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Interview: Der Umriss des wilden Tieres

Interview von Anthony Arnove mit Arundhati Roy über George Bushs Krieg für das amerikanische Imperium

Socialist Worker / ZNet Deutschlande 18.04.2003

Arundhati Roy über George Bushs Krieg für das amerikanische Imperium

George W. Bush und seine Kriegstreiberbande in Washington werden alles Mögliche behaupten, um ihren Krieg zu rechtfertigen. Sie fordern sowohl in den USA als auch weltweit bedingungslose Unterstützung für ihr Gemetzel im Irak und sie wollen jeden, der mit dieser Auffassung nicht übereinstimmt, zum Schweigen bringen.

Aber sie haben damit keinen Erfolg gehabt. Weltweit sind zehn Millionen Menschen auf die Straße gegangen, um zu zeigen, dass sie gegen Bushs Krieg sind - das ist eine beispiellose Antikriegsbewegung.

Arundhati Roy ist eine der angesehensten Stimmen dieser Bewegung. Sie ist als Schriftstellerin bekannt - ihr Buch “Der Gott der kleinen Dinge” gewann den begehrten Booker-Preis - und ist gleichfalls berühmt für ihr Engagement im Kampf für globale Gerechtigkeit. Ihr neuestes Buch “War Talk” ist gerade bei South End Press erschienen. Arundhati Roy sprach mit Anthony Arnove vom Socialist Worker über die Motive, die hinter Bushs Krieg stecken und den Kampf, ihn zu stoppen.

Der Umriss des wilden Tieres

Alle Massenmedien stellen immer wieder folgende Frage: Was kann mit Saddam Hussein geschehen? Was antwortest Du darauf?

Die Frage ist unaufrichtig. Lasst uns sie umdrehen und stattdessen fragen: Was machen wir mit George Bush und Tony Blair? Sollen wir tatenlos zusehen während sie bomben und töten und Menschen vernichten? Saddam Hussein ist ein Mörder und in der Vergangenheit haben die Regierungen der USA und Großbritanniens viele seiner schlimmsten Exzesse unterstützt.

Die USA und Großbritannien haben die Infrastruktur des Iraks zerbombt, abgereichertes Uran auf irakisches Ackerland geschossen, verhindert, dass Impfstoffe und Krankenhauseinrichtungen ins Land kamen und zum Tod Hunderttausender Kinder unter fünf Jahre beigetragen. Denis Halliday, der ehemalige UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten im Irak, hat die Sanktionen als eine Art Völkermord bezeichnet.

Wenn man die Sanktionen aufgehoben hätte, hätte die irakische Gesellschaft an Stärke gewonnen, um ihren Diktator zu stürzen (genauso wie die Menschen in Indonesien, Serbien, Rumänien und anderswo ihre Diktatoren gestürzt haben).

Und wenn es sich um Unterdrückung, Sektierertum und Menschenrechtsverletzungen handelt, über die wir besorgt sind, lasst uns unsere Aufmerksamkeit auf Kolumbien, die Türkei, Saudi Arabien, Ägypten, die Mittelasiatischen Republiken, Israel, Russland, China, Indien, Pakistan, Burma und natürlich die USA richten. Sollen wir Saddam zuvorkommen und sie alle bombardieren? Dann bleibt niemand mehr übrig, den er töten kann.

Die größte Bedrohung der heutigen Welt stellt nicht Saddam Hussein dar, sondern George Bush (zusammen mit seinem siamesischen Zwilling und neuen Außenminister Tony Blair).

Bush behauptet, dass er eine “internationale Koalition” gegen den Irak anführt. Was hältst Du von dieser Aussage?

Die internationale Koalition der Schikanierten und Gekauften, wie diese Koalition allgemein genannt wird.

Es ist wichtig im Auge zu behalten, dass es sich um Regierungen handelt, die auf die eine oder andere Art gezwungen wurden. Selbst die großen “Anteilseigner” - Regierungen der Länder wie Spanien und Australien - haben nicht die Unterstützung der Mehrheit ihrer Bevölkerung.

Es gibt einige interessante Studien, die das Wesen der Regimes einiger Länder dieser “Koalition” näher beleuchten. Viele von ihnen stehen ganz oben auf der Liste der Menschenrechtsverletzer und haben keinen Anlass, auf Grund ihres eigenen Rufs, Saddam Hussein zu kritisieren.

Bush behauptet auch, es handele sich um einen “Verteidigungskrieg” und es sei “Selbstmord”, den Irak nicht anzugreifen.

Das erinnert an das Verhalten eines Elefanten, der einen riesigen Anlauf nimmt, um eine Ameise zu Tode zu zermalmen, und dann zu behaupten es geschah zur “Verteidigung” und es wäre selbstmörderisch gewesen, die Ameise am Leben zu lassen. Es wäre gerechtfertigt, den Elefanten als paranoid und labil zu bezeichnen.

Oh, und das beinhaltet nicht das Problem, die UNO zu benutzen, um die Ameise zu entwaffnen, bevor der Elefant angreift. Abgesehen davon, dass man dies als paranoid und labil bezeichnet, könnte man es auch feige und betrügerisch nennen.

In einem Interview in dem Radio-Pacifica-Programm “Democracy Now!” hast Du von einem “Mord an der Sprache” gesprochen. Kannst Du das näher ausführen?

Freiheit bedeutet jetzt Massenmord. In den USA bedeutet das Wort Pommes frites (freedom fries = Freiheitsfritten). Befreiung bedeutet Invasion und Besetzung. Wenn Du das Wort “humanitäre Hilfe” hörst, ist es ratsam sich nach herbeigeführtem Hunger umzusehen. Wir alle wissen, was Kollateralschaden bedeutet.

Natürlich ist das alles nicht neu. Als die USA in Vietnam eindrangen und ländliche Gebiete bombardierten, Tausende Menschen töteten und sie zwangen, in die Städte zu fliehen, wo sie in Flüchtlingslager gesperrt wurden, nannte Samuel Huntingdon diesen Prozess “Verstädterung”.

Das New York Times Magazine erschien kürzlich mit einer Titelseite auf der stand: “Das neue amerikanische Imperium: Gewöhnen Sie sich daran.” Wie wird diese Botschaft in Indien und anderswo außerhalb der USA aufgenommen?

In Indien gibt es eine Disharmonie zwischen dem, was die Leute über den Krieg und das amerikanische Imperium denken und der absichtlich unklaren Position der indischen Regierung. Diese Krieg gegen den Irak hat viel Wut unter der Mehrheit der Bevölkerung hervorgerufen, aber es gibt auch Opportunisten, besonders in der Oberschicht, die ziemlich dümmlich darauf hoffen, dass man ihnen in der Phase des “Wiederaufbaus” einige Krümel zuschanzt. Sie sind wie Hyänen. Geier.

Niemand wird sich an das amerikanische Imperium gewöhnen - niemand kann es. Dies ist so, weil dieses Imperium nur am Leben bleibt und seine Position hält, wenn Massenmorde und Massenvertreibungen auf der Tagesordnung bleiben.

Es gibt Dinge, an die sich die Menschen nicht gewöhnen, egal wie stark sie es auch versuchen. Man kann erwarten, getötet zu werden, aber man kann sich nicht an die Vorstellung gewöhnen.

Es wird eine blutige Schlacht, diese Schlacht für die Errichtung und Aufrechterhaltung der Hegemonie. Die Welt ist kein statischer Ort. Sie ist wild und unberechenbar. Das amerikanische Imperium wird es nicht so leicht haben. Die Menschen dieser Welt werden nicht in den Straßen Spalier stehen und dem Herrscher Rosen zuwerfen.

Mehr als 10 Millionen Menschen demonstrierten am 15. Februar weltweit, einschließlich Millionen in den Staaten, die den Krieg gegen den Irak führen. Was meinst Du, warum erleben wir derart großen Protest?

Ich denke, es gibt dafür nur einen Grund. Amerika hat seine Maske fallen lassen. Seine verborgene Geschichte von brutalen Interventionen und unverzeihlichen Manipulationen ist in aller Munde. Die einzelnen Punkte sind verbunden worden und der Umriss des wilden Tieres ist zum Vorschein gekommen.

Quelle: ZNet Deutschland vom 18.04.2003. Übersetzt von: Tony Kofoet

Veröffentlicht am

19. April 2003

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