Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Wird Friede wirklich ernsthaft gewollt?

Von Ron Kraybill*

Politische Führer, die sich für den Krieg aussprechen, verkünden auf der anderen Seite oft ihre Sehnsucht nach Frieden. Sie sagen, daß sie leider dazu genötigt sind Krieg zu führen, weil sie keine anderen Alternativen mehr sehen. Können wir denen vertrauen, die rufen “Friede, Friede, aber zuerst müssen wir deswegen Krieg führen”?

Hier sind vier Möglichkeiten, mit denen sie unser Vertrauen gewinnen könnten:

1. Verpflichtung zur einfühlsamen Hinwendung zu ihren “Feinden”

Pfarrer Brian McLaren schlägt vor, daß unser Präsident die Zahl der Toten unserer Feinde bekannt gibt. Nicht als Zeichen des Sieges sondern um damit zu zeigen, wie hoch die Kosten des Krieges sind. Weiter schlägt Pfr. McLaren vor, daß wir uns verpflichten sollten, je 2 Dollar an Wiederaufbaukosten im Feindesland zu zahlen für jeden Dollar Schaden, den wir dort mit unseren Waffen angerichtet haben.

Wir werden dann feststellen können wie ernsthaft es unsere Führer mit dem Frieden meinen, wenn sie mehr Geld ausgeben, um den Feinden beim Wiederaufbau zu helfen, als was sie bezahlt haben, um diese zu zerstören.


2. Investiert in Friedenseinrichtungen

Die Menschheit hat bis jetzt mehr Geld investiert, um Kriege vorzubereiten, als in andere Aktivitäten. Wir wissen, daß Erfolg bei der Kriegsführung folgendes bedeutet: lange Vorbereitungszeit und ständiges Üben. Wir bezahlen Unsummen um Soldaten anzuwerben, sie auszubilden und um Arsenale von Waffen anzulegen. Und so bekommen wir das, für das wir bezahlt haben: Krieg.

Wenn wir es mit Frieden ernst meinen, dann investieren wir darin. Und zwar auch massiv.

Heutzutage wissen wir soviel mehr über die Ursachen von Gewalt, als das noch vor 50 Jahren der Fall war. Wir wissen auch, wie wir Gewalt verhindern und wie wir Strategien für Friede und gewaltfreie Veränderung entwickeln können. Wir wissen jetzt auch, wie man Brücken zwischen verfeindeten Gemeinden und Gruppen bauen und wie man den FriedensarbeiterInnen Unterstützung und Ermutigung geben kann.

Auch wissen wir, wie unnötige Mißverständnisse zu verhindern sind. Uns ist klar, wie man Fähigkeiten und Verhaltensweisen erwerben und lehren kann, die die Zusammenarbeit fördern können und zwar langfristig.

Wir wissen auch, wie wir unserem Standpunkt treu sein können, ohne daß wir unsere Wertvorstellungen dem billigen Kompromiß opfern müssen.

Seit mehr als 25 Jahren haben Millionen Menschen erfahren und bezeugen können, daß solche Fähigkeiten und solches Wissen helfen können, damit Friede auch in hoffnungslosen Situationen möglich wird z.B.: in Nordirland, Südafrika, Sri Lanka und 0steuropa.

Das gilt aber auch für Kirchen, die untereinander im Konflikt sind, Organisationen und Gemeinschaften in den USA und überall sonst in der weiten Welt.

In all diesen Situationen haben Menschen über lange Zeit hinweg daran gearbeitet, friedliche Veränderungen zu schaffen. Wenn wir die Zahl der ausgebildeten Friedensleute zehn- oder gar hundertfach multiplizieren könnten und auch die Gelder dazu hätten, um sie zu bezahlen, dann würde Friede zu einer Realität werden und nicht ein Traum bleiben.

Wir werden dann wissen, daß die Führer es ernst nehmen mit dem Wunsch nach Frieden, wenn sie zu jedem Dollar, den sie zur Vorbereitung von Kriegen verwenden, einen weiteren ausgeben, um damit humanitäre Hilfe zu bezahlen und Institutionen zu finanzieren, die Friedensarbeiter ausbilden.


3. Handle innerhalb eines Zeitplans “Frieden” anstelle eines Zeitplans “Krieg”

Der Zeitplan “Krieg” ist immer sehr kurz bemessen, hat ein begrenztes Ziel und vergreift sich oft im Ton, z.B. “Gebt uns was wir fordern und zwar sofort!!”

Kriegsbefürworter sind davon geprägt, den Feind zu zerstören und ignorieren die auf lange Zeit zu bezahlenden Kosten eines Krieges. Sie denken auch nicht daran, das notwendige Handwerkzeug und die entsprechenden Menschen zur Verfügung zu stellen, die eine gute Basis für einen gerechten Frieden aufbauen können, nachdem der Feind ausgeschaltet wurde.

Sie nehmen an, daß sie das Resultat eines Krieges vorhersehen können und bestätigen Zweiflern gegenüber, daß die guten Resultate bei weitem alles Negative überwiegen werden.

Die meisten Kriege jedoch verursachen viel mehr Schaden als daß sie Gutes hervorbringen. Eine Seite gewinnt, niemals zwei. Das bedeutet, daß zumindest die Hälfte derer, die am Krieg beteiligt sind, in ihrem Glauben enttäuscht werden, daß der Krieg ihnen Gutes bringen wird. Aber auch die Gewinner haben meistens Entsetzliches zu durchleiden.

Friede ist das Ergebnis eines komplexen Gewebes von zwischenmenschlicher Zusammenarbeit in vielen Bereichen: Ökonomie, soziale Beziehungen, Politik, Wissenschaften usw. Solche Gewebe zusammenzufügen braucht Zeit, sie können nicht in einer Woche oder innerhalb eines Jahres geschaffen werden.

Mein Kollege Jean-Paul Lederach bemerkt: “Es kann genau so lange dauern aus einem Konflikt wieder herauszukommen, wie es gedauert hat, in diese Konfliktsituation zu kommen.”

Gläubige Menschen können die Geschichte durch die Sichtweise Gottes sehen. Aus dieser Sicht heraus berechnen wir die Zeit in Generationen und Jahrhunderten. Wir sind skeptisch gegenüber Strategien, die uns Veränderungen verheißen, die durch eine sogenannte Abkürzung genannt Krieg angepriesen werden.

Wenn unsere Führer uns zeigen, daß sie bewußt sind, wie immens teuer ein Krieg ist und wie gefährlich und sie uns beweisen, daß sie in Geduld nach Frieden suchen, dann können sie mit unserem Vertrauen rechnen.


4. Erweitere die Aufmerksamkeit auf das Wohlbefinden aller Menschen und nicht nur derer, die im eigenen Land leben

Der Aufruf, sich um andere zu kümmern, eben auch um die Feinde und Fremden, ist seit Jahrtausenden im Christentum, Judentum und Islam eine wesentliche Sache. Auch heute weisen uns ganz pragmatische Punkte in dieselbe Richtung.

Zwei Menschen, die jeweils alleine an den gegenüberliegenden Enden einer Insel wohnen, können einander ignorieren, ohne sich im Wege zu stehen. Wenn fünfzig Menschen auf dieser Insel leben, dann wird es schon schwierig damit. Fünfhundert haben keine andere Wahl als gemeinsam daran zu arbeiten, wie sie ihre Bedürfnisse so regeln können, damit alle in Frieden leben können.

Wir Menschen von heute sind die Insel der 500. Unsere Bevölkerung hat sich vermehrt. Unsere Waffen sind so klein, so billig geworden und so einfach zu transportieren, daß einige wütende Menschen Tausende vernichten können. Dieser Trend wird sich noch verschlimmern bis wir zu dem Punkt kommen, daß wir uns als eine Familie sehen, wo jede/r vom anderen abhängig ist.

Wir werden wissen, daß es unsere Führer ernst meinen mit dem Frieden, wenn ihre Reden, ihre Strategien und ihre Budgets auch die Menschen und deren Bedürfnisse einschließen, die auf der anderen Seite des Erdballs wohnen und sie sogar so wichtig nehmen wie die ihrer eigenen Bevölkerung.

Wie werden wir wissen, daß die einfachen Menschen es ernst nehmen mit dem Frieden?

Es zeigt sich daran, daß sie darauf drängen, daß ihre Führer solche Schritte unternehmen wie hier geschildert. Damit legen sie dann den Grundstein für den Frieden, in dem ihre Kinder leben werden.

* Ron Kraybill, ist US-Amerikaner, Jurist, Mediator und Mitglied der Mennoniten. Dieser Text wurde bereits im Februar 2003 geschrieben. Übersetzung: Traude Rebmann, Januar 2004.

Veröffentlicht am

23. Januar 2004

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