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Eine US-Invasion des Irak ist noch zu stoppen

Von Stephen Zunes Foreign Policy In Focus / ZNet 17.01.2003 -

Der Autor Stephen Zunes (stephen@coho.org) ist außerordentlicher Professor für Politik, zudem Vorsitzender des Friedens-und-Gerechtigkeits-Studienprogramms der Universität San Francisco. Außerdem ist Zunes Nahost-Redakteur des ?Fokus-Außenpolitik-‘Projekts (Foreign Policy in Focus Project: www.fpif.org) . Zunes ist Autor des neu erschienenen Buchs ?Tinderbox: U.S. Middle East Policy and the Roots of Terrorism’ (www.commoncouragepress.com)

Trotz zunehmender Kriegsvorbereitungen besteht immer mehr Grund zu der Annahme, eine US-Invasion des Irak kann noch gestoppt werden. Keine Frage: Gäbe es die Antikriegs-Bewegung nicht, die USA befänden sich längst im Krieg mit dem Irak. Aber machtvoller Widerstand gegen die Pläne einer unilateralen Invasion hatte die Bush-Regierung dazu gezwungen, vor die UN zu gehen - das zum einen - und im Moment erschwert es ihr die bislang zu beobachtende irakische Kooperationsbereitschaft mit den UN-Waffeninspekteuren ganz erheblich, ihre Kriegspläne weiter voranzutreiben. UN-Sicherheitsratsresolution Nr. 1441 - die ja von den USA verfasst und durchgedrückt wurde und zwar mit der Absicht, die Position der UN-Inspektoren zu stärken bzw. die Ausweichmöglichkeiten des Irak einzuschränken -, war vor ihrer endgültigen Verabschiedung nochmals modifiziert worden, sodass Militäraktionen zur Durchsetzung dieser Resolution nur dann möglich sind, wenn der UN-Sicherheitsrat explizit seine Zustimmung erteilt. Damit es zu solch einer Zustimmung jedoch kommt, müsste der Irak sich schon äußerst dumm bzw. unverschämt anstellen - was natürlich nie ganz ausgeschlossen werden kann -, aber bislang hat dies alles den widerstrebenden Saddam Hussein dazu veranlasst, mit dem neuen Inspektoren-Regime zusammenzuarbeiten.

Aber das garantiert natürlich längst noch nicht, dass die Regierung Bush - ihren mangelnden Respekt gegenüber internationalem Recht hat sie ja oft genug unter Beweis gestellt - ihre Invasionspläne nicht doch noch umsetzt. Der US-Kongress hat im letzten Oktober - mit Zustimmung sowohl der Führer der Republikanischen als auch der Demokratischen Partei - Präsident Bush dazu ermächtigt, auch ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats in den Irak einzumarschieren. Diese Kriegsresolution war illegal. Denn eine Invasion stellt einen Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen dar - und die wurde ja auch von den Vereinigten Staaten unterschrieben bzw. ratifiziert. Laut Artikel VI unserer US-Verfassung sind derartige internationalen Verträge als “übergeordnetes Recht? anzusehen. Aber auch bezüglich unserer eigenen Verfassung hat der Respekt der Bush-Regierung in der Vergangenheit stark zu wünschen übrig gelassen.

Was also könnte noch in der Lage sein, die Invasion zu stoppen? Ich wiederhole: alles hängt von der Stärke der Antikriegs-Opposition ab. So argumentieren mittlerweile auch schon eine Reihe Demokraten - welche die Kriegsresolution ja unterstützt hatten -, gegen einen vorschnellen Kriegsbeginn. Schließlich hat die Demokratische Partei in den November-Wahlen außergewöhnlich miserabel abgeschnitten. Diese Leute befürchten unter anderem, eine wiederaufblühende - und eben eindeutig friedliche - Grüne Partei könnte sie derart viele liberale Stimmen kosten, dass auch die 2004-Wahl zum Fiasko wird.

Aber auch einige hohe Militärs aus dem Verteidigungsministerium sprechen sich inzwischen - zwar im stillen aber umso beharrlicher - gegen einen Krieg aus. Denn diesen Herren ist durchaus bewusst, eine Irak-Invasion würde sich zur schwierigsten und blutigsten US-Militäroperation seit Vietnam entwickeln. Tritt diese Situation ein, wird sie die Antikriegs-Opposition zusätzlich stärken. Denn wenn der Vietnam-Krieg den US-Militärs eine Lektion erteilt hat, dann diese: Lass dich nie auf einen großen Krieg ein, es sei denn, du hast das Gros der amerikanischen Öffentlichkeit hinter dir. Derzeit genießt die US-Armee das Image, eine der respektabelsten Institutionen Amerikas zu sein - etwas, das sie nicht aufs Spiel setzen wollen wird. Man denke nur an die Zeit, als die Anwerber der US-Armee sich nicht mal auf einen amerikanischen College-Campus trauen durften, ohne gleich heftige Demonstrationen zu provozieren. Natürlich werden diese (hohen) Militäroffiziellen - als Armeeangehörige - dennoch gehorchen, sobald der ?Oberste Kommandeur der Streitkräfte’ sie in die Schlacht ruft. Dennoch: je stärker die Kräfte des Antikriegs-Widerstands, desto mehr macht sich das US-Militär Sorgen um den eigenen (institutionellen) Selbsterhalt. Die Informationsabteilung der CIA - nicht zu verwechseln mit deren operationaler Abteilung - hat hauptsächlich Profis in ihren Diensten. Profis, die sich wenig um ideologische Belange scheren. Ihr Fokus: wie sorge ich für die Sicherheit der USA. Kosten-Nutzen-Analysen der CIA haben gezeigt, eine Invasion des Irak würde den Interessen Amerikas mehr schaden denn nützen. Die Situation ist nicht ohne Ironie: Ausgerechnet das Pentagon und die CIA erweisen sich derzeit mit als die nützlichsten Verbündeten der Friedensbewegung. Diese extrem einflussreichen Akteure, wenn es um außenpolitische Entscheidungen geht, könnten nämlich theoretisch dafür sorgen, dass kühlere Köpfe die Oberhand gewinnen. Zudem erhalten sie in ihrer oppositionellen Haltung Unterstützung durch hochrangige Politiker früherer Republikanischer Regierungen (aus den Bereichen Außenpolitik und Verteidigung). Man denke nur an Lawrence Eagleburger, Brent Scowcroft oder den pensionierten General Anthony Zinni.

Daneben gilt es, den internationalen Faktor zu beachten. Einige der wichtigsten europäischen US-Verbündeten sind derzeit zwar bereit, den USA das Recht einzuräumen, ihre Nachschub-Basen im Land zu nutzen und stellen auch darüber hinausgehende logistische Unterstützung für einen Irak-Krieg in Aussicht - allerdings nur, falls auch die UN (diesem Krieg) zustimmen. Einer unilateralen US-Invasion stehen diese Länder skeptisch gegenüber. Meinungsumfragen in Europa zeigen, wie wenig Unterstützung es in der europäischen Öffentlichkeit für eine US-Militäraktion ohne UN-Authorisierung gibt.

Meinungsumfragen in den USA selbst wiederum zeigen beharrlich, eine Majorität der Amerikaner ist zwar für eine US-Invasion im Irak, mit dem Ziel, Saddam Hussein zu stürzen - jedoch nicht für einen Krieg ohne UN-Authorisierung und nicht für einen, in den nicht auch die militärischen Verbündeten aktiv involviert sind, und schon gar nicht wollen sie einen Krieg, bei dem es auf amerikanischer Seite mit schweren Verlusten zu rechnen wäre - aber mit all diesen drei Faktoren ist zu rechnen. Und da in dem Fall nur noch eine Minderheit für den Krieg wäre, spricht einiges dafür: die Mehrheit der Amerikaner ist gegen den Plan der US-Regierung, unilateral und präventiv in Form einer Invasion gegen den Irak vorzugehen. Bereits jetzt verdeutlichen Umfragen eine sinkende Kriegsunterstützung in der Bevölkerung.

Die Antikriegs-Bewegung ist stark, und sie nimmt weiter zu. Bereits jetzt - vor dem Krieg - sind die Demonstrationen gegen eine mögliche amerikanische Irak-Invasion gewaltiger als die Demos während des Vietnam-Kriegs - zu einem Zeitpunkt, als US-Soldaten bereits drei Jahre lang in schwere Gefechte verwickelt waren. Auch die Antikriegs-Aktivitäten an amerikanischen Colleges sind wesentlich ausgeprägter als zu jener Zeit. Das erstaunt umso positiver, als College-Studenten heutzutage ja keine Angst mehr um ihre persönliche Sicherheit zu haben brauchen, also keine Angst vor Einberufung.

Auch die Bischöfe unserer römisch-katholischen Kirche und praktisch alle wichtigen protestantischen Konfessionen sprechen sich öffentlich gegen eine US-Invasion aus. Zum Vergleich: Damals während des Vietnamkriegs brauchte es viele Jahre, bis eine derart große Zahl Kirchen zu einer öffentlichen Antikriegs-Stellungnahme bereit war - eigentlich war das erst in den letzten Kriegsjahren der Fall. Und zur Arbeiterbewegung Amerikas: Während des Vietnamkriegs gehörte sie zu den ?Falken’ - und zwar bis zum bitteren Ende. Heute ist das anders. Bereits jetzt haben sich einige der wichtigsten Gewerkschaften der Opposition gegen eine US-Invasion im Irak angeschlossen.

Ökonomen und Wirtschaftsführer hingegen fürchten vor allem die ökonomischen Folgen einer Irak-Invasion (Kostenpunkt: $200 Milliarden aufwärts - womöglich sogar noch wesentlich mehr, falls es nämlich zu einer langfristigen Militär-Besatzung / Militär-Verwaltung des Irak durch die USA kommt). Das Staatsdefizit steigt, der Haushalt der Innenressorts wird zurückgefahren, und auch die einzelnen Bundesstaaten haben mit nie da gewesenen Defiziten zu kämpfen - in einer derartigen Situation könnten sich die wirtschaftlichen Folgen eines Kriegs wirklich verheerend auswirken. In der Ausgabe vom 13. Januar des ?Wall Street Journal’ war eine ganzseitige Anti-Kriegs-Anzeige einer Gruppe Republikanischer Geschäftsleute geschaltet. Auch eine Reihe Gouverneure haben sich mittlerweile den Kritikern der Regierungspolitik angeschlossen - Gouverneure, die mit riesigen Budgeteinbußen zu rechnen hätten.

Die Antikriegs-Bewegung von heute ist wesentlich bunter als früher: Viele Frauen und Nichtweiße bekleiden führende Positionen. Auch immer mehr Leute aus der Arbeiterschicht oder arme Leute sind aktiv in Antikriegs-Aktivitäten involviert. Ihnen allen ist klar, es werden in erster Linie ihre Angehörigen sein, die kämpfen und sterben werden (falls es zum Krieg kommt). Außerdem werden diese Gruppen unverhältnismäßig hart von (unausweichlichen) Kürzungen im Sozialbereich betroffen sein - die ein so unglaublich teures militärisches Abenteuer zweifellos mit sich bringt. Die Mitglieder unserer Anti-Kriegsbewegung sind sehr unterschiedlich alt. Auch das zeugt von Stärke. Denn hier stößt die Erfahrung der Aktivisten aus den 60gern - und noch früher - auf die Energie und Kreativität der jungen Aktivisten-Generationen. Natürlich garantiert das alles noch nicht, dass die Bush-Administration ihre geplante Invasion nicht doch weiter vorantreibt. Und dennoch: Es ist noch längst nicht aller Tage Abend, und es mehren sich die Zeichen, dass dieser Krieg gestoppt werden kann, noch bevor er beginnt.

(dieser Artikel wurde am 24.01.2003 in ZNet Deutschland veröffentlicht - übersetzt von: Andrea Noll | Orginalartikel: A US Invasion Of Iraq Can Be Stopped

Veröffentlicht am

25. Januar 2003

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