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Bundesinnenminister präsentiert Asylstatistik - PRO ASYL: Ergebnis von Abschottungspolitik und Erledigungsdruck

PRO ASYL: “Quantitätsoffensive statt sorgfältiger Umgang mit dem Einzelfall”

Bundesinnenminister Schily plant eine Zukunft ohne Flüchtlinge. Diese Kritik übt PRO ASYL anlässlich der Vorstellung der Asyljahresstatistik durch den Bundesinnenminister am heutigen Tage.

Die niedrigen Zugangszahlen von Asylneuantragstellern (50.563) spiegeln nach Auffassung von PRO ASYL die Tatsache, dass Deutschland sich im Gleichschritt mit Westeuropa mit zunehmender Effektivität gegen das weltweite Flüchtlingselend abschottet. Zwar seien auch die Regimewechsel in den bisherigen Hauptherkunftsstaaten Irak und Afghanistan ein Grund für zurückgehende Flüchtlingszahlen. Angesichts der Tatsache, dass über 90 % der Flüchtlinge in der Welt oftmals perspektivlos in den Flüchtlingslagern in der Nachbarschaft ihrer Verfolgerstaaten lebten, ist jedoch unverkennbar, dass Deutschland und die Europäische Union inzwischen ihre Verantwortung zunehmend in einer Kombination aus Fluchtverhinderung, Scheckbuchpolitik und militärischem Interventionismus sehen.

Die seit Jahren sinkenden Flüchtlingszahlen hätten dazu führen können, dass die Qualität des Asylverfahrens sich hierzulande drastisch verbessert. Stattdessen hat es beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Jahr 2003 eine Politik des verstärkten Personalabbaus, verbunden mit erhöhtem Erledigungsdruck auf die Einzelentscheider gegeben. Dies hat der Qualität der Entscheidungen geschadet. Statt individueller Asylprüfung vor dem Hintergrund der veränderten Situation wurden zum Beispiel im Fall afghanischer Asylantragsteller standardisierte Textbausteine aneinandergereiht. Die Entscheidungspraxis des Bundesamtes zu Afghanistan lässt sich auf den Punkt bringen: Zumindest in Kabul kann jeder leben.

Tschetschenischen Flüchtlingen, die aus einer Situation am Rande des Völkermords fliehen, wird regelmäßig die inländische Fluchtalternative in anderen Teilen der Russischen Föderation nahegelegt. Auch Widerrufsverfahren werden überhastet und ohne ausreichende Prüfung der Frage, ob sich die Sachlage tatsächlich geändert hat, eingeleitet.

Bundesinnenminister Schily will offenbar durch verschärften Druck auf höhere Asylentscheidungszahlen vor dem möglichen Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes Fakten schaffen und beim Bundesamt Kapazitäten freimachen für zukünftige Aufgabenbereiche. “Vor dem Hintergrund von Schilys Quantitätsoffensive verkommt die Kernaufgabe des Amtes, die Prüfung des Einzelschicksals, zum bloßen Hantieren mit Textbausteinen”, so Bernd Mesovic, Referent von PRO ASYL. Das Bundesamt arbeitet aufgrund der politischen Vorgaben unterhalb des erreichbaren Niveaus. Ein eklatantes Beispiel: Da bei der Prüfung der Fluchtgründe die Glaubhaftigkeit der Asylantragsteller die zentrale Rolle spielt, sollte die Asylentscheidung von der Person getroffen werden, die den Flüchtling auch angehört hat.

Tatsächlich werden zunehmend Anhörungsprotokolle wahllos an Außenstellen des Bundesamtes versandt und dort von Entscheidern bearbeitet, die gerade Zeit haben. Sie müssen sich aus einem - oftmals nicht optimal erstellten - Protokoll eine Meinung zur Glaubhaftigkeit der Asylbewerber bilden, ohne die Betroffenen jemals gesehen zu haben. So führen die Möglichkeiten des elektronischen Aktenversandes und die angeblichen Sachzwänge des Amtes zu schematischen Entscheidungen, bei denen der Einzelfall aus dem Blick gerät.

PRO ASYL erwartet vom Präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ein Bekenntnis zur Qualität - ggf. gegen den Bundesinnenminister. Das Bundesamt ist nicht Otto Schilys Vorzimmer.

Quelle: PRO ASYL - Presseerklärung vom 16.01.2004

Veröffentlicht am

20. Januar 2004

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