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Würde Präsident Assad eine Cruise Missile in seinen Palast einladen?

Von Robert Fisk - The Independent / ZNet 15.04.2003

Jetzt ist also Syrien in der Sichtweite amerikanischer Gewehre. Zuerst ist es der Irak, Israels mächtigster Feind, der im Besitz von Massenvernichtungswaffen ist, von denen bisher aber keine gefunden wurden. Jetzt ist es Syrien, Israels zweitmächtigster Feind, der ebenfalls Massenvernichtungswaffen besitzt, so jedenfalls erzählt es uns George Bush Junior. Er erwähnt allerdings mit keiner Silbe, dass Israel im Besitz wirklicher Massenvernichtungswaffen ist - die Zahl der nuklearen Sprengköpfe ist nun genau aufgelistet - und dessen Präsident Ariel Sharon sich schon längere Zeit darüber beschwert hat, dass Damaskus das “Zentrum” des Weltterrorismus sei.

Aber Syrien ist jetzt ein Ziel, nun gut. Zuerst behaupteten die Amerikaner, Damaskus liefere Gasmasken an die irakische Armee. Die Syrer bestreiten das - aber was wäre, wenn es stimmte? Warum sollte ein arabischer Nachbar den irakischen Soldaten während einer US-Invasion, die international keine Rechtfertigung besaß, nicht Schutzkleidung anbieten? Dann wurde Syrien beschuldigt, arabische “Freiwillige” in den Irak zu schicken oder ihnen die Genehmigung zu geben, über Syrien in den Irak zu gelangen, um gegen die Amerikaner zu kämpfen. Dies zu bestreiten fiel den Syrern schwerer. Ich habe einige von ihnen hier in Bagdad getroffen und sie waren sehr darauf erpicht, in ihre Heimat nach Homs und Damaskus zurückzukehren, andere aus Algerien und Marokko, erzählten mir, sie würden sich in Sicherheit befinden, wenn sie die syrische Grenze erreichten, da “sie dort keine Probleme befürchten”. Aber auch in diesem Vorwurf befindet sich ein Hauch von Heuchelei.

Immer wenn Israel in einen Krieg eintritt, beteiligen sich Hunderte von “Freiwilligen” aus den USA, die nach Tel Aviv eilen, um sich der israelischen Armee anzuschließen, ohne dass die Amerikaner sich beschweren.

Aber dann kommt die übelste Beschuldigung: Mitglieder des irakischen Regimes seien nach Syrien geflohen und befänden sich dort in Sicherheit. Angesichts der immer herzlicheren Beziehungen mit dem Irak Saddam Husseins in den vergangenen Jahren und der gemeinsamen Wesensart ihrer baathistischen Vergangenheit - der syrische Christ Michel Aflaq war ein Begründer der Baath-Partei als sie eine Schöpfung beider Staaten war - ist es schwierig zu glauben, dass die Tariq Aziz’ und Taha Yassin Ramadans nicht in Syrien Zuflucht gesucht haben könnten.

Es ist unnötig zu erwähnen, dass die Gefangennahme von Saddams Halbbruder nahe der syrischen Grenze die üblichen voreiligen Geschichten provoziert hat. Rariq Aziz hält sich mit den Frauen aus Saddams Familie im Libanon auf. Unwahr. Der arabische Fernsehsatellitensender interviewte den ehemaligen irakischen Informationsminister Mohammed Saeed al-Sahaf in Damaskus. Vollkommen unwahr. Und auch peinlich für die Amerikaner. Denn genau wie es ihnen nicht gelang, die brutalsten bosnisch-serbischen Mörder Karajic und Mladic festzunehmen, schafften sie es auch nicht, Osama bin Laden zu finden - oder gleich Mullah Omar - und angesichts der Tatsache eines Versagens des amerikanischen Geheimdiensts in Bagdad, wäre es nicht überraschend, wenn es dem gesamten irakischen Kabinett gelungen ist, in einem orangefarbenen LKW-Anhänger sicher einen amerikanischen Kontrollpunkt zu passieren. Aber es jetzt steht Syrien für den nächsten Angriff auf dem Programm, nicht das Kabinett Saddams.

Und die Zeichen dafür waren schon lange deutlich vorherzusehen. Nehmen wir den Artikel in The New York Times von Larry Collins, der zusammen mit Dominique Lapierre O Jerusalem schrieb, in dem letzten Monat erklärt wurde, dass die von Syrien unterstützte Widerstandsgruppe Hisbollah im Libanon 10.000 Raketen besäße, die in der Lage seien bis Tel Aviv zu fliegen und “im Gefolge mehr zerstören könnten als Israel jemals gekannt habe”. Diese Raketen sind eine Legende - ich befahre alle zwei Wochen die Straßen im südlichen Libanon und dort gibt es solche Raketen nicht - aber das tut nichts zur Sache. Und dann wird Libyen, das die raffiniertesten C- und B-Waffen besitzt, dran sein. Oder Saudi Arabien. Oder wen sonst Israel noch angreifen möchte.

Aber es bleibt immer noch die Frage: Konnten Saddam und seine Söhne und Tariq Aziz und Ramadan und der Rest über Syrien reisen? Das ist nicht unmöglich. Aber die Idee, es wäre ihnen erlaubt worden zu bleiben, ist nicht glaubhaft. Falls Präsident Bashar Assad es Saddam erlaubt hätte, sein Gast zu sein, wäre es das Gleiche, als wenn er eine Cruise Missile in seinen Palast eingeladen hätte.

Aber Syrien könnte auch den Offiziellen der Baath-Partei aus dem Irak als Transitland gedient haben. Wohin? Ich favorisiere Weißrussland - weil dessen Hauptstadt Minsk überfüllt ist mit Whisky, Korruption und feuchten Wohnungen (die beiden ersten davon könnten den meisten irakischen Baath-Parteimitgliedern zusagen). Wladimir Putin, würde natürlich gefragt werden, behilflich zu sein, sie zu finden und an Washington auszuliefern. Und er würde zweifelsfrei einen Preis verlangen, einen Preis, der Ölkonzessionen und die schon von Russland in Bagdad unterschriebenen Ölverträge einschließt …

Quelle: ZNet Deutschland vom 17.04.2003. Übersetzt von: Tony Kofoet. Orginalartikel: “Would President Assad Invite A Cruise Missile Into His Palace?”

Veröffentlicht am

17. April 2003

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