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Israels wunderbare Jugend

Von Shulamit Aloni, Haaretz, 11.7.05

Sie erhielten die beste Erziehung, die der Staat Israel seinen Lieblingsschülern während der Amtsperiode der gegenwärtigen Regierung anbieten kann - trotz der Budgetkürzungen. Kleine Klassen, gute Lehrer, viele Rabbiner, eine unterstützende Gemeinschaft, kostenloser Transport, zusätzlicher Unterricht, zu dem die Lieblinge auf den Schultern von Reservesoldaten getragen werden, eine sehr patriotische Erziehung, eine Menge Torahunterricht und viel Judaismus. (Es ist allerdings zweifelhaft, wie viel sie von jüdischer Ethik gelernt haben, und zwar von der Art, wie es die jüdische PR rund um die Welt gern dargestellt sehen würde.)

Wie sehr prahlte jeder mit ihnen! Wie sehr haben sich Eltern und Erzieher wie Herren gegenüber Schülern gewöhnlicher öffentlicher Schulen aufgespielt, in denen 40 Schüler in einem Klassenraum sitzen und deren Unterrichts- und Lehrersituation unter den Budgetkürzungen litten. Hier erzogen sie eine wunderbare Jugend heran - und nun kam der Moment der Wahrheit.

Heute reden wir über die Resultate. Und während wir diese betrachten, hören wir den Propheten Jesaja (5) mit seiner Parabel vom Weinberg: er grub tief, beseitigte die Steine und bepflanzte ihn mit den ausgewähltesten Weinstöcken an: er baute einen Turm mittendrin und grub eine Kelter; und nun wartete er darauf, dass er gute Trauben brächte. Doch er brachte schlechte.”

Vor unsern Augen sind nun die Ergebnisse. Wir sahen sie auf den Hauptstraßen, wir hörten, wie sie Abgeordnete und den Ministerpräsidenten verfluchten, das Gesetz und die Ordnung verletzten, sich wie Wilde benahmen und Leute in Uniform, Polizei und Armee, demütigten. Sie erklärten und schrieben: “Sharon wird genau wie Rabin ermordet werden”, “Sharon, Hitler ist stolz auf dich!” und vor allem: “Tod den Arabern!”

Das Pogrom, das wir in Muwasi-Ortsteil in Gaza sahen, einschließlich dem Lynchversuch, ist nicht ungewöhnlich. Es ist nur in sofern einmalig, als diesmal die Medien damit einverstanden waren, die Information eines solchen Vorfalles der allgemeinen Öffentlichkeit zu zeigen. Am selben Tag war ich mit meinen Freunden von Yesh Din (“Es gibt ein Gesetz”, eine Menschenrechtsorganisation) in Akraba, nicht weit von Nablus. Es ist ein Ort mit ca. 10.000 Einwohnern und einer Reihe kleinerer Dörfer drum herum. Sie haben kein Wasser.

Nur die, die nach Itamar als Siedler eingedrungen sind, haben Wasser. In Gitit, einem neuen Ort in der Nähe, gibt es eine wunderbare Quelle, aber die “Einheimischen” sind gezwungen, Wasser aus Tankwagen zu kaufen, der einmal am Tag kommt. Die offizielle Institution, die einen Brunnen bohrte, dachte nicht im Traume daran, zu den Nachbarorten auch gleich eine Wasserleitung zu legen. Anscheinend sind sie für uns irrelevant.

MK Benny Elon sagte einmal zu mir: “Du bist gegen Transfer - also werden wir ihr Leben so unerträglich gestalten, bis sie von alleine gehen.”

Und es gibt sie, die Leute, die das Leben der Palästinenser unerträglich machen. Sie vergiften 120 Schafe, sägen ihre Olivenbäume ab, lassen den Traktor eines Farmers in die Luft gehen, fesseln einen 15jährigen Hirten und stehlen zehn seiner Schafe. Sie schlagen einer Person ein Auge aus, schossen einen andern Jungen an und lähmten seine rechte Hand. Kurz, bei einer Begegnung sahen und hörten wir das Zeugnis von einer Person mit einem fehlenden Auge, von einer Person, deren Bruder getötet bzw. ermordet wurde und einer Person, die auf dem Esel sitzend angeschossen und geschlagen wurde. Und dann haben sie die Straße gesperrt, die seit türkischer Zeit nach Nablus führt.

Wenn diese Beispiele nicht reichen sollten: die Wunderkinder der Nahal Haredi (Ultra-orthodoxe Soldaten) brechen vom Osten auf, um die Bewohner mit Zerstörung ihres Eigentums heimzusuchen. Die engagierten Frauen von Yesh Din sammelten viele Zeugnisse. Sie versuchen, die für Gesetzesbrüche zuständigen Behörden in den besetzten Gebieten zu aktivieren. Die tun nämlich alles, um nicht zu hören, nicht zu wissen und nicht zu handeln - und so schützen sie die Gesetzesbrecher.

Israel Hess, der vor ein paar Jahre starb, war der Rabbiner der Bar-Ilan-Universität. Er sah sich als Super-Pädagoge. Er schrieb einen Artikel in der Universitätszeitung: “Wir sind alle gezwungen, einen Völkermord zu begehen.” Und warum? Nun nach (Bibel-)Studien kam er zu dem Schluss, dass die Palästinenser die Nachfahren der Amalekiter sind. Und Israel soll sich erinnern, was Amalek uns getan hat. D.h. sich daran erinnern, um sie zu vernichten. In dieser Zeit stand Rabbi Prof. Emanuel Rackmann, der von der Yeshiva-Universität in New York kam, der Bar-Ilan vor. Natürlich feuerte er den Mann. Aber all die “Wunderkinder” wissen, was man mit den Amalekitern tun muss. So nennen sie die Palästinenser, und jedes Kleinkind versteht schon, was das heißt.

Es ist kein Zufall, dass die vom Staat bezahlten Rabbiner der Siedler entschieden haben, dass die Sache mit dem “Lieben des Fremden” vergessen werden soll. Stattdessen sollten wir das Gebot annehmen, das bei 5. Moses 7,2 steht: “So sollst du an ihnen den Bann vollstrecken, du sollst keinen Bund mit ihnen schließen und keine Gnade für sie haben.” (Diese Worte wurden im Hinblick auf die sieben Völker Kanaans gesagt, die nicht mehr existieren - aber unsere Weisen finden neue Interpretationen, also beziehen sie dies auf die Palästinenser). Hier haben wir das neue Judentum. Ein Judentum der Gewalt …

Unsere Lieblinge sind seit der Besetzung von 1967 einen langen Weg gegangen, indem man ihnen Diebstahl erlaubte und die Verfolgung der einheimischen Bevölkerung dieses Landes. Diese Liebhaber des Landes verleugnen sogar die Liebe Gottes, von der wir nach dem 5. Buch Moses (10, 17-19) lernten: “ein großer Gott, ein Mächtiger und Schrecklicher … und der den Waisen und Witwen Recht schafft, und der die Fremdlinge lieb hat; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägypten.”

Nun zu Beginn der Tests haben wir die Früchte gesehen, die aus dem den Siedlern, ihren Rabbinern und ihren Kindern gewährten Überfluss heranwuchsen. Wir haben auch die Ergebnisse der Tatsache gesehen, dass die für Gesetz und Ordnung zuständigen Behörden ihre kriminellen Aktivitäten, wie Diebstahl, Zerstörung und Schikanen, ignoriert haben. Wir haben die Taten der “Pioniere” des Ministerpräsidenten Ariel Sharon und seinen Freunden gesehen, die sich ihres Reichtums auf Kosten der Armen und Elenden Israels erfreuen - und siehe da! Sie sind Gesetzesbrecher mit faschistischer Einstellung, offenkundigem Rassismus und Zerstörer der Grundlage einer anständig verwalteten Gesellschaft, und die nur geringschätzig über demokratische Institutionen denken. Sie werden zu Recht als “Beherrscher des Landes” bezeichnet, weil die, die die Werte des Judentums und der Demokratie und vor allem die Werte des Menschen als Mensch verdrehen, zu “Herren-Menschen” erzogen wurden. Ihre Rabbiner, ihre Eltern und ihre Kinder haben wir alle gesehen und gehört. Natürlich haben sie überall ihre Merkmale hinterlassen - schreibend, lesend, zerreißend und verletzend.

Und die Bildungsministerin schweigt und der Ministerpräsident liebt sie und vergibt ihnen.

Shulamit Aloni, früheres Knessetmitglied von Meretz und unter Rabin Bildungsministerin, Menschenrechtsaktivistin.

Deutsche Übersetzung: Ellen Rohlfs

Veröffentlicht am

20. Juli 2005

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