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Dan Berrigan - Ein Friedensaktivist

Torsten Schramm

Aus Anlass des 80. Geburtstages von Dan Berrigan im Mai 2001 dokumentierte die Zeitschrift “gewaltfreie aktion - Vierteljahreshefte für Frieden und Gerechtigkeit” einige Ausschnitte aus einem Interview vom Oktober 1998. Die Fragen stellte Torsten Schramm. Vorher noch einige Anmerkungen zur zeitnahen Ergänzung im Zusammenhang mit seiner Geburtstagsfeier.

Seinen Geburtstag hat er in St. Paul mit vielen Mitstreitern und Friedensaktivisten in Manhattan gefeiert. Dan ist Jesuit, der durch die spektakulären Aktionen gegen den Vietnamkrieg bekannt wurde. Am 17. Mai 1968 hat er zusammen mit seinem Bruder Philip Einberufungsbescheide für das Militär verbrannt. Seitdem kämpft er gegen Armut und Gewalt, schreibt Bücher und unterrichtet an Universitäten und organisiert Seminare. Er ist innerhalb der katholischen Kirche in den USA eine der wichtigsten pazifistischen Stimmen. 1980 haben Philip, sein Bruder und Dan zusammen mit 6 anderen Aktivisten die Pflugscharbewegung gegründet. Das letzte Mal wurde Dan im April diesen Jahres verhaftet, als er auf einem Flugzeugträger in New York gegen die Militarisierung protestiert hat.

Philip konnte nicht beim Geburtstag dabei sein, er sitzt zur Zeit wieder im Gefängnis für eine der bekannten symbolischen Aktionen - mit Hämmern hat er 1999 ein Kriegsflugzeug in Maryland beschädigt.

Dan sieht die gesellschaftliche Entwicklung nicht sehr rosig, er beklagt vor allem die Zerstörung der Umwelt, die hohen Militärausgaben, den neuen Versuch, den Weltraumkrieg als mögliches Projekt wieder zu aktivieren. Er sieht darin eine Verachtung des menschlichen Lebens auf diesem Planet. Doch er gibt die Hoffnung nicht auf. Er baut auf die vielen neuen jungen Aktivistinnen. Er nimmt seine Kraft aus seiner “Community”, seiner Gemeinschaft mit den Jesuiten und seinem Kreis von Studenten und jungen Aktivisten.

Wir möchten Dan, auch im Namen seiner Freundinnen und Freunde in Deutschland, auf diesem Wege herzlich gratulieren und für sein bisheriges Lebenswerk danken. Vielleicht ist es auch ein Impuls für die Friedensarbeit in unserem Land, gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in den Vereinigten Staaten von Amerika. Haben wir die Bemühungen für unseren Friedensbeitrag in dieser Welt ernst genug genommen?

Frage: Erzähl mir etwas über deine momentane Situation und den aktuellen Stand der Pflugschar-Aktionen

Dan: Ich erzähle dir am besten erstmal von meinem Bruder. Philip ist kurz davor seinen fast zweijährigen Gefängnisaufenthalt zu beenden. Er ist jetzt seit über einem Jahr in Einzelhaft. Ein Jesuit war auch inhaftiert, aber nicht im selben Gefängnis. Sie trennen unsere Leute immer.

Wir erwarten, daß er in einem Monat auf freien Fuß kommt. Das größte Problem besteht darin, daß für den Fall der Entlassung strikte Auflagen verhängt wurden - eine Art Verschwörungsversuch der Behörden gegen unsere Aktivisten. Die Auflagen schränken Philip so ein, daß er sich im Grunde genommen nicht frei bewegen kann. Er darf in keinem Fall in eine Community zurückkehren, in der Aktivitäten unter die Rubrik “bekannte kriminelle Aktivitäten” fallen. Natürlich ist unser Jonah-Haus in Baltimore voll von vorbestraften Freunden … (lacht) … und zweitens muß er eine “Wiedergutmachung” für den entstandenen Schaden zahlen. Die Regierung hat dafür gesorgt, daß die Kosten für den Sachschaden einer hohen Inflationsrate unterliegen.

Wir wissen schon jetzt, daß wir die Auflagen nicht einhalten werden. Philip wird nach seiner Entlassung wieder ins Jonah-Haus kommen und wir werden die xWiedergutmachung” nicht zahlen. Es ist deshalb noch nicht gesagt, ob er bald frei sein wird. Wir werden sehen, was passiert!

Die Behörden sind außer sich, daß sie trotz all ihrer Maßnahmen die Pflugschar-Leute nicht stoppen können. Die Bewegung ist inzwischen international, in Europa, hier, in Neuseeland, in Australien … überall werden Aktionen gestartet.
Unsere Leute werden immer abgehärteter und unnachgiebiger. Die Gerichtsverfahren gegen Pflugscharaktivisten häufen sich. Nur als Beispiel: In Denver stehen am kommenden Montag zwei Aktivisten wegen Sabotage vor Gericht, sie riskieren eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren.

Es ist gerade keine gute Zeit für gewaltfreie Aktionen. Naja, so ist das halt. Frage: Wie sah die Anklage für deinen Bruder in diesem aktuellen Fall aus? Dan: Der Fall ist folgender: Wir haben sechs Leute zu einer neuen Flotte von Zerstörern, die in Maine stationiert ist und auch dort hergestellt werden, geschickt. Sie haben es geschafft, an Bord eines gerade auslaufenden Schiffes zu gelangen. An Deck haben sie dann ihr Blut verspritzt und mit Hämmern auf das Schiff eingeschlagen … es war symbolisch im Sinne von Jesaia und der Bewegung.

Der folgende Gerichtsprozeß sorgte für viel Aufsehen in der Öffentlichkeit und einen großen Wirbel in den Medien; die katholische Presse, die New York Times, der Boston Globe, die Washington Post und natürlich das Fernsehen, alle haben über uns berichtet. Es war mit Sicherheit seit unseren Anfängen 1980 unsere öffentlichkeitswirksamste Aktion.

Inzwischen gehen die Richter und Kläger immer härter gegen die Pflugschar-Leute vor - verdammt -, aber wir werden nicht aufhören.

Im Moment sitzen sechs unserer Leute in Virginia im Gefängnis, darunter zwei Nonnen, zwei Priester und eine Großmutter. Zwei weitere sitzen in Denver. Philip und Susan haben gerade zwei Jahre hinter sich. Und es wird so weiter gehen. Die Leute haben keine Angst.

Ich finde es großartig. Wenn man bedenkt, daß die Rüstungsindustrie weiter macht wie eh und je, als gäbe es noch Feinde ringsherum. Das Militär bekommt heute mehr Geld als jemals zuvor … und derweil wächst das Elend in den Städten. Tja, so ist das.

Übrigens, der Zerstörer in Maine war der erste von vierzehn, die sie dort bauen. Dieses Kriegsschiff ist für eine Kriegsführung mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen ausgerüstet. Dies ist eine völlig neue Generation von Waffen. Das ist ARMAGEDDON.

Frage: Erzähl mir doch mal, was du machst, wenn du nicht gerade ein Buch schreibst. Bist du immer noch in der Obdachlosen und Aidsbetreuung tätig?

Dan: Nein, ich arbeite nicht mehr mit Sterbenden. Elf Jahre lang habe ich mich um AIDS-Patienten gekümmert, vorher fünf Jahre Menschen mit Krebs betreut. Dann wurde ich selbst ernsthaft krank und mußte diese Arbeit aufgeben. Man kann sich nicht mit Kranken umgeben, wenn man selbst krank ist, du weißt, was ich meine.

Ich habe zu dem Zeitpunkt angefangen, Seminare zu geben, ich bin herumgereist in meinem Land und habe den Leuten von meinen Erfahrungen erzählt.

Am Hiroshima-Tag am 6. August wurde eine ganze Gruppe von uns verhaftet, allein 35 aus unserer Stadt. Wir sind in das UN-Gebäude mit Flugblättern und Plakaten gegangen. Wir haben uns für die Kinder im Irak und gegen die Sanktionen ausgesprochen. Unter den Festgenommenen waren ein blinder Mann, ein Veteran aus dem Irak-Krieg und mehrere junge Mütter mit Kindern. Es war ziemlich beeindruk-kend. Das war am 6.August 1998.

Frage: Woher nimmst du die Kraft weiterzumachen, weiter aktiv zu bleiben? Welche Visionen teilst du mit Menschen, die deinem Vorbild folgen?

Dan: Hm, es ist so: Ich spreche immer über diese Dinge, weil die Medien sich nicht dafür interessieren. Eine Ausnahme war der Fall in Maine. Es war Philips Verdienst, daß diese Aktion eine wahre Medienexplosion verursachte. Ich meine, die Leute sind sehr betroffen, wenn ich vor ihnen spreche. In den großen Stätden wissen die Menschen durch die Medien auch Bescheid über die Pflugschar-Aktionen. Aber im ganzen Mittleren Westen hat keiner eine Ahnung wovon ich spreche. Also muß ich weiter zu den Leuten reden.
Am Karfreitag wurden viele meiner Studenten verhaftet, weil wir eine Aktion gemacht hatten.

Frage: Gibst du noch weiter Vorlesungen an Universitäten?

Dan: Letztes Semester habe ich hier in der Stadt unterrichtet, unter anderem auch einige Studenten, die am Karfreitag verhaftet wurden. Ich werde im Frühling noch mal an die Universität gehen. Aber bis dahin werde ich wohl die meiste Zeit unterwegs sein und Seminare geben.

Erst letzte Woche war ich an der Universität in Pennsylvania, in der Nähe vom Presbyterian College in Pittsburgh, an einer Hochschule für freie Kunst. Das war ganz gut.

Frage: Hast du in den letzten Jahren positive Entwicklungen in der amerikanischen Gesellschaft bemerkt?

Dan: Nicht wirklich. Meine Hoffnung liegt immer noch in den Menschen. Überall haben wir inzwischen Anti-Atom-Gruppen.
Wir haben Gruppen in den Städten und die Küste rauf und runter. Die gesamte Gruppe von Südboston trifft sich alle sechs Monate ein Wochenende lang, dort werden Probleme diskutiert und neue Aktionen geplant.
Hier in der Stadt kommen wir alle zwei Wochen zusammen. Wir lesen zusammen in der Bibel und beratschlagen, was wir als nächstes tun können. Da spüre ich noch Vitalität.

Ich meine fast alles ist heute an der Oberfläche verdorben, dreckig und gefräßig. Weißt du, es fällt alles auseinander. Dieses Militäreuphorie wird immer schlimmer. Aber das geht mich nichts an, das ist nicht meine Aufgabe. Wir müssen das schützen, was in unserer Macht liegt und. das tun, was wir tun können.

Frage: Die Clinton -Regierung hat keine wirkliche Veränderung mit sich gebracht?

Dan: Nein, außer das sich Dinge noch verschlechtert haben. Vorher gab es noch kleine Veränderungen. Mit ihm wurde es schlimmer.
Clinton ist ein Mann ohne Prinzipien. Selbst wenn er nicht verschleierten Unsinn verbreiten würde, hat er uns bereits so viele Male auf verschiedenste Art in der Welt verraten und belogen. Ich meine, daß ist das Schlimmste … das kann man nicht vergleichen mit dem, was er getan hat…
Der Arme, er gehört zu einer merkwürdigen Spezie Mensch.

Das Interview erschien in: gewaltfreie aktion - Vierteljahreshefte für Frieden und Gerechtigkeit, Heft 129, 33. Jahrgang, 4. Quartal 2001.
Wir bedanken uns bei der Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.

Veröffentlicht am

18. Januar 2002

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