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1.000 Milliarden US-Dollar für die Rüstung - fehlende Mittel zur Bekämpfung von Armut

Millenniumsentwicklungsziele - Konversion kann einen Beitrag leisten

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat 2005 als Entscheidungsjahr für die Millenniumsziele bezeichnet. Nun würden die Weichen gestellt, ob die Anfang des Jahrtausends von den Regierungschefs der Welt proklamierten Entwicklungsbeschlüsse erreicht werden. An erster Stelle steht die Armutsbekämpfung: der Anteil der absolut armen Menschen an der Weltbevölkerung soll bis 2015 halbiert werden.

In ihrem zehnten Jahrbuch, dem Conversion Survey 2005, kommen die Wissenschaftler des BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) zu dem Schluss: ohne Kurskorrekturen und neue Prioritäten können die Millenniumsziele nicht erreicht werden. Aber - Abrüstung und Konversion können einen wichtigen Beitrag zum Abbau der weltweiten Armut leisten.

Besorgnis erregende Trends gefährden das Erreichen der Millenniumsziele

Das BICC-Jahrbuch benennt vor allem vier Besorgnis erregende Trends, die sich 2004 fortgesetzt haben und die die Millenniumsentwicklungsziele ernsthaft in Frage stellen. Dazu gehören:

  • der Anstieg der Militärausgaben, vor allem in einigen Ländern mit großen Streitkräften;
  • die nachlassende Fähigkeit von Regierungen einiger Regionen, ihren Bürgern ausreichende Sicherheit, Wohlfahrt und Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. “Obwohl die Zahl der Kriege und bewaffneten Konflikte nominell weiter zurückgeht, nehmen die physischen Gefahren für das Leben der Menschen in vielen Teilen der Welt offensichtlich zu,” betont Dr. Michael Brzoska, Forschungsleiter am BICC;
  • die bedrohliche ungebrochene Weiterverbreitung der Pandemie AIDS sowie
  • die Vergrößerung der Finanzierungslücke in der Entwicklungshilfe.

Konflikte und Kriege, die gewaltsamen Entwicklungshemmer

Vor allem in Afrika sind militärisch ausgetragene Konflikte und Kriege mit verantwortlich für den Rückstand bei der Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele. Konfliktprävention aber auch der Aufbau von stabilen Nachkriegsgesellschaften sind daher das Gebot der Stunde.

2004 wurden 25 Kriege und 17 bewaffnete Konflikte ausgetragen. Diese Daten, die von der Arbeitsgruppe Kriegsursachenforschung an der Universität Hamburg für das BICC erhoben wurden, bestätigen zwar, dass sowohl die Anzahl als auch die Intensität von Kriegen in den letzten Jahren abgenommen hat. Doch obwohl die Zahl der Soldaten, die im Kampf fielen, einen historischen Tiefstand erreicht hat, ist die Menge der Opfer unter der Zivilbevölkerung, deren Tod im Zusammenhang mit Kriegshandlungen steht, weiter alarmierend hoch. Ein Beispiel dafür ist der Krieg in Darfur.

Bei fast einem Drittel, nämlich 13 von 42, der bewaffneten Konflikte im Jahr 2004 spielte der Faktor Rohstoffe eine wichtige Rolle - d.h. der Konflikt wurde durch die Ausbeutung von Rohstoffen verursacht, ausgelöst, verschärft oder finanziert. Die internationale Staatenwelt - und auch die Privatwirtschaft - sind gefordert entschieden zu handeln, damit die Ausbeutung von Rohstoffen nicht zum Fluch, sondern zum Segen für eine Gesellschaft wird.

Damit dauerhaft Frieden entstehen kann, müssen militärische Strukturen, die für einen Krieg aufgebaut wurden, zunächst aufgelöst werden. An ihre Stelle müssen neue, effiziente und demokratisch rechenschaftspflichtige Sicherheitskräfte treten. “Die Demobilisierung ehemaliger Soldaten ist ein Beispiel, welchen Beitrag Konversion leisten kann und wie aktuell sie ist - sie gehört zu den vordringlichen Nachkriegsaktivitäten der internationalen Gemeinschaft,” lautet die Überzeugung von Peter Croll, Direktor des BICC. 2003 und 2004 wurden u.a. in Angola, Kolumbien, Liberia und Ruanda Soldaten demobilisiert, wobei das größte Problem meist die Reintegration ehemaliger Kämpfer in die zivile Wirtschaft ist. Besonders schwer ist aber auch, wie die Beispiele Afghanistan und Irak zeigen, der Aufbau und die Reform von Sicherheitsinstitutionen.

Steigende Militärausgaben verknappen die staatlichen Mittel

Zur Verwirklichung der Millenniumsziele kommt es einerseits auf eine effektivere Nutzung der vorhandenen Mittel an. Andererseits schätzt die Weltbank, dass zusätzliche Entwicklungshilfe - auch von den bisherigen Gebern - in Höhe von etwa 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr benötigt wird, um die Millenniumsziele zu erreichen. Gemessen an den Zusagen, die zu Beginn des Jahrtausends gemacht wurden, lassen die tatsächlich bereitgestellten Summen erheblich zu wünschen übrig.

Es gibt zwar keine automatische Wechselbeziehung zwischen den Ausgaben für das Militär und für die Entwicklungshilfe, Staaten könnten beides parallel erhöhen oder senken. “Aber knappe öffentliche Gelder können eben nur einmal ausgeben werden - dies ist eine Frage der Prioritätensetzung,” betont Peter Croll.

Während die Erhöhung der Entwicklungshilfe hinter den Erfordernissen und Zusagen zurückgeblieben ist, gab es gleichzeitig erhebliche Steigerungen in den Militärhaushalten. Die öffentliche Entwicklungshilfe nahm zwischen 1999 und 2003 um zehn Milliarden US-Dollar zu, die regulären Militärausgaben stiegen dagegen real um 28 Milliarden US-Dollar, also fast das dreifache. Hinzu kamen Ausgaben für die Kriege in Irak und Afghanistan von weiteren mehr als 150 Milliarden US-Dollar.

Die weltweiten Ausgaben für Militär und Rüstung haben 2003 (dem letzten Jahr, für das bei Abfassung des Conversion Surveys 2005 gesicherte Daten verfügbar waren) ein Niveau von ca. 950 Milliarden US-Dollar erreicht. 2004 dürfte die Summe in laufenden Preisen bei 1.000 Milliarden US-Dollar liegen. “Für den Anstieg der letzten Jahre sind zu mehr als zwei Dritteln die USA verantwortlich, deren Militärausgaben wieder so hoch sind, wie während der intensiven Phasen des Kalten Krieges,” analysiert Dr. Michael Brzoska. Allerdings ist der Anteil der Militärausgaben am Bruttosozialprodukt mit unter vier Prozent nun deutlich geringer als während des Kalten Krieges, als er bei sechs Prozent lag. Ein großer Teil des restlichen Drittels der gestiegenen Militärausgaben entfiel auf weitere fünf Staaten: Iran, Russland, China, Kuwait und Indien. Gleichzeitig kürzten nur noch knapp die Hälfte aller Staaten 2003 ihre Ausgaben für Militär und Rüstung.

Praktische Abrüstung und Konversion - Chancen für die Millenniumsentwicklungsziele

Die globalen Rüstungsausgaben steigen zwar, doch andere Indikatoren aus dem Militärbereich zeigen eine rückläufige Tendenz. Der Hauptgrund dafür sind Modernisierungen von Streitkräften in vielen Ländern. Die Zahl der größeren Waffensysteme in den weltweiten Arsenalen wurde um 1,6 Prozent auf rund 405.000 reduziert, die Truppenstärke ging global um 3,2 Prozent auf 19,9 Millionen Personen zurück. Die Beschäftigtenzahl in der Rüstungsindustrie schrumpfte um 2,6 Prozent auf 7,5 Millionen. Auch Liegenschaften wurden in erheblichem Umfang freigezogen. Diese Rückgänge in der militärischen Nutzung eröffnen Möglichkeiten der zivilen Um- und Neunutzung. Wenn auch in deutlich geringerem Maße als in den 1990er Jahren - auch weiterhin findet in vielen Regionen der Welt Konversion statt.

Der Conversion Survey 2005 weist viele Faktoren der praktischen Abrüstung und Konversion nach. Solche Erfolge geraten in Zeiten, in denen die Zeichen eher auf Aufrüstung zu stehen scheinen, leicht in Vergessenheit. Dies ist jedoch um so fataler, als gerade die Konversion in einem weiteren Sinne einen Beitrag zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele leisten kann - sei es durch die Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer, durch Abrüstung und Rüstungskontrollmaßnahmen etwa im Bereich der Kleinwaffen oder durch den Aufbau eines demokratischen Sicherheitssektors nach Kriegen und gewaltsamen Konflikten.

“Unsere Forschungsergebnisse belegen: Die Wechselwirkungen zwischen Armut und Konflikten liegen auf der Hand. Die Möglichkeiten, die sich auch durch Konversion für die Entwicklung auftun, müssen besser genutzt werden,” lautet das Fazit der BICC-Autoren.

Quelle: BICC - Presseerklärung 31.05.2005

Veröffentlicht am

04. Juni 2005

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