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Jod und Katastrophenschutz bei atomaren Unfällen

Um AnwohnerInnen von Atomkraftwerken bei einem Terrorangriff oder Störfall zu schützen, werden zur Zeit 137 Millionen Kaliumjod-Tabletten angeschafft. Das Bundesumweltministerium hat einen Bericht des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” vom 10.01.2004 ( “Deutsche Energieversorger kaufen 137 Millionen Jod-Pillen für Anwohner von Kernkraftwerken” ) inzwischen bestätigt.

Die unter Federführung des Ministeriums für 2,8 Millionen Euro gekauften Pillen sollen veraltete Jod-Tabletten ersetzen. Würden sie rechtzeitig eingenommen, würden sie im Notfall verhindern, dass die Schilddrüse radioaktive Stoffe aufnimmt.

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte, dass es sich dabei um eine ganz normale Vorsorgemaßnahme handle, der nichts mit der aktuellen Terror-Bedrohung zu tun habe. Die Betreiber der Atomkraftwerke seien dazu verpflichtet. Die alten Tablettenbestände müssten regelmäßig erneuert werden. -Der “Spiegel” schreibt weiter, dass der Bund außerdem sieben Zentrallager für die Jodtabletten aufbauen wolle, aus denen die Bevölkerung in 25 bis 100 Kilometer Umkreis eines Atomkraftwerks versorgt werden könne.

Der größte Teil der neuen Tabletten soll laut “Spiegel” an die Ländern übergeben werden, in denen die 13 deutschen Atomkraftwerke stehen. Die Länder sind für die Versorgung der Bevölkerung im Umkreis von 25 Kilometern um die Atomstandorte zuständig.

Doch die Länder können sich nicht einigen, wie die Verteilung laufen soll. Schleswig-Holstein und Hessen wollen zumindest im Umkreis von zehn beziehungsweise fünf Kilometern AnwohnerInnen vorab versorgen. Bayern und Niedersachsen wollen keine Verteilung vor einem etwaigen Unglück, Baden-Württemberg hat sich noch nicht entschieden. Unter anderem wird bei einer Verteilung zum jetzigen Zeitpunkt eine Panik unter der Bevölkerung befürchtet. Einem bayerischen Beamten schwant bereits: “Da denken doch sofort alle an Bin Laden”, an Terrorkrieger und Todesflieger!

Nachfolgend eine Stellungnahme der Ulmer Ärzteinitiative vom 11.01.04:

Kann uns Jod vor allen atomaren Gefahren schützen? - NEIN, es gibt keine “Strahlenschutztablette”

Bei einer Atomkatastrophe, die Gesundheit und Leben unzählig vieler Menschen bedrohen kann, ist eine Einnahme von hochdosierten Jod trotzdem sinnvoll. Jod kann aber nur vor einer einzigen unter vielen möglichen Erkrankungen schützen, dem Auftreten von Schilddrüsenkrebs. Der Schutz gelingt aber nur, wenn das Jod hochdosiert und rechtzeitig vor dem Eintreffen der radioaktiven Wolke eingenommen wird. Eine spätere Einnahme ist sinnlos und kann sich sogar in das gefährliche Gegenteil umkehren.

AKW-Betreiber, Bund und Länder in der BRD lagern aber das notwendige hochdosierte Jod nur zentral und unter Verschluss. Das Jod soll erst im letzten Moment an die Bevölkerung abgegeben werden. Dies mag zwar für die Atomindustrie kostengünstig und psychologisch willkommen sein. Dadurch wird aber ein effektiver Schutz für die betroffene Bevölkerung verhindert.

Warum ist die Jodabgabe in Deutschland nicht so, wie in Österreich geregelt? In unserem Nachbarland wird hochdosiertes Jod schon seit Jahren vorverteilt und kann so im Ernstfall rechtzeitig eingenommen werden. In Österreich betreibt man zwar kein einziges Atomkraftwerk zur Stromgewinnung, schützt sich aber effektiv mit Jod vor den Gefahren der Atomkraftwerke aus den Nachbarländern.

Nach dem aktuellen Atomgesetz dürfen in Deutschland immer noch über Jahrzehnte Atomkraftwerke betrieben werden. Die aktuell geltenden Regelungen zum Katastrophenschutz können bei einem atomaren Unfall nicht funktionieren. Selbst die einfachsten und billigsten Massnahmen, wie die vernünftige Vorverteilung von Jodtabletten sind nicht ausreichend vorbereitet. Zwar könnte eine rechtzeitige Einnahme von Jod zumindest das Auftreten von Schilddrüsenkrebs verhindern, aber: Hochdosiertes Jod war und ist nicht rechtzeitig für alle verfügbar.

Für die Kosten dieser Maßnahmen gilt das Verursacherprinzip. Wer als Wirtschaftsbetrieb Strom mittels Atomkraft erzeugt und dabei die Bevölkerung mit dem Risiko der Gefahr von Leib und Leben aussetzt, muss auch die Kosten für die notwendigen Vorsorgemaßnahmen tragen. Die Bundesregierung hat dieses Problem aus Rücksicht auf die Atomkraftwerksbetreiber jahrelang vor sich hergeschoben.

Um darauf aufmerksam zu machen, startete die IPPNW im Jahr 2002 eine Postkartenaktion, bei der Herr Bundeskanzler Schröder mit dem Aufruf - “Gerhard gib uns unser Jod” - aufgefordert wurde, sich für eine bundesweit ausreichende Jodversorgung für den Notfall zu engagieren. In einer Briefaktion an die Ärztekammern wurde versucht, Problembewußtsein dafür anzuregen.

Zwar wurden jetzt zumindest für die Menschen in der näheren Umgebung der Atomkraftwerke neue Jodtabletten bestellt, aber selbst nach der geplanten Auslieferung im Herbst 2004 werden die Tabletten weiterhin nur zentral gelagert und unter Verschluß gehalten und würden die betroffenen Menschen im Ernstfall zu spät erreichen.

Dabei darf nicht vergessen werden:

Es gibt keine “Strahlenschutztablette”, die uns vor allen atomaren Gefahren schützen kann. Jodtabletten können uns nur vor einer einzigen Erkrankung, dem Schilddrüsenkrebs schützen - und das nur bei rechtzeitiger Einnahme vor dem Eintreffen einer radioaktiven Wolke. Der einzig wirklich wirksame Schutz vor allen atomaren Gefahren ist das sofortige Abschalten der Atomreaktoren.

Quelle: Ulmer Ärzteinitiative vom 11.01.2004. Auf der Website der Ulmer Ärzteinitiative finden sich auch viele weiterführende Links.

Auswahl von Artikeln zum Thema auf der Lebenshaus-Website:
- Jod-Tabletten fürs Volk - ein Placebo gegen AKWs
- BUND veröffentlicht GRS-Gutachten zu Terrorgefahren für Atomkraftwerke
- Drei Szenarien beschreiben die Gefahr der Atomkraft

Veröffentlicht am

12. Januar 2004

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