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Aufruf zu einer Textwerkstatt: “Gewaltfrei gegen Faschismus, Diktatur und Krieg”

Beiträge zur Hinterfragung der “Lehren des Zweiten Weltkrieges”

60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Niederschlagung des Nationalsozialismus in Deutschland stellen wir fest, dass der Schwur “Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!” umgedeutet wurde in die angeblich historische Lehre, dass damals die Nazi-Barbarei nur mit Krieg gestoppt werden konnte und auch heute dem Faschismus ähnliche Diktaturen nur mit militärischer Gewalt zerschlagen werden können. Die Forderung “Nie wieder Krieg!” wurde der Forderung “Nie wieder Faschismus!” untergeordnet und damit aufgehoben.

Demgegenüber halten wir daran fest, dass die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg und der nationalsozialistischen Diktatur nur sein kann: Weder Faschismus und Diktatur noch Krieg!

In der Bewertung und Würdigung der Befreiung 1945 durch die Alliierten wird unhinterfragt behauptet, dass der Krieg der Alliierten dem Schutz der Juden und anderen vom Genozid bedrohten Menschengruppen sowie der Befreiung vom Faschismus und der Einführung von Demokratie und Menschenrechten gegolten habe. Der Krieg sei dafür das einzige Mittel gewesen, gewaltloser Widerstand sei wirkungslos gegenüber solchen Diktaturen. Und noch schärfer: Der “Pazifismus” habe Auschwitz erst möglich gemacht.

Diese Sicht der historischen Ereignisse ist zwar weit verbreitet, unterschlägt jedoch eine ganze Reihe anderer Erfahrungen, Erkenntnisse und Einschätzungen, die diese Sichtweise in Frage stellen und in eine andere Richtung weisen:

  • Der Zusammenhang zwischen Krieg und Genozid: Die Massenvernichtung konnte erst im und durch den Krieg auf die politische Tagesordnung gesetzt und durchgeführt werden.
  • Die 50 Millionen Kriegstoten, die es eigentlich verbieten sollten, “Lösungen” auf diese Weise wiederholen zu wollen.
  • Die Kriegsstrategien, die eben nicht die Verhinderung des Holocausts zum vorrangigen Ziel gemacht hatten.
  • Die politische Akzeptanz von Imperialismus und Krieg auch auf alliierter Seite, wenn sie den eigenen Interessen dienten.
  • Die militärischen und wirtschaftlichen Interessen der Westmächte.
  • Der in der deutschen Gesellschaft und auch in vielen anderen Ländern tief verwurzelte Antisemitismus und damit einhergehend das Abschotten gegenüber jüdischen Flüchtlingen in vielen Ländern.
  • Die vielen Beispiele, wie in Deutschland und in den besetzten Ländern Tausende von Juden effektiv geschützt werden konnten - ohne militärische Machtmittel.
  • Der erfolgreiche “passive Widerstand” gegen die deutsche Besatzung - vor allem in Norwegen und Dänemark, aber auch in anderen Ländern.
  • Der erfolgreiche gewaltfreie Protest gegen Verschleppung von Juden im Zentrum Hitler-Deutschlands (z.B. Berlin, Rosenstraße).

Die einseitige Interpretation der Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges ermöglicht es zunehmend - auch bei (ehemaligen) AntimilitaristInnen (GRÜNE, z.T. SPD) - Krieg wieder als machbar oder sogar geboten erscheinen zu lassen. Sobald es gelingt, ein Regime oder einen Diktator mit Hitler und dem NS-Regime propagandistisch auf eine Stufe zu stellen, fallen alle moralischen Bedenken weg. Mit den angeblichen “Lehren des Zweiten Weltkrieges” werden Kriegs-KritikerInnen mundtot gemacht.

Deshalb sehen wir es als eine dringliche Aufgabe an, diese kriegsfördernden Interpretationen des letzten Weltkrieges zu hinterfragen, ohne damit die nationalsozialistischen Verbrechen relativieren zu wollen. Neue Aspekte sollen in die Diskussion und in das öffentliche Bewusstsein gebracht und die vielfältigen positiven Erfahrungen mit gewaltfreiem Widerstand gegen Diktaturen publik gemacht werden. Wenn das Dogma “Der Zweite Weltkrieg hat gezeigt, dass der Faschismus nur mit militärischer Gewalt überwunden werden konnte und kann” in Frage gestellt oder widerlegt werden kann, dann ist der Rückgriff auf Krieg als Antwort auf Terrorismus und Diktatur nicht mehr so leicht zu legitimieren.

Aus diesem Grund rufen wir auf zu einer “Textwerkstatt” unter dem Thema “Gewaltfrei gegen Faschismus, Diktatur und Krieg”. Wir wollen qualifizierte Beiträge zu einer veränderten Sicht des Zweiten Weltkrieges und der Niederschlagung der NS-Diktatur sammeln, dokumentieren und der Öffentlichkeit vorstellen. Damit soll ein öffentlicher Diskurs über diese Fragen initiiert bzw. intensiviert und ein Bewusstseinswandel befördert werden, der sich auf die Außenpolitik unseres Landes niederschlagen soll.

Die Beiträge sollen eine Länge zwischen 5 und 20 Din-A-4-Seiten haben und können sich auf verschiedene Aspekte beziehen:

  • kritische Analyse der Kriegspolitik der Alliierten, ihrer Motive, Ziele und Strategien
  • konflikttheoretische Analysen der Gewalteskalation in dieser Zeit
  • wirtschaftliche und historische Aspekte, die zum Krieg führten
  • psychologische und soziologische Aspekte des Faschismus und des (geringen) Widerstands innerhalb NS-Deutschlands
  • die Rolle des Antisemitismus in allen beteiligten Ländern
  • Abgrenzung zwischen Appeasement-Politik und pazifistischer Politik
  • Beispiele erfolgreicher Eindämmung der NS-Aggression auf politischem Wege
  • Beispiele erfolgreichen gewaltfreien Widerstands gegen die Nazi-Herrschaft
  • kritische, ernst zu nehmende Stellungnahmen aus jener Zeit gegen die Kriegspolitik der Alliierten
  • alternative Szenarios, wie die Nazi-Barbarei hätte überwunden werden können

Eine internationale Jury - bestehend aus renommierten Persönlichkeiten der Friedens- und Konfliktforschung - wird diejenigen Beiträge auswählen, die sie für qualifiziert und für eine Veröffentlichung (evtl. gekürzt) geeignet hält.

Die ausgewählten Arbeiten werden mit jeweils 250 € prämiert.
Einsendeschluss: 1. September 2005 (wichtig: bis zum 31.12.2005 verlängert!)

Interessierte AutorInnen wenden sich bitte an:
Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden - Büro Freiburg, Vauban-Allee 20, 79100 Freiburg, Tel. 0761-43284, Fax 0761-4004226, E-Mail: buero.freiburg@wfga.de

Veröffentlicht am

18. Oktober 2005

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