie vertretende Rechtsanwalt Christoph Käss hat sofort bei Bekanntwerden der bevorstehenden Abschiebung einen Eilantrag auf Unterlassung der Abschiebung gestellt und dies dem Regierungspräsidium mitgeteilt. Dort wurde ihm mündlich zugesichert, die Abschiebung zu stoppen, wenn er ärztliche Atteste vorlege.

Obwohl dies umgehend geschah, führte das Regierungspräsidium die Abschiebung durch, ohne den Gerichtsbeschluss über den Eilantrag abzuwarten. Das Gericht gab dem Antrag statt und erklärte die Abschiebung für rechtswidrig. Als diese Nachricht eintraf, saß die Mutter mit drei ihrer Kinder bereits im Flugzeug. Das Gericht begründet seine Entscheidung u.a. mit dem grundgesetzlich verbürgten Schutz von Ehe und Familie sowie den ärztlichen Attesten, aus denen hervorgeht, dass die erkrankte Tochter dringend auf die Nähe beider Eltern angewiesen sei. Außerdem sei die Reisefähigkeit der ebenfalls suizidgefährdeten Mutter nicht gegeben. Eine Überprüfung der fachärztlichen Aussagen durch das Regierungspräsidium habe vor der Einleitung der Abschiebung, so heißt es in der Begründung des Gerichtsbeschlusses, nicht stattgefunden. (Siehe “Familie Gashi darf wieder einreisen” weiter unten).

Der Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg ist, wie die Erste Vorsitzende Angelika von Loeper mitteilte, der Auffassung, dass hier mehr als nur das Versagen einzelner Beamter vorliege. Hier sei der politische Wille zu erkennen, Abschiebungen um jeden Preis durchzuführen. Offenbar scheue man bei den Verantwortlichen nicht mehr davor zurück, rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft zu setzen, wenn es darum gehe Flüchtlinge loszuwerden. Dass es in den zitierten Fällen um besonders schutzbedürftige Flüchtlinge gehe, sei äußerst schwerwiegend. Der gerade erschienene Jahresbericht von Amnesty International registriert für die Bundesrepublik “unzureichenden Schutz von Flüchtlingen”. Dafür hat das Regierungspräsidium abermals einen schlagenden Beweis geliefert.

*Presseerklärung des Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg e.V. vom 01.06.2004*

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Familie Gashi darf wieder einreisen

Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg bezeichnet die Rückkehrerlaubnis des Regierungspräsidiums nach Verwaltungsgerichtsurteil als überfällig

Wie in der Südwest-Presse am 22.5.2004 zu lesen war, wurde Frau Gashi mit drei ihrer Kinder abgeschoben und musste die suizidgefährdete 16-jährige Tochter, die sich zur stationären Behandlung im Krankenhaus befindet, mit dem Vater zurücklassen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hatte auf Antrag des Rechtsanwalts die Abschiebung untersagt, doch der Beschluss traf nach Angaben des Regierungspräsidiums erst ein, nachdem die Familie bereits im Flugzeug saß.

Der Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg, der am Dienstag gegen diese unglaubliche Abschiebepraxis in einer Presseerklärung protestiert hatte, nimmt mit großer Erleichterung zur Kenntnis, dass das Regierungspräsidium nun in seiner Pressemitteilung vom 1.6. aufgrund des Gerichtsbeschlusses die vorläufige Wiedereinreise von Familie Gashi gestattet.

Der Argumentation des Regierungspräsidiums, dass Abschiebehindernisse bisher nicht geltend gemacht worden seien, kann der Arbeitskreis nicht folgen. Der Rechtsanwalt der Familie hat rechtzeitig ärztliche Atteste vorgelegt, aus denen klar hervorgeht, dass die erkrankte Tochter dringend die Anwesenheit beider Elternteile braucht. Außerdem hat er darauf hingewiesen, dass auch die Mutter suizidgefährdet ist - ebenfalls ärztlich begutachtet - und dass nach gängiger Rechtslage in solchen Fällen nicht abgeschoben wird.

Es ist zu hoffen, dass nach diesem Vorfall in Zukunft nicht nur rechtliche, sondern auch menschliche Belange bei Abschiebungen größere Beachtung finden und dass es nicht wie bei Familie Gashi beinahe zu einer menschlichen Katastrophe kommt. Für sie muss nun, angesichts der Umstände und nach allem, was ihr widerfahren ist, eine humanitäre Lösung gefunden werden, die ihr erlaubt hier zu bleiben. Das Zuwanderungsgesetz, mit dessen Verabschiedung wohl in Kürze zu rechnen ist, wird hierfür hoffentlich eine rechtliche Grundlage bieten.

Presseerklärung des Arbeitskreis Asyl Baden-Württemberg e.V. vom 02.06.2004

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Regierungspräsidium Tübingen: Familie Gashi darf vorläufig wieder einreisen

Das Regierungspräsidium Tübingen hat entschieden, dass die abgeschobenen Mitglieder der Familie Gashi aus humanitären Gründen vorläufig wieder einreisen dürfen, bis geklärt ist, ob die Behandlung der Tochter Elvira auch im Heimatland möglich ist. Das Innenministerium war in diese Entscheidung eingebunden.

Die 6-köpfige Familie Gashi sollte am 19.05.2004 gemeinsam in das Kosovo abgeschoben werden, nachdem ihre Asylanträge abgelehnt worden waren. Am Tag vor der geplanten Abschiebung wurde der für die Abschiebung zuständigen Bezirksstelle für Asyl in Reutlingen bekannt, dass sich die Tochter Elvira in stationärer Behandlung befindet. Daraufhin wurde dem Vater der weitere Aufenthalt zur Betreuung der Tochter gestattet, während die restlichen Familienmitglieder abgeschoben wurden. Dies ist nach Mitteilung des Regierungspräsidiums gängige Praxis, wenn von einer nur kurzzeitigen Trennung ausgegangen werden kann und wird auch von den Verwaltungsgerichten in der Regel so bestätigt.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, der die Abschiebung der Familie Gashi untersagt, ist bei der Bezirksstelle für Asyl erst eingegangen, als sich das Flugzeug bereits in der Luft befand. Die Abschiebung konnte daher bedauerlicherweise nicht mehr gestoppt werden.

Mit der vorläufigen Rückkehrerlaubnis will das Regierungspräsidium der Familie die Möglichkeit geben, bis zur Entscheidung über mögliche Abschiebungshindernisse für die Tochter Elvira zusammenzubleiben. Das Regierungspräsidium betonte jedoch, dass derartige Abschiebungshindernisse bisher weder von der Familie Gashi noch von ihrem Anwalt in dem dafür vorgeschriebenen Verfahren geltend gemacht wurden und die Bezirksstelle für Asyl daher an die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge getroffene Feststellung gebunden ist, dass Abschiebungshindernisse nicht vorliegen.

Pressemitteilung Regierungspräsidium Tübingen vom 01.06.2004.

Veröffentlicht am

06. Juni 2004

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