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Wenn Flüchtlinge mit Zwang aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen werden

Angeblich aus Kostengründen schließt der Landkreis Sigmaringen eine seiner drei Sammelunterkünfte für Asylsuchende. Die zwangsweise in der Gammertinger Unterkunft lebenden BewohnerInnen werden gegen ihren Willen in andere, weiter entfernte Unterkünften verbracht. Gegen dieses erzwungene Herausreißen aus entstandenen sozialen Beziehungen gibt es teilweise heftigen Protest. Michael Schmid hat in einem Leserbrief Stellung bezogen.

Wenn Flüchtlinge mit Zwang aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen werden

Von Michael Schmid

Das große Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt des Gammertinger Asylheims ist deshalb zu loben, weil dadurch viel Menschlichkeit und Fremdenfreundlichkeit zum Ausdruck kommt. Dass sich vor allem Jugendliche in dieser Sache so nachhaltig engagieren, ist besonders erfreulich.

Wer sich allerdings mit den Hintergründen des Umgangs mit Flüchtlingen beschäftigt, kann zwar empört sein, wird sich aber wenig wundern, dass aller Einsatz und Protest letztlich nichts genutzt hat, um die Schließung des Gammertinger Heimes zu verhindern. Denn Menschlichkeit spielt im Zusammenhang mit unserer Asyl-Politik und Asyl-Praxis so gut wie keine Rolle. Im Gegenteil, diese sind auf die Abhaltung und Abschreckung von Flüchtlingen und Asylsuchenden ausgerichtet.

So schließt die Flucht auf dem Landweg in die Bundesrepublik seit der Asylrechtsänderung vor genau 10 Jahren durch die Drittstaatenregelung eine Anerkennung als Asylberechtigter aus, weil alle Nachbarstaaten Deutschlands als sichere Drittstaaten definiert wurden. Viele Flüchtlinge werden direkt an der Grenze zurückgeschoben, ohne dass ein Asylverfahren stattfindet.

Für Flüchtlinge hat man künstliche Lebensbedingungen geschaffen, die viele Betroffene krank machen. Dazu gehört die zwangsweise Unterbringung in Sammelunterkünften, die teilweise in katastrophalen Zuständen sind. Durch das verdichtete Zusammenleben vieler Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen in Sammelunterkünften, beengte Wohnverhältnisse und andere extra für Flüchtlinge bereit gehaltene Belastungsfaktoren soll bewirkt werden, dass viele freiwillig das Land wieder verlassen. Sollten sie belastungsresistent sein und diesem Druck standhalten, dann gibt es noch Gerichte, Regierungspräsidien, Polizei, Bundesgrenzschutz und Fluggesellschaften, die sich um ihre endgültige Entfernung aus diesem unserem Lande kümmern. Der Normalbürger kann sich weiter ungestört seinem Alltag widmen.

In diesem System erscheint es deshalb auch als “Fehler”, wenn sich dann doch persönliche Beziehungen zwischen Flüchtlingen und einheimischer Bevölkerung entwickeln, wie jetzt in Gammertingen. Wer direkt miterlebt, wie unmenschlich mit ihm persönlich bekannten Flüchtlingen umgegangen wird, ist unter Umständen betroffen und empört. Allerdings ist mit kurzfristiger Betroffenheit und Empörung meist das Ruder nicht mehr herumzureißen. Das könnte nur gelingen, wenn es uns gelänge, soviel Einfluss auf die Politik zu nehmen, dass insgesamt eine Weichenstellung vorgenommen wird in Richtung humanem Umgang mit Flüchtlingen. Diese verlassen im übrigen ihre Heimat nur selten freiwillig ohne Not, sondern nur allzu oft auf der Flucht vor Krieg, Folter, Vergewaltigung, Rassismus, etc. und hoffen, in unserem Land eine menschenwürdige Zufluchtsstätte zu finden.

Es wäre ein Zeichen von Menschlichkeit gewesen, die Flüchtlinge in Gammertingen nicht mit Zwang aus ihrem sozialen Umfeld und ihren vielfach geflochtenen sozialen Beziehungen einfach herauszureißen. Dadurch werden ohnehin schon schwer belastete Menschen erneut in ihren Grundfesten erschüttert. Allerdings war auch die Gammertinger Asylunterkunft alles andere als eine besonders lebenswerte Wohnstätte. Derartige krankmachenden Sammelunterkünfte gehören alle aufgelöst. Auch Flüchtlingen gebührt das Recht auf Unterbringung in menschenwürdigen Wohnungen!

Veröffentlicht am

20. Juli 2003

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