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Dem kurdischen Flüchtling Yusuf Karaca droht die Auslieferung an die Türkei

Skandalöse Gerichtsentscheidung: OLG Frankfurt verharmlost Folter

PRO ASYL fordert die sofortige Freilassung

Dem in Deutschland anerkannten kurdischen Flüchtling Yusuf Karaca droht die Auslieferung an die Türkei. Er sitzt seit dem 3. Mai 2006 in Auslieferungshaft. Das zuständige Gericht, das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, hat am 23. Mai 2006, wie jetzt bekannt wurde, die Auslieferungshaft mit einem skandalösen Beschluss bestätigt.

Yusuf Karaca wurde in Deutschland als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention rechtskräftig anerkannt. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch das Verwaltungsgericht Frankfurt stellten fest, dass er in der Türkei politisch verfolgt worden ist. Herr Karaca hatte 10 Jahre lang in der Türkei aufgrund eines erfolterten Geständnisses im Gefängnis gesessen. Herr Karaca schildert in einer Erklärung an die Presse vom 1.6.2006 die erlebte Folter: "In der Zeit in meiner Haft in der Polizeiabteilung für politische Angelegenheiten wurde ich unzählige Male mit Elektroschocks (an Geschlechtsorganen, Zunge und Ohren) gefoltert. Mehrmals wurde ich am ‘palästinensischen Haken’ aufgehängt, mehrere Tage musste ich ohne Schlaf und nackt an kalten Stellen verbringen. Sie tauchten meinen Kopf ins Wasser, indem sie mir währenddessen die Nasenlöcher zustopften. Ich wurde zu einsamen Orten gebracht und mit dem Tode bedroht. Sie drohten mir damit, meine Familienangehörigen der Folter auszusetzen und sie umzubringen." Herr Karaca gibt weiter an, dass er auch in der 10 Jahre dauernden Strafhaft immer wieder Angriffen und Folter ausgesetzt war. Erst als die Haft unterbrochen wurde, weil er wegen dauerhafter Nahrungsverweigerung (so genanntes "Todesfasten") medizinisch behandelt werden musste, gelang ihm die Flucht. In Deutschland hat er den Flüchtlingsstatus am 28.9.2005 erhalten.

Die vom OLG Frankfurt nun getroffene Entscheidung ignoriert die Flüchtlingsanerkennung vollständig. Die Vorwürfe des türkischen Staates gegenüber Yusuf Karaca werden ungeprüft übernommen und zur Grundlage der Auslieferungshaft gemacht. Die Tatsache, dass Herr Karaca als Flüchtling anerkannt wurde, wird nicht erwähnt.

Als Haftgrund wird Fluchtgefahr angeführt. Zur Fluchtgefahr argumentiert das OLG Frankfurt mit kaum zu überbietendem Zynismus. Die Gefahr, erneut gefoltert zu werden, wird als Anreiz gewertet, sich dem Auslieferungsverfahren zu entziehen: "Hinzu kommt, dass gerade die von dem Verfolgten vorgetragenen Umstände, Herbeiführung des der Verurteilung zugrunde liegenden Geständnisses durch Folter und weiterhin drohende Folter, den Anreiz zur Flucht, um der Strafvollstreckung eines nach Auffassung des Verurteilten auf einem erpressten Geständnis beruhenden Urteils in der Türkei zu entgehen, deutlich werden lassen." (OLG Frankfurt, Beschluss v. 23.5.2006, Az. 2 Ausl A 36/06).

Hier werden menschenrechtlichen Maßstäbe völlig ad absurdum geführt. Das OLG Frankfurt verkennt, dass Herr Karaca wegen der drohenden Folter und aufgrund des unfairen Verfahrens nach der Europäischen Menschenrechtskonvention auf keinen Fall ausgeliefert werden darf. "Die Entscheidung des OLG Frankfurt offenbart unglaubliche Gleichgültigkeit gegenüber Folteropfern", so Marei Pelzer von PRO ASYL.

In seinem Beschluss fordert das OLG Frankfurt die Zusicherung von Seiten des türkischen Staates, dass Herr Karaca seine Haft in einem Gefängnis Typ F fortsetzt und dass die deutsche Botschaft Gelegenheit erhält, den Inhaftierten aufzusuchen und sich über die konkreten Haftbedingungen zu informieren. In einem Typ F-Gefängnis war Herr Karaca aber bereits vor seiner Flucht inhaftiert - in solch einem Gefängnis hat er Misshandlungen erlitten. Welchen Sinn soll eine Zusicherung des türkischen Staates machen, ihn abermals in einem solchen Gefängnis zu inhaftieren?

In einem Anfang des Jahres veröffentlichten Gutachten zur "Rechtsstaatlichkeit politischer Verfahren in der Türkei" kommt der Türkeiexperte Helmut Oberdiek zu dem Ergebnis, dass trotz Abschaffung der Staatssicherheitsgerichte erfolterte Geständnisse noch immer vor den Gerichten als Beweise zugelassen werden. Eine Aussicht auf ein faires Verfahren bestehe damit nicht.

PRO ASYL fordert, dass Herr Karaca umgehend aus der Auslieferungshaft entlassen wird. Als anerkannter Flüchtling ist er dem Schutz des deutschen Staates unterstellt.

Das Bundesjustizministerium ist im Auslieferungsverfahren die letzte Instanz, die über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidet. PRO ASYL fordert die Bundesjustizministerin Zypries auf, die Auslieferung zu verhindern.

Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - Presseerklärung vom 06.06.2006.

Veröffentlicht am

07. Juni 2006

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