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Zum Tode von Phil Berrigan

Von Michael Schmid

Dieser Artikel ist aus einer Zusammenfassung verschiedener Nachrufe auf Philip Berrigan entstanden (zu einem beträchtlichen Teil hat sich der Autor auf den Artikel “Philip Berrigan, 1923 - 2002” von Bernd Büscher in: DER PAZIFIST Nr. 11-12 vom 31.12.02 gestützt).

Ein ganz Großer der US-amerikanischen Friedensbewegung lebt nicht mehr. Am 6. Dezember 2002 ist Phil Berrigan im Jonah House, einer Gemeinschaft in Baltimore, die er 1973 mitgegründet hat, im Kreise seiner Familie und Freunde gestorben. Er hatte sich seit etwa 40 Jahren mit großer Konsequenz mittels radikaler gewaltfreier Aktionen und zivilem Ungehorsam dem Widerstand gegen Krieg und Gewalt verschrieben.

Philip Berrigan wurde am 5. Oktober 1923 im ländlichen Minnesota als jüngster von sechs Brüdern geboren. Zwischen 1943 und 1945 war er Artillerieoffizier im Zweiten Weltkrieg, Einsatzgebiet Europa. In dieser Zeit war er “durch und durch Soldat”, der sich auch durch die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki nicht aufschrecken ließ, wie er später schrieb: “Wie meine Landsleute war ich von der Rechtschaffenheit Amerikas ebenso überzeugt wie von meiner eigenen Rechtschaffenheit und der Richtigkeit der Tatsache, dass ich am Kampf teilgenommen hatte. Mit anderen Worten: Meine eigenen kriminellen Jugendjahre und die meines Landes fielen zeitlich genau zusammen.”

Nach dem Studium wurde er 1950 zum katholischen Priester des Josephiterordens geweiht. Von 1956 bis 1963 unterrichtete er als Lehrer an der St. Augustine Highschool in New Orleans, einer rassengetrennten, rein schwarzen Schule. Seine Solidarität mit den Schwarzen führte dazu, dass er sich 1963 als erster weißer Priester überhaupt an einem “Freedom Ride”, einer Freiheitsfahrt der Bürgerrechtsbewegung beteiligte. Eldridge Cleaver bezeichnete ihn damals als “den einzigen Weißen, der uns verstanden hat.”

Weltweit bekannt geworden ist Phil Berrigan gemeinsam mit seinem Bruder Dan durch aufsehenerregende Aktionen gegen den Vietnamkrieg, die sie gemeinsam mit anderen, vornehmlich aus einem Kreis friedenspolitisch engagierter katholischer Priester und Nonnen stammenden Menschen durchführten. 1968 drangen sie aus Protest gegen den Vietnamkrieg mit einer Gruppe von sieben weiteren FriedenskämpferInnen in Catonsville, Maryland, in ein Kreiswehrersatzamt ein, nahmen einige hundert Einberufungsakten, gossen selbstgefertigtes Napalm darüber und verbrannten sie unter Gebet und Gesang. Anschließend ließen sie sich verhaften. Ihre Rechtfertigung für die Aktion: es ist besser, es brennen Akten statt Kinder.

1970 fand die Heirat mit Elizabeth McAlister, einer ebenfalls Widerstand leistenden ehemaligen Nonne vom “Heiligen Herzen Mariä” statt. 1973 gründeten Phil Berrigan gemeinsam mit seiner Frau und anderen die Jonah-House-Gemeinschaft von KriegsgegnerInnen in Baltimore. Phils Leben war stark auf die Gemeinschaft ausgerichtet - gemeinsam leben und gemeinsam arbeiten sah er als Modell an für jene gewaltfreie, nachhaltige Welt, die er schaffen wollte. Die Bewohner des Jonah House führen ein einfaches Leben, sie beten zusammen und teilen sich die Pflichten. Was sie versuchen, ist, den Menschen die Gewalt vor Augen zu führen, die Militarismus und Konsumismus mit sich bringen.

Die Berrigan/McAlister-Familie bekam drei Kinder. Für diese war es nicht einfach, immer wieder für Monate oder Jahre ohne die Eltern leben zu müssen, weil diese sich in Haft befanden. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass sich alle drei heute als Erwachsene aktiv in der Friedensbewegung engagieren.

Nach dem Ende des Vietnamkrieges 1975 legten Phil Berrigan und seine MitstreiterInnen den Schwerpunkt der Aktivitäten auf permanenten Widerstand gegen die Atompolitik der US-Regierung. 1980 wurde getreu den Worten der biblischen Propheten Micha und Jesaia, Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden, die erste “Pflugschar-Aktion” durchgeführt: Phil Berrigan drang zusammen mit 7 weiteren Aktivisten in eine Fabrik des Waffenherstellers General Electrics in King of Prussia, Pennsylvania, ein, wo sie auf Mark 12A-Sprengköpfe einhämmerten und diese mit Blut übergossen. Es kam zur Anklage wegen Verschwörung, Einbruchs, kriminellen Unfugs, zu Verurteilung und Haft. Die Aktion wurde berühmt unter “Pflugscharen Acht?. Mit ihr war die internationale Pflugscharbewegung begründet, die inzwischen weltweit an die achtzig ähnliche Aktionen durchgeführt hat. Einige davon auch in Deutschland, wo sich insbesondere unser Versöhnungsbund-Mitglied Wolfgang Sternstein in dieser Sache engagiert.

1999 wurde Phil Berrigan für eine Aktion, bei der er gemeinsam mit drei anderen in den Fliegerhorst von Warfield (Maryland) eingedrungen war und in bekannter Manier diese Militärflugzeuge mit Hämmern entrüstete, nochmals zu 30 Monaten Gefängnisstrafe verurteilt. Er kam erst im Dezember 2001 wieder frei. Da hatte er noch ein Jahr zu leben.

Am 8. Oktober 2002 wurde bei Phil Berrigan Leber- und Nierenkrebs diagnostiziert. In seinen letzten Wochen war er daheim umgeben von seiner Familie und Gemeinschaftsangehörigen. Kurz vor seinem Tod ließ Phil Berrigan seine letzten Worte aufzeichnen. Er wurde 79 Jahre alt, 11 davon hat er wegen seines Einsatzes für Frieden und Abrüstung in Gefängnissen verbracht. Zu hoffen bleibt, dass sich viele Menschen durch das Beispiel seines Lebens zum gewaltfreien Handeln inspirieren lassen.

Die Erklärung Philip Berrigans - aufgeschrieben einen Tag vor seinem Tod am 6. Dezember 2002, einen Tag vor seinem Tod - findet sich hier .

Hinweis: Eine umfassendere Artikelsammlung von und über Phil Berrigan kann beim Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. angefordert werden. Es handelt sich um ca. zehn neuere und ältere Artikel mit einem Gesamtumfang von ca. 24 Seiten (evtl. kommen noch Ergänzungen hinzu). Bestellungen bitte an: Lebenshaus Schwäbische Alb e.V., Bubenhofenstr. 3, 72501 Gammertingen, Tel. 07574-2862, Fax 07574-91110, E-Mail info@lebenshaus-alb.de (zur Kostendeckung für Kopien und Versand wird eine Spende von 3 bis 5 EURO in Form von Briefmarken oder einem Geldschein erwünscht, höhere Spendenbeträge können auch überwiesen werden auf das Lebenshaus-Konto: Konto-Nr. 248517, Ökobank Frankfurt, BLZ 50090100.

Veröffentlicht am

13. Januar 2003

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