Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Lebenshaus fordert: Keine Abschiebung von Flüchtlingen in den Kosovo

Das Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V. appelliert in einem Schreiben vom 18.04.2004 an die Innenminister von Bund und Länder, Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo angemessenen Schutz zu gewähren. Beim Lebenshaus weiß man aufgrund des engen Kontaktes zu Ashkali-Familien, die aus dem Kosovo geflohenen sind, um deren Verfolgung sowie um die Ängste von hier lebenden Flüchtlinge vor Abschiebung. Am 24. Mai 2004 kam eine Antwort aus dem Bundesministerium des Innern, immerhin persönlich geschrieben bzw. unterzeichnet von der Parlamentarischen Staatssekretärin Ute Vogt. Nachfolgend werden beide Schreiben dokumentiert

Schreiben des Lebenshauses an Bundesinnenminister Schily vom 18.04.2004

Herrn Bundesminister
Otto Schily
Alt-Moabit 101 D
10559 Berlin

Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister Schily,

wir appellieren an Sie, Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo angemessenen Schutz zu gewähren. Nach den jüngsten Gewaltausbrüchen sind Minderheitenangehörige im Kosovo weiterhin an Leib und Leben gefährdet. Eine Zwangsrückkehr kann das höchst zerbrechliche ethnische Gleichgewicht aufs Spiel setzen und die Gefahr neuer Auseinandersetzungen erhöhen.

Wir fordern deshalb die Innenminister von Bund und Ländern auf, den Aufenthaltsstatus der betroffenen Angehörigen von Minderheiten aus dem Kosovo angemessen zu regeln. Dies gilt auch für abgelehnte Asylbewerber. Die Voraussetzungen für eine Rückführung ethnischer Minderheiten in den Kosovo sind auf absehbare Zeit nicht gegeben. Deshalb müssen diese Flüchtlinge ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten und dürfen nicht unter der ständigen Angst einer Abschiebung sowie von sozialer Ausgrenzung leben.

Nach Berichten etwa des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) und von Friedens- und Menschenrechtsorganisationen wie etwa Pax Christi sind die schweren Sicherheitsvorfälle im Kosovo die schlimmsten ethnisch motivierten Auseinandersetzungen seit 1999 gewesen. Sie haben eine verheerende Bilanz hinterlassen: 20 Tote, mehr als 1.000 Verletzte sowie die systematische Zerstörung öffentlichen und privaten Eigentums, der auch Kirchen und Klöster zum Opfer fielen. Zudem sind insgesamt 4.000 Kosovo-Serben, Ashkali, Roma sowie Angehörige anderer Minderheiten aus ihren Heimatorten vertrieben worden.

Als Lebenshaus Schwäbische Alb e.V., das selber in engem Kontakt mit Angehörigen ethnischer Minderheiten steht, machen wir uns insbesondere um Angehörige der Minderheit der Ashkali Sorgen. Ashkali, die noch im Kosovo geblieben waren, fühlen in einer Falle: Im Kosovo können sie nach ihren Angaben nicht bleiben. Zu tief sitzt das Trauma von ständiger Missachtung und von zwei gewaltsamen Vertreibungen und Enteignungen in fünf Jahren. Sie können auch nicht nach Serbien oder Montenegro umgesiedelt werden. Dort würden sie mit ihrer albanischen Muttersprache und ihrer albanischen Akkulturation als Albaner abgelehnt werden, wie die Unruhen in Subotica und Novi Sad aufzeigten. Auch ein anderer Ort im Kosovo ist ihnen nicht mehr zumutbar. In Serbien und Montenegro haben sie ebenfalls keine Perspektive.

Auch die Minderheit der Roma hat im Kosovo keine Zukunft und muss schnellstens vor der extremistischen Mehrheit der Albaner in Sicherheit gebracht werden. Angehörige von Ashkali und Roma müssen deshalb dringend in einem Land der EU Aufnahme finden. Wir fordern die Innenminister auf, dass sich Deutschland dafür bereit erklärt.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Schmid (Geschäftsführer)


Antwortschreiben aus dem Bundesministerium des Innern vom 24.05.2004

Sehr geehrter Herr Schmid,

vielen Dank für Ihr an Bundesminister Schily gerichtetes Schreiben vom 19. April 2004, in dem sie unter Hinweis auf die März-Unruhen im Kosovo darum bitten, den Angehörigen von ethnischen Minderheiten ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu geben. Herr Minister hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.

Auch hier sind die Ereignisse im Kosovo, die sich vorrangig gegen die serbische Minderheit gerichtet haben, mit großer Sorge verfolgt worden. Unmittelbar nach den Vorfällen hatte die UN-Verwaltung des Kosovo (UNMIK) danach sämtliche Rückführungen von aus dem Kosovo stammenden Flüchtlingen bis zum 15. April 2004 ausgesetzt. Kosovo-Albaner können seitdem wieder zurückgeführt werden. Minderheitenangehörige - und somit auch Angehörige der Ashkali - bleiben dagegen bis auf weiteres von Rückführungen ausgenommen. Wegen der weiteren Entwicklung der Situation hält die Bundesregierung den Kontakt zu UNMIK.

Grundsätzlich ist die Rückführung von Minderheitenangehörigen in das Kosovo in einem zwischen Bundesminister Schily und dem UN-Sonderbeauftragten für das Kosovo unterzeichneten Memorandum of Understanding vom 31. März 2003 geregelt.

Nach dieser Vereinbarung sind Angehörige der Roma und Serben bis auf weiteres von Rückführungen ausgenommen. Für die Rückführung anderer Minderheitenangehöriger wurde u.a. eine individuelle Prüfung der Sicherheitssituation der Betroffenen durch UNMIK vereinbart, so dass Rückführungen in jedem Einzelfall der vorherigen Zustimmung durch UNMIK bedürfen.

Zu Ihrem Anliegen einer auf Dauer angelegten Aufnahme von Minderheitenangehörigen aus dem Kosovo in Deutschland möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die Innenministerkonferenz hat wiederholt und zuletzt auf ihrer Sitzung im Mai 2003 betont, dass ein dauerhaftes Bleiberecht für Minderheiten aus dem Kosovo ausgeschlossen ist. Die Beschlusslage gilt unverändert fort.

Mit freundlichen Grüßen
Ute Vogt


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Veröffentlicht am

19. April 2004

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