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Warum sie uns hassen

Von Paul Street - ZNet 23.09.2003

Vor einem Jahr schrieb ich einen ZNet-Artikel, ursprünglich mit dem Titel: ‘All About US: Missing Persons in the Great Iraq War Debate’. These meines Commentaries: Die Kontroverse der Mainstream-Medien (im Herbst 2002) über die offensichtliche Entscheidung des Weißen Hauses, in den Irak einmarschieren zu wollen (heute wissen wir, Bush war schon im April 2002 mit von der Kriegs-Partie) wird mit schockierend engstirnigen moralischen Maßstäben geführt. Ich argumentierte: “Wie nicht anders zu erwarten von einer Nation, deren ‘Führer’ in den 60ger und 70ger Jahren Millionen Südostasiaten ermordeten - eine Nation, die öffentlich nach wie vor nur davon besessen ist, was der Vietnam-Krieg der eigenen nationalen Psyche angetan hat -, dreht sich auch in dieser Debatte ziemlich alles um uns. Es ist öffentlich zulässig zu diskutieren, wie das Ganze unseren eigenen Interessen schadet oder unserem Image und unserer Weltagenda oder wie es sich negativ auf das neue Amerikanische Jahrhundert auswirkt”. Aber keiner der Leute, so meine Argumentation damals, die sich innerhalb der Grenzen der offiziellen, ‘verantwortlich geführten’ Debatte bewegen, scheint sich darum zu scheren, dass der geplante Schlag, die geplante Invasion, aller Wahrscheinlichkeit nach unzählige Menschen töten, verstümmeln oder gesundheitlich schädigen wird. Vor dem “Krieg” ging man (diesbezüglich) von mehreren zehntausend irakischen Männern, Frauen und Kindern aus.

Um auf UnS zurückzukommen

Heute, 5 Monate nachdem Bush aus einem Jetfighter stieg, um das “Ende der Hauptkriegshandlungen” zu verkünden, tut es gut zu sehen, dass die Zustimmungsrate für den Präsidenten massiv abgesackt ist - seine Irakpolitik wird zunehmend als gescheitert betrachtet. Und auch schön zu sehen, dass ein immer größerer Teil der US-Bevölkerung gegen die Invasion ist. Das geht so weit, dass 6 von 10 Amerikanern Bushs landesweit ausgestrahlte Bitte um $87 Milliarden für die Nachkriegszeit abgelehnt haben. Wichtig und nützlich auch jene ernstzunehmende Kritik des US-Establishment, die der Krieg erzeugt hat.

Entscheidende Sektoren des Establishments haben das Grundprinzip der ebenso radikalen wie abenteuerlichen Politik Rumsfelds und Wolfowitz ja noch nie akzeptiert. Dennoch sollte man sich den anschwellenden Chor der Mainstream-Kritik inhaltlich etwas genauer ansehen. Er wird ganz sicher die Rhetorik des Wahlkampfs der Demokraten im Jahr 2004 beeinflussen. Die amerikanische Irak-Politik sei aus dem Grund falsch, so die Kritiker, weil sie nicht das halte, was man Amerika und dem amerikanischen Volk versprochen habe. Diese Politik, so der - erlaubte - Protest, sei dazu angetan, Amerikas Image im Ausland zu beschädigen, sie mobilisiere die Weltmeinung gegen die USA. Diese Politik sei zudem schuld an zuvielen amerikanischen Opfern, und sie steigere das Risiko der Amerikaner, Opfer von Terrorattacken zu werden. Diese Politik überfordere die US-Streitkräfte und lenke sie von den wirklichen Bedrohungen ab - siehe Al Kaida oder das nukleare Nordkorea, und, so maßgebliche Kritiker, sie koste die amerikanischen Steuerzahler zuviel - Finanzmittel die von dringenden sozialen Aufgaben im eigenen Land abgezogen würden. Unsere Irak-Politik bringe die Stabilität der globalen ökonomischen und geopolitischen Beziehungen durcheinander - das könne nicht gut sein für (angebliche) amerikanische Interessen. Diese Politik verstärke auch das endemische Misstrauen der Amerikaner gegenüber ihrer Regierung und ihren gewählten Vertretern - Grund: die offensichtlich gefälschten Prämissen (Riesenhoax der Massenvernichtungswaffen und damit zusammenhängend die vorgetäuschte Verbindung zwischen Saddam Hussein, dem 11. September und Al Kaida). Und ein immer wiederkehrendes Thema der - erlaubten - Mainstream-Kritik: Es wird unterschieden zwischen der angeblich effizienten und sauberen Militäroperation im März, die den Regimewechsel (im Irak) erzwang und dem Fehlplanungs-Chaos plus hohem Blutzoll danach in der Okkupation.

Würdige und unwürdige Opfer

Sie zählt, offensichtlich, überhaupt nicht, die hohe Zahl ermordeter oder verstümmelter Irakis (während ihrer “Befreiung” in der in Wirklichkeit blutigen Phase der “Hauptfeindseligkeiten”). Der IBC (‘Iraq Body County’, www.iraqbodycount.org ) hat das sehr genau untersucht/berichtet: Es gab im Irak-“Krieg” mindestens 20.000 verletzte irakische Zivilisten - ganz zu schweigen von 7.798 getöteten irakischen Zivilisten. “Achttausend dieser Verletzungen”, so IBC, “kamen in Bagdad vor, was den Schluss nahelegt, dass das volle Bild bezüglich der ländlichen Regionen erst später sichtbar wird.” Im IBC-Datenmaterial finden sich über 300 veröffentliche Presseberichte. Das Material handelt aber ausschließlich von Zivilisten. Man hat keinen Versuch unternommen, auch die unbekannte Zahl (toter) irakischer Wehrpflichtiger zu ermitteln - darunter viele Teenager. “So sicher wie die Hölle haben die nicht gedacht, das könnte sie treffen”, so ein Colonel der US-Marines: Onkel Sams Kriegsmaschinerie wurde auf sie losgelassen, bemannt mit Leuten, die sich im Irrtum befanden, sie könnten im Irak den 11. September rächen.

Nur ein kleiner Teil der US-Bürger weiß grob, wieviele Iraker bei Amerikas Invasion getötet oder verletzt wurden. Das Pentagon bezeichnet die Statistik als “irrelevant” - “wir zählen die Opfer auf irakischer Seite nicht” - und die Medienseite pariert. Ebenso unsichtbar die Gesichter, Lebensgeschichten und Namen der getöteten Iraker, der Verstümmelten und derer, die mit dem Tod oder der Verstümmelung geliebter Angehöriger umgehen müssen - Menschen, die amerikanischen Waffen des Guten in die Quere kamen.

Kürzlich brachte Newsweek eine Titelgeschichte / Sonderreportage mit einer genauen Liste (plus Kurzbiografien) aller 433 Amerikaner, die nach dem 11. September im “Krieg gegen den Terror” starben. Auf der Liste stehen sowohl die Namen der Soldaten “die auf den Schlachtfeldern Afghanistans oder Iraks getötet wurden” als auch die der Zivilisten, die auf Bali, in Jerusalem oder im UN-Hauptquartier in Bagdad starben. Der Report veröffentlicht Fotos und ausführliche Reportagen über mehrere ausgewählte Opfer bzw. Angehörigenfamilien. Ein Sonderteil befasst sich speziell mit Ehefrauen und Kindern - wie sie mit dem Verlust kämpfen, den der “Krieg” ihnen bereitet hat. Irritierenderweise übernimmt Newsweek hier ganz bereitwillig die fälschliche Vermengung des Weißen Hauses: “Krieg gegen den Terror” und Irak-Invasion. Das Magazin fällt auf die Orwellsche Kampagne der Administration herein, den 11. September / Al Kaida im öffentlichen Bewusstsein mit Saddam in Verbindung zu bringen. Durchaus angemessen andererseits, dass Newsweek die Aufmerksamkeit auf Menschen lenkt, die unter schrecklichen Umständen starben - Umstände, für die sie sicher kaum etwas können.

Auf der anderen Seite verweigern die dominanten Medien der USA diese sensible und persönliche Art der Berichterstattung bzw. der Ehrerbietung den unschuldigen irakischen Opfern des US-Kriegs. Keine einzige Titelseite eines amerikanischen Highprofile-Magazins, die etwa die frischgebackenen irakischen Witwen zeigt, wie sie ihre Babies an sich drücken - Babies, die ihre Väter nie kennenlernen werden, dank Amerikas Entschlossenheit, die Welt mit militärischer Gewalt zu beherrschen.

Und keine herzerschütternde Story über eines der 1.000 irakischen Kinder, verstümmelt durch spätzündende Cluster-Bomblets. Wir werden nie erfahren, welche Träume, welche Hoffnungen Dua Raheen, 6, bewegten; sie starb am 6. April - als Folge der kriminellen US-Aggression in Karbala. Wir erfahren nichts über den Schmerz der Eltern des zehnjährigen Iyed Hamoodi, den dieselben Staatsverbrecher am 5. April in Basra töteten. Wir wissen auch nichts über die Umstände, unter denen die achtjährige Fateha Ghazzi ihr Leben verlor. Sie starb bei amerikanischen Aktivitäten im Nahrawaan-Viertel, nahe der Diyala-Brücke, die in den nordöstlichen Teil Bagdads führt (siehe www.iraqbodycount.net/editorial_may2702_print.htm ).

Eine ausführliche und ehrliche Bewertung dieser Vorfälle hätte aber auch einzugehen auf die starke propagandistische Rolle eines bestimmten amerikanischen “Mainstream”-Mediums (im Grunde ein Konzern-Staats-Medium). Dieses Medium betreibt seit langem die Desensibilisierung der Amerikaner gegenüber arabischem Leid. Unkritisch hatte es Bushs Vorkriegslügen über die angebliche irakische Bedrohung verbreitet. Die unglückseligen Unschuldigen, die vor den Lauf der imperialen Flinte des großen Weißen Mannes geraten, sie stellen wie stets keine “würdigen Opfer” dar - nicht in den dominanten Medien jedenfalls.

Wie schon mehrfach von mir gezeigt, berichten die Medien sensibler über das schlimme emotionale Leid derer, die Irakis töten als über das Leid von Irakis, die von Amerikanern getötet werden oder das Leid von Irakis, deren Angehörige getötet werden (siehe mein Artikel: ‘Rachel Corrie, Jessica Lynch, and the Unequal Worthiness of Victims’ - Abschnitt: ‘It Hurts to Kill Iraqis’. ZNet Magazine (12. Mai) 2003. Im englischen Original nachzulesen unter: www.zmag.org/content/showarticle.cfm?SectionID=15&ItemID=3607 . Darin verwende ich u.a. Material aus Stephen Lee Myers Artikel, auf der ersten Seite der New York Times vom 29. März 2003: ‘Haunting Thoughts After a Fierce Battle’). Das alles zeigt, wie tief der national-rassistische Narzissmus des Medien-Vietnamsyndroms bei uns sitzt.

Die Extrem-Liberale

Eigentlich nicht verwunderlich, dass die Kriegsverbrecher im Weißen Haus sich über die irakischen Opfer so ziemlich ausschweigen. Was aber ist mit jenen Leuten des Mainstream, die den Mut aufbringen, ‘Operation Iraqi Freedom’ zu kritisieren? Um sich die froststarrenden moralischen Grenzen der ‘akzeptablen Debatte’ hier bewusst zu machen, gehen Sie bitte auf die Websites der führenden Präsidentschaftsanwärter der Demokraten - Howard Dean, John Kerry und Wesley Clark. In den Pressestatements und Reden dieser Kriegskritiker werden Sie lange suchen können, bis sie wirkliche, direkte Aussagen zum Leid der Iraker - verursacht durch amerikanische Aktivitäten - finden.

Besonders interessant die bisherigen Kommentare Howard Deans. Dean ist ja vor allem deswegen Präsidentschafts-Champion der Demokraten, weil er konsequent und von Anfang an gegen den Bush-Krieg einstand. Im Juni hielt er eine zentrale Antikriegs-Rede vor dem ‘Council on Foreign Relations’. Dort sagt Dean, die irakischen Opfer seien unsichtbar - beziehungsweise nur insofern nicht (unsichtbar), als ihr Leid womöglich die moralische Autorität der USA in der Welt untergrabe. Deans Wille ist es, Amerika wieder die Rolle zu verschaffen, die ihm gebühre: die angeblich historische Rolle eines globalen moralischen Führers. Mit dieser Rolle bringt er Harry Truman in Verbindung - einen Mann, der die beiden barbarischsten Akte der Menschheitsgeschichte befahl (Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki). Um Amerikas Konversionsprozess zur permanenten Kriegswirtschaft weiter zu stabilisieren, übertrieb Truman die sowjetische Bedrohung massiv. Damit in Zusammenhang steht auch eine von Truman initiierte 50-jährige Kampagne der Hypermilitarisierung und globalen Zerstörung - genannt: der ‘Kalte Krieg’.

Im Februar hielt Dean eine Rede mit dem nationalistisch anmutenden Titel: “Die Verteidigung der amerikanischen Werte sowie der Schutz amerikanischer Interessen”. Darin bringt Dean eine interessante Anspielung auf den eigenen Arztberuf. Die damals unmittelbar bevorstehende Bush-Invasion kritisiert er mit den Worten: “Als Arzt wurde mir beigebracht, wie ich Krankheiten behandle und eine Bandbreite von Optionen prüfe, bevor ich entscheide, was ich verschreibe. Ich machte mir Sorgen um Nebenwirkungen und nahm mir Zeit zu überlegen, was sonst eventuell noch helfen könnte, bevor ich zu risikoreichen Maßnahmen schritt”. Aber bislang keine einzige substanzielle Äußerung unseres vom Heiler zum Kriegsgegner mutierten Kandidaten, was die 20.000 verletzten und 8.000 toten irakischen Zivilisten betrifft: tragische “Nebenwirkung” der “Arznei” eines mörderischen Weißen Hauses. Und bislang auch keine Dean-Stellungnahme, weil ein spezifisches US-Programm zur Hilfe für verletzte irakische Zivilisten fehlt oder zumindest ein Programm, das den Schaden, der irakischen Zivilisten zugefügt wurde, evaluieren würde. Die “Nebenwirkungen”, die Dean besorgt machen, sie betreffen einzig und allein uns.

Als auch Wesley Clark - die neue, angeblich liberale Friedenshoffnung - kürzlich seine Kandidatur erklärte, schwor er, “das Weiße Haus zur Verantwortung zu ziehen”, für den Respekt, der Amerika überall in der Welt verlorengegangen sei, indem es einen Krieg geführt hat, von dem Clark glaubt, er hätte sich dagegen entschieden. Aber kein Wort davon, die Bush-Gang auch für die von ihr ermordeten oder verstümmelten irakischen Zivilisten zur Verantwortung zu ziehen: Sie hat das schlimmste staatliche Verbrechen begangen, das das internationale Recht - seit Nürnberg - kennt.

Jenseits der Grenzen des Narzissmus

Anzumerken ist, dass Dennis Kucinich, auch ein Präsidentschaftsanwärter der Demokraten, eine rechtschaffene Kampagne mit einem ganz anderen moralischen Tonfall führt. Konsequent hat er das Leid, das unschuldigen Irakern zugefügt wurde, als einen der Gründe gegen den Bush-Krieg angeführt. Leider liegt gerade dieser Kandidat ziemlich “weit hinten”. Aber nichts ist unmöglich - vielleicht. Kucinich ist ein ehrlicher sozialdemokratischer Oppositioneller (der gegen das Prinzip ‘im Ausland Imperium, im eigenen Land Ungleichheit’ steht). Seine Chancen, das durch Konzerne und Big Money dominierte amerikanische Kandidatenauswahlverfahren für sich zu entscheiden, stehen also gleich null. Aber Kucinichs Eintreten für die “unwürdigen Opfer” des imperialen Kriegs gegen den Terror platziert ihn zumindest jenseits des narzisstischen Nationalismus - der eine wichtige Grenze markiert für den ‘akzeptablen Diskurs’, eine Grenze, die für alle gilt, die für das höchste Amt “wählbar” sein wollen.

Warum man uns hasst

Wir alle wissen, wie die Bush-Regierung und das Pentagon den “unvermeidlichen” Tod irakischer Zivilpersonen im jüngsten Krieg und während der Okkupation rechtfertigen. Sie behaupten, die “unausweichlichen” zivilen irakischen Opfer seien doch vernachlässigbar im Vergleich zu dem Leid, das die Irakis unter Saddam zu erdulden hatten. Sie beharren darauf, die Zahl der Opfer (die zu ermitteln sie sich weigern) sei “niedrig” - angesichts einer militärischen Operation dieser Größenordnung. Das sagt viel aus über die humane Gesinnung im Pentagon bzw. über die zielgenauen, lebensschonenden modernen Waffen der USA.

Dem stehen viele Berichte gegenüber, die IBC gesammelt hat. Schauderhafte Stories über irakische Zivilisten, die getötet oder verstümmelt wurden, ohne sich irgendwie in der Nähe militärischer Ziele befunden zu haben. Das Pentagon konnte sicher nicht genau vorhersagen, wieviele Iraker zu Schaden kommen würden. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass selbst wenn mit einer hohen Wahrscheinlichkeit noch viel mehr Zivilisten hätten sterben müssen, die US-Kriegspläne geändert worden wären. Anzumerken an dieser Stelle: die amerikanische Politik - siehe die von den USA geleitete Kampagne der Sanktionen, die Millionen Irakern das Leben kostete -, hat die brutale Macht Saddams über das irakische Volk, vor und nach dem (ersten) Golfkrieg, nur noch verstärkt.

Was ist das überhaupt für ein moralischer Maßstab, demgemäß 8.000 tote irakische Zivilisten und 20.000 verletzte einen “geringen” “Kollateralschaden” (= Menschen, Unschuldige) darstellen? Genau derselbe moralisch rassistische Maßstab, der sagt: Wenn einige hundert Amerikaner sterben, (inklusive Soldaten) ist das Grund genug für ausführliche Berichterstattung und nachdenkliche Betrachtung. Sterben hingegen zehntausende Iraker - Männer, Frauen und Kinder (alles Zivilisten) - behandelt man sie wie gesichtsloses Aas, das vergessen irgendwo am Straßenrand liegt (Roadkill), überwalzt vom Master auf seinem Weg zur Weltherrschaft. Es ist derselbe Maßstab, der Madeline Albright sagen ließ, 500.000 tote irakische Kinder seien ein “Preis” der es “wert” sei, “bezahlt zu werden” - zum Behuf der noblen und menschenfreundlichen Ziele Amerikas, jener “unverzichtbaren Nation”, die “höher steht und weiter blickt” (Albright) als alle anderen Staaten. (Die Kinder, von denen Albright spricht, sind die Opfer obenerwähnter Sanktionen. Übrigens hat Albright diesen Bodycount unter den Jüngsten nicht in Zweifel gezogen).

Und es ist derselbe üble, rassistische Maßstab, der die palästinensischen Opfer des israelischen Staatsterrors unsichtbar macht - während die Medien der Dominanz den israelischen Opfern nichtstaatlichen arabischen Terrors den Status wahrer Märtyrer verleihen. Dieser Maßstab hat auch dafür gesorgt, dass Rachel Corrie - die starb, als sie ein arabisches Dorf vor einem israelischen Bulldozer schützen wollte -, (für den Mainstream) nur eine vergessene Fußnote ist. Jessica Lynch hingegen, die verletzt wurde, weil sie (befehlsmäßig) in einen Krieg gegen Araber zog, wird zur gefeierten Nationalheldin. Und es sind dieselben Maßstäbe, die es amerikanischen und britischen Politikern möglich machen, arabische Menschen von John Stuart Mills berühmter These (‘On Liberty’, 1857) auszuklammern. Mills sagt: Menschen müssen für ihre eigenen Rechte kämpfen, erst dann wissen sie sie wirklich zu schätzen. “Freiheit”, verordnet durch Fremde, verkehre sich unweigerlich wieder in Sklaverei. All dies sollten wir bedenken - wenn wir als Amerikaner weiter über der Frage grübeln, jener großen, mysteriösen Frage des neuen Jahrhunderts der Kriege und des Empire: “Warum hassen sie uns?”

Paul Street (pstreet@cul-chicago.org) schreibt über Rassenproblematik, Klassenproblematik, Imperialismus und ‘thought control’. Sein Buch ‘Empire Abroad, Inequality at Home: Writings on America and the World’ (Paradigm Publishers) erscheint im neuen Jahr.

Quelle: ZNet Deutschland vom 18.11.2003. Übersetzt von: Andrea Noll. Orginalartikel: “Why They Might Hate US”

Veröffentlicht am

27. November 2003

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